Sie wollen mit der Geheimhaltung keinen Mitarbeiter und auch nicht Herrn Brandt schützen. Sie wollen vertuschen, wie Ihr Haus in der Sache Brandt vorgegangen ist.
Sie wollen vertuschen, dass das Disziplinarverfahren eingeleitet werden musste, obwohl es mehrfach Bedenken dagegen gab. Sie wollen nicht, dass öffentlich wird, wie wenig Sie unternommen haben, um herauszufinden, wer Details über den Vorgang Brandt an die Presse gespielt hat. Einschüchtern, disziplinieren, mundtot machen - das ist die Devise in Ihrem Hause im Umgang mit Kritikern Ihrer Schulpolitik.
Erst die Vorsitzende des Schulleitungsverbandes, dann der Landesschülerrat, zuletzt der GEWVorsitzende Eberhard Brandt: Was für ein Bild gibt diese Kultusministerin für die Schülerinnen und Schüler und die Lehrkräfte in Niedersachsen an den Schulen überhaupt ab?
Meine Damen und Herren, Ministerin HeisterNeumann richtet Schaden in der Schulpolitik des Landes Niedersachsen und in der politischen Kultur an. Deshalb darf sie nicht länger Ministerin bleiben.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir fordern in dem Ihnen vorliegenden Antrag, über den wir heute sofort abstimmen wollen, die umgehende Entlassung der Kultusministerin Frau Heister-Neumann.
Damals, vor einem Jahr, bei dem Personalwechsel zwischen dem Kultus- und dem Justizressort hatten wir folgende Einschätzung: Not tauscht mit Elend. - Wie wahr, meine Damen und Herren! Not hat mit Elend getauscht.
Ich finde, Herr Busemann kommt bei dieser Geschichte ganz gut weg. Er kuschelt seitdem hinter Gefängnismauern.
- Er bringt vorsichtshalber sein Bett mit. Er verfolgt mit großer Gelassenheit, was hier an bildungspolitischen Debatten läuft.
Seit ihrem Amtsantritt gibt es fast täglich irgendwo in Niedersachsen eine Demonstration zum Thema Bildungspolitik. Egal, ob es um das Turboabi, mit dem es an den Gymnasien nicht klappt, um die Einführung an den Gesamtschulen, um die Gesamtschulen kaputt zu machen, oder um die manifesten Defizite im Bereich der frühkindlichen Bildung geht - Frau Heister-Neumann, von Ihnen wird nichts ausgelassen. Vor diesem Hintergrund ist der
Zusammenfassung der taz uneingeschränkt zuzustimmen. Sie schreibt: Frau Heister-Neumann ist die Gestalt gewordene Bankrotterklärung christlichliberaler Bildungspolitik.
Ihr Problem ist aber nicht nur ihre fachliche Inkompetenz. Es ist auch ihre Beratungsresistenz. Herr McAllister, wer leidet denn unter dieser Beratungsresistenz? Ihre Fraktion kann doch Lieder davon singen, welche Probleme Sie mit Frau HeisterNeumann in den letzten anderthalb Jahren gehabt haben.
Ihr drittes Problem treibt uns aber alle um: Sie kann nicht mit Kritik umgehen. Das geht aber bei einem herausgehobenen politischen Amt nicht.
Frau Korter hat die Beispiele genannt: im April die Maßregelung des Landesschülerrates, im März die intrigante Vorgehensweise, der Vorsitzenden des Schulleitungsverbandes einen Boykottaufruf unterschieben zu wollen, um ihr hinterher ein Dementi abzupressen. Ein mieserer Stil ist wirklich kaum vorstellbar.
Und dann kam der Tiefpunkt. Gegen einen der Hauptkritiker, den Landesvorsitzenden der GEW, wird mit aller Macht ein Disziplinarverfahren durchgesetzt, um die Gewerkschaften in ihrer Kritikfähigkeit zu treffen. Das ist doch der Hintergrund dieser Veranstaltung.
Es geht der Ministerin nicht um die Reputation oder die Person von Herrn Brandt. Sie ist aber die Vorgesetzte. Sie hat Fürsorgepflichten. Sie nimmt in Kauf, dass die Reputation von Herrn Brandt in Niedersachsen über Monate durch den Dreck gezogen wird. Das ist unerträglich.
- Ich habe sie auch nicht gesehen; das stimmt. - Für unsere Behauptungen und Vorwürfe dürfen wir wegen der strafrechtlichen Konsequenzen leider keinen Detailnachweis führen. Deshalb habe ich die herzliche Bitte: Herr Wulff, heben Sie die Vertraulichkeit der Akten auf!
Spätestens dann wäre die Qualität unserer Vorwürfe ja öffentlich nachvollziehbar. Wir haben keine Angst davor, andere augenscheinlich schon.
Unter Achtung der Vertraulichkeit sage ich Ihnen, dass wir drei Vorwürfe erheben. Der erste Vorwurf: Frau Heister-Neumann nimmt billigend in Kauf, dass Teile aus vertraulichen Personalakten den Medien zugespielt werden, übrigens mit Erfolg. Das ist ein unerhörter Vorgang. Der Landesvorsitzende der GEW erfährt von dem vorgesehenen Disziplinarverfahren gegen ihn erstmalig durch Lektüre des Focus. Unglaublich!
(Starker Beifall bei der SPD, bei den GRÜNEN und bei der LINKEN - Karl- Heinz Klare [CDU]: Das glauben wir nicht!)
Frau Heister-Neumann weiß davon seit März dieses Jahres. Sie hat weder den Betroffenen informiert noch umgehend Recherchen angestellt, wer in ihrem Umfeld diese offene Flanke war und diese Information weitergegeben hat. Es wäre ihre verdammte Pflicht gewesen, sofort gegen diese Person vorzugehen, die sich hier rechtswidrig verhalten hat.
Unser zweiter Vorwurf: Frau Heister-Neumann hat gegen den fachlichen Rat der ihrem Ministerium nachgeordneten und zuständigen Behörde politisch interveniert, obwohl es fachlich dafür keine Gründe gab. Das wird von ihr bestritten.
Ich sage Ihnen einmal, was die GEW mit Datum von heute zur Richtigstellung von Vorwürfen von Herrn Försterling und von Herrn Klare formuliert - das bezieht sich auf einen öffentlichen Vorgang; dazu kann sie ja Stellung nehmen -: Nach Informationen, die Herr Brandt am 27. März gegen 11 Uhr von einem Verantwortlichen der Landesschulbehörde erhielt, hatte nicht nur die Landesschulbehörde, Standort Braunschweig, sondern ebenfalls die Zentrale in Lüneburg dem Ministerium als Ergebnis der Vorermittlungen von der Einleitung eines Disziplinarverfahrens gegen Herrn Brandt abgeraten. Nach den Anrufen der Bild-Zeitung - in Klammern folgt der Name des Redakteurs - an diesem Tag gab die Ministeriumsspitze mittags Weisung an die Zentrale - in Lüneburg -, die daraufhin im Sinne des MK tätig werden musste. Meine Damen und Herren, muss es noch klarer formuliert sein? - Hier ist politisch interveniert worden, und bis heute wird öffentlich das Gegenteil behauptet! Der Landtag wird von dieser Ministerin kontinuierlich angelogen, meine Damen und Herren. Das sind wir nicht bereit zu akzeptieren.
(Starker Beifall bei der SPD, bei den GRÜNEN und bei der LINKEN - Björn Thümler [CDU]: Na, na! Mäßigung im Ton! Das geht überhaupt nicht! Uner- hört! - David McAllister [CDU]: Unpar- lamentarisch! Das geht zu weit!)
Herr Kollege Jüttner, bevor Sie fortfahren, möchte ich Sie darauf hinweisen, dass es einen Konsens in diesem Hause darüber gibt, dass man - - -
Der dritte Vorwurf, meine Damen und Herren, ist: Diese Ministerin - leider folgen ihr alle Kabinettskollegen - stellt die Vertraulichkeit dieser Akten her und verstößt damit, wie ich glaube, gegen Wort und Geist der Niedersächsischen Verfassung. Artikel 24 Abs. 3 schützt die Funktionsfähigkeit der Landesregierung und das Wohl des Landes, aber nicht das Fehlverhalten eines Kabinettsmitgliedes.