Protokoll der Sitzung vom 28.08.2009

Erste Beratung: Weiterentwicklung der Pflegeausbildung - Antrag der Fraktionen der CDU und der FDP - Drs. 16/1399

Zur Einbringung erteile ich das Wort dem Kollegen Riese von der FDP-Fraktion. Bitte!

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Menschen werden älter, und die Gesellschaft wandelt sich dergestalt, dass der Anteil älterer Menschen zunimmt. Der Landespflegebericht geht davon aus, dass sich die Zahl der pflegebedürftigen Menschen in Niedersachsen bis 2050 gegenüber dem Bezugsjahr 2003 um mehr als 175 000 auf 393 500 erhöhen wird. Daher ist der Beruf der Pflege im Gesundheitswesen und auch in der Altenpflege ein Beruf mit Zukunft. Deshalb haben wir auch den neuen Beruf Pflegeassistenz eingeführt, der erstmals den Sekundarabschluss mit enthält.

Die Anforderungen an die Pflegeberufe sind in stetem Fluss und werden sich auch in Zukunft weiter ändern. Mehr und mehr bedürfen Menschen, die aus anderen Ländern zu uns gekommen sind, die beispielsweise auch anderen Religionen als der christlichen anhängen oder sich in anderen Sprachen weit besser als in der deutschen ausdrücken können, der gesundheitlichen Pflege oder der ambulanten oder stationären Altenpflege. Meine Damen und Herren, die menschliche Zuwendung, das Gespräch und das Verständnis für die kulturellen Hintergründe dieser Menschen müssen verstärkt Bestandteile der Pflegeausbildung werden. Aber auch die Fortbildung durch die unterschiedlichen Träger wird diesem Aspekt besonderes Augenmerk widmen müssen.

Der genannte Landespflegebericht aus dem Jahre 2005 gibt die Zahl der bis 2050 zu erwartenden Demenzkranken mit über 100 000 an. Das wäre eine Verdoppelung gegenüber heute und stellt uns vor weitere Herausforderungen.

Zum Thema der kultursensiblen Pflege ist der aktuelle Landespflegebericht leider noch wenig aussagekräftig. Da wäre für die nächste Ausgabe zu wünschen, dass der Aspekt genauer als bisher abgebildet wird.

Wenn Studien angeben, dass Berufseinsteiger im europäischen Durchschnitt acht Jahre im Pflegeberuf verbleiben, während für Deutschland fünf bis zehn Jahre genannt werden, dann erscheinen diese Zahlen für eine Berufsperspektive nicht übermäßig hoch. Im Rahmen der Besprechung des Antrags sollten wir uns daher im Ausschuss erneut mit der Frage beschäftigen, welche weiteren Möglichkeiten wir haben, die Attraktivität der Pflegeberufe so zu steigern, dass sie mehr als bislang auch zu einer Lebensperspektive werden können.

Ministerin Mechthild Ross-Luttmann hat am 17. Juni hier im Haus zu unserer großen Freude angekündigt, mit dem Pflegepaket Einrichtungsträger von Ausbildungskosten entlasten zu wollen, vorhandene Pflegekräfte qualifizieren und die Attraktivität der Pflegeberufe mit einer Imagekampagne steigern zu wollen.

Der Abschlussbericht des Modellprojekts beim Bund „Pflegeausbildung in Bewegung“ sagt ganz klar, dass die Pflegeausbildung reformiert werden sollte und dass es darum geht, die gleichartigen Bestandteile der theoretischen Ausbildung besser zusammenzufassen, als es bisher der Fall ist, auch im Hinblick auf die europäische Vergleichbarkeit. Im praktischen Ausbildungsteil sollten die Schwerpunkte dann entsprechend den angestrebten Tätigkeiten gesetzt werden. Diese Empfehlungen, meine Damen und Herren, akzentuieren die Fraktionen der CDU und der FDP mit dem heute vorgelegten Antrag.

Ich danke Ihnen.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Meine Damen und Herren, nächste Rednerin ist Frau Mundlos von der CDU-Fraktion.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die demografische Entwicklung führt zu einem steigenden Bedarf an pflegerischer Unterstützung und Betreuung bei Pflegebedürftigkeit, chronischer und akuter Krankheit, zur Prävention und Rehabilitation und am Ende des Lebens in der Palliativversorgung bei gleichzeitig sinkenden Zahlen von Schulabgängern. Diese Herausforderungen verlangen eine umfassende Investition in die Pflegebildung zur qualitativen und quantitativen Sicherstellung der professionellen pflegerischen Versorgung der Bevölkerung. Dazu ist es unerläss

lich, dass die bisher drei Pflegefachberufe zu einem Beruf zusammengeführt haben.

(Zustimmung bei der CDU und bei der FDP)

So steht es in einem Papier des Deutschen Pflegrates zur Pflegebildung aus dem Mai 2009. Das zeigt, dass das ein hochaktuelles Thema ist. Nun ist diese Erkenntnis grundsätzlich nicht neu, aber weit davon entfernt, im Bewusstsein unserer Gesellschaft verankert zu sein. Pflege und alles, was damit zu tun hat, gerät für die meisten Bürgerinnen und Bürger nur in den Fokus, wenn persönliche Betroffenheit dies erzwingt. Umso wichtiger muss es für uns als Politiker sein, die Istsituation zu analysieren, Perspektiven für die Zukunft zu entwickeln und Handlungskonzepte zu erstellen und umzusetzen.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, Fakt ist, dass wir zurzeit drei Pflegefachberufe haben: Altenpflege, Gesundheits- und Krankenpflege sowie Gesundheits- und Kinderkrankenpflege. Fakt ist auch, dass die Inhalte dieser Ausbildungen zu einem Großteil deckungsgleich sind. Dies und die Tatsache, dass künftig eine Krankenpflegerin auch vermehrt über Kenntnisse in der Altenpflege verfügen muss, erfordern eine andere Ausbildungsstruktur und eine inhaltliche Neuordnung. Wir wollen diese Situation, vor die uns der demografische Wandel stellt, als Chance, als Herausforderung begreifen. Wir wollen die Möglichkeiten nutzen, jetzt gestaltend tätig zu werden und frühzeitig die Weichen für die Zukunft zu stellen.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Wir wollen, dass die Arbeit in der Pflege auch in Zukunft attraktiv bleibt.

(Marianne König [LINKE]: Das ist sie zurzeit doch nicht!)

Wir wollen eine qualitativ hochwertige Pflege für diejenigen, die sie erhalten. Wir wollen für diejenigen, die bereits dort arbeiten, und diejenigen, die den Beruf ergreifen wollen, dieses Berufsbild langfristig attraktiv halten

(Kreszentia Flauger [LINKE]: Das müssen Sie erst einmal attraktiv ma- chen!)

bzw. die Attraktivität steigern.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, Modellversuche hat es bundesweit gegeben, auch hier in

Niedersachsen; im Henriettenstift in Hannover gab es bereits solch ein Modellprojekt. Deshalb wissen wir: Erfahrungswerte liegen vor. Es gilt, diese einzubinden und zu handeln; denn wer für die Zukunft in die qualifizierte Pflege der Menschen investieren will, muss dies auch und gerade auch über Ausbildung gewährleisten. Das fordert z. B. auch der Deutsche Berufsverband für Pflegeberufe.

(Marianne König [LINKE]: Das nutzt nichts, wenn man sie nicht umsetzen kann!)

- Ach, Entschuldigung, wenn Sie noch häufiger zwischenrufen: Ich glaube, damit werden Sie dem Thema nicht gerecht. Ich fände es besser, wenn wir hier sachlich arbeiten würden. Das wäre besser für das Thema.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Der Deutsche Berufsverband für Pflegeberufe sagt:

„Für Qualität braucht man Qualifikation. … Wer für die Zukunft in die qualifizierte Pflege der Menschen investieren will, muss dies auch über Ausbildung tun. … In einer gestuften Bildungsstruktur können alle für die Pflege geeigneten Bewerber einen Zugang finden und den ihnen möglichen maximalen Level an Expertise erreichen. Durchlässigkeit ist die Devise, nicht Absenken des Zugangsniveaus.“

So weit der Berufsverband.

(Beifall bei der CDU)

Mit unserem Antrag wollen wir eine ruhige, eine sachliche und vor allen Dingen auch eine erfolgreiche Diskussion anstoßen. Ich hoffe, dass das im Ausschuss von allen Beteiligten positiv begleitet wird. Wir sagen aber auch bewusst: Wir erwarten das Konzept bis November 2010, weil es einfach nicht nützt, an ein paar Stellschrauben mal ganz schnell zu drehen und später festzustellen: Das war es nicht! - Wir brauchen ein Gesamtkonzept, das langfristig tragfähig ist und das vor allen Dingen auch der europäischen Dimension dieses Vorhabens gerecht wird.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, wenn man so etwas vorhat, dann muss man einfach an dieser Stelle auch einmal den Mut haben, neue

Wege zu gehen. Das wollen wir ausdrücklich leisten.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

So kann ich z. B. überhaupt nicht verstehen, dass es immer noch keine eigene Berufskennziffer für Pflegeberufe bei der Agentur für Arbeit gibt. Dort gibt es nur die Sammelkategorie Sozialarbeiter/Sozialpflege. Das gibt ein bisschen wieder, welchen Stellenwert der Pflegeberuf immer noch hat bzw. immer noch nicht hat. Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich finde, das muss sich schnellstens ändern. Wenn die Ausbildung irgendwann so geändert ist, wie uns das vorschwebt, wird das ohnehin so kommen müssen.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Lassen Sie mich noch kurz auf zwei Themen eingehen, die von bestimmten Seiten immer wieder kommen, nämlich gerechter Lohn für Pflege. Wie die Sozialministerin Mechthild Ross-Luttmann bin auch ich der Auffassung: Gute Pflege muss auch gut bezahlt werden.

(Beifall bei der CDU)

Die Große Koalition in Berlin hat auch entsprechend Vorgaben getroffen. Jetzt noch einmal zum Mitschreiben, gerade auch für diejenigen, die schon wieder den Kopf schütteln: Das Land sitzt nicht am Verhandlungstisch, wenn es um die Höhe der Pflegesätze geht. Dies handeln die Kassen, die Betreiber und die Kommunen miteinander aus. Trotzdem ist es zu begrüßen, dass unsere Ministerin diese Gespräche moderiert, sich einbringt und auch dafür Sorge trägt, dass dieses Thema positiv begleitet werden kann.

(Beifall bei der CDU)

Ein weiterer Punkt, der lebhaft diskutiert wird, ist die Frage, wie wir es mit Schülerinnen und Schülern halten, die einen Hauptschulabschluss haben. Nur weil jemand einen Hauptschulabschluss hat, heißt das noch lange nicht, sie oder er könne diesen Beruf nicht ausüben. Es kommt doch vorrangig darauf an, welche Eignung und Neigung, welche Ausbildungsbereitschaft und Fähigkeit jemand mitbringt. Dabei kann der Schulabschluss nur ein Kriterium sein.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, wir werden uns auch dem Blick auf die akademische Vielfalt widmen. Wir sollten ganz klar sehen, dass wir auf einem guten Weg sind, um hier die richtigen

Entscheidungen zu treffen und den Zug aufs richtige Gleis zu setzen. Ich freue mich daher auf die Diskussionen im Ausschuss, und ich glaube, dass wir gemeinsam mit unserer Ministerin zu vernünftigen Lösungen kommen werden.

(Uwe Schwarz [SPD]: Das versuchen wir schon seit Jahren!)

Abschließend möchte ich anhand bereits vorliegender Antworten auf unseren Entschließungsantrag darlegen, dass unsere Vorschläge positiv aufgenommen worden sind.

Ich zitiere zunächst aus einem Schreiben der AOK - Gesundheitsmanagement ambulant, Unternehmensbereich Pflege: „Deswegen unterstützen wir Sie im Rahmen unserer Möglichkeiten gern bei den Aktivitäten zur Stärkung der Attraktivität der Pflegeberufe.“