Protokoll der Sitzung vom 28.08.2009

Das heißt „Wahlkampf“, damit vorher geklärt wird, was anschließend gemacht wird, meine Damen und Herren. Die Bevölkerung hat ein Anrecht darauf, vorher zu erfahren, was hinterher vorgesehen ist.

(Beifall bei der SPD - Karl-Heinz Klare [CDU]: Das hat Steinmeier auch schon gesagt!)

Dass es Alternativen gibt und dass insbesondere die Auswirkungen für Niedersachsen gravierend sein werden, das ist doch, meine Damen und Herren, spätestens gestern in diesem Hause deutlich geworden.

(Zuruf von der CDU)

- Gestern, vorgestern auch. Das stimmt. Man kann sagen: Die ganze Woche, Herr Wulff.

(Lebhafter Beifall bei der SPD)

Mit „gestern“ meinte ich die energie- und atompolitische Debatte. Hier geht es knallhart um Alternativen in Niedersachsen. Herr Wulff, wer für eine Verlängerung der Restlaufzeiten eintritt,

(Karl-Heinz Klare [CDU]: So, wie Sie das damals vernünftig gemacht ha- ben!)

der begeht einen Riesenfehler in Bezug auf die Fragen der Sicherheit - das ist eine Argumentationskette -,

(Björn Thümler [CDU]: Schon mal falsch!)

aber der macht auch einen gravierenden Fehler in wirtschaftspolitischen Fragen. Die Verlängerung der Restlaufzeiten verhindert den Paradigmenwechsel in der Energiepolitik. Darum geht es hier.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Wer die Restlaufzeiten verlängert, nimmt den Druck auf Investitionen in regenerative Energien. Und wer profitiert von der Zunahme von regenerativen Energien? - Das Land Niedersachsen, meine Damen und Herren! Ihre Forderung nach Verlängerung der Restlaufzeiten ist ein Angriff auf Arbeitsplätze in Niedersachsen. Das müssen Sie einmal zur Kenntnis nehmen.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Herr Wulff hat hier ja gestern gegen unseren Willen gefehlt und hat insofern die energiepolitische Debatte gestern nicht mitbekommen. Herr Wulff, das war schon ganz spannend, weil wir noch einmal deutlich gemacht haben, dass wir für eine ergebnisoffene Endlagerstandortsuche sind wie schon seit Anfang der 90er-Jahre, weil es um eine gerechte Verteilung der Lasten und der Folgen aus dieser Energiegewinnung geht. Ich habe immer gedacht, eigentlich müssten alle Niedersachsen an einer gerechten Lastenverteilung in ganz Deutschland interessiert sein, nicht nur in Niedersachsen.

(Lebhafter Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Ich stelle fest: Es gibt bei der Frage Endlager eine Koalition der Herren Seehofer, Söder und Sander. Die wollen eine Endlagerung des gesamten atomaren Mülls in Niedersachsen.

(David McAllister [CDU]: Das ist doch völliger Quatsch!)

Wir wollen das nicht!

(Lebhafter Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Ich muss ganz ehrlich sagen: Als mein Pressesprecher mir gestern Mittag von dem Interview von Herrn Sander bei Hit-Radio Antenne erzählte, in dem er gesagt hat, dass im zweiten Anlauf jetzt Bad Zwischenahn in die engere Wahl genommen werden soll, habe ich erst gedacht: April, April! Ich habe gedacht, er hätte einen Scherz gemacht. Meine Damen und Herren, was ist das für ein Minister, der hier geschworen hat, die Interessen des Landes Niedersachsen zu vertreten, zum Wohle

des Landes zu agieren, wenn er solche Positionen in die Öffentlichkeit dröhnt? Die Bayern feixen sich einen, wenn sie hören, was der hier veranstaltet!

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Herr Herr McAllister, es ist schon ein hartes Stück Brot, wenn man solch einen Koalitionspartner hat. Das tut richtig weh. Wahrscheinlich haben sich Herr Kues - und der andere Kollege - wie heißt der noch? - schon bei Ihnen gemeldet und für den Beitrag im Wahlkampf bedankt, den Ihr Koalitionspartner da gestern geleistet hat.

(David McAllister [CDU]: Er hat dann alles richtiggestellt!)

- Ach, er hat schon alles richtiggestellt? Dann ist ja alles aus der Welt! Dann wissen die Leute ja, was sie zu erwarten haben. Was Schwarz-Gelb in Niedersachsen fertigbringt, erleben wir in dieser Woche gerade!

(Lebhafter Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Aber es geht nicht nur um Energie und Atomkraft.

(Zuruf von der CDU: Der andere Kol- lege heißt übrigens Kossendey!)

- Kossendey heißt er. Vielen Dank! - Es geht am 27. September um die Frage, wie es mit Wohlstand, Wachstum und Vollbeschäftigung in Deutschland und in Niedersachsen weitergeht. Für uns gilt: Am Ziel der Vollbeschäftigung halten wir uneingeschränkt fest. Alles andere wäre fatal.

(Beifall bei der SPD - Dr. Karl-Ludwig von Danwitz [CDU]: Da seid ihr die Richtigen!)

Wir müssen auch Konsequenzen aus der Wirtschafts- und Finanzkrise der letzten Monate ziehen. Ein „Weiter so!“ geht nicht, aber aus den Reihen der Regierungsfraktionen hören wir genau das: Hoffentlich ist die Krise möglichst schnell vorbei, damit wir wieder an alte Zeiten anknüpfen können. - Meine Damen und Herren, die Verursacher dieser Krise, diejenigen, die sich dem Marktradikalismus verschrieben haben, können doch nicht diejenigen sein, die Deutschland und Niedersachsen aus dieser Krise herausführen! Die haben sich hinreichend blamiert! Das müssen wir in dieser Gesellschaft öffentlich diskutieren.

(Lebhafter Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Ich habe es sehr begrüßt, dass der Herr Bundeswirtschaftsminister vor Monaten sein Haus gebeten hat, ein industriepolitisches Konzept zu erstellen. Die Beamten haben sich ja auch viel Mühe gegeben; das ist erkennbar. Sie haben alles aufgeschrieben, was der Wirtschaftsminister zu Guttenberg und andere führende Persönlichkeiten von CDU und CSU in den letzten Monaten öffentlich erklärt haben. Aber was ist das denn für ein Umgang mit den qualifizierten Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern im Wirtschaftsministerium, wenn der Minister am Tag der Veröffentlichung dieses Papiers das alles für obsolet erklärt? Es kann doch nicht sein, dass Herr zu Guttenberg sich von seinem eigenen Wahlprogramm distanziert! Das finde ich nicht in Ordnung. Ein bisschen mehr Respekt wäre wirklich sinnvoll.

(Zustimmung bei der SPD)

Es ist aber klar; denn in dem Papier steht all das, was Sie wollen und schon 2005 gewollt haben: Angriffe auf Arbeitnehmer, Auflösung des Kündigungsschutzes, Rücknahme der Teilhabe von Mitbestimmung. Meine Damen und Herren, Sie haben Angst, dass die Bevölkerung darauf reagiert und Ihnen die Rote Karte zeigt. Deshalb hat der Wirtschaftsminister dieses Papier zurückgezogen.

(Lebhafter Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Die hektischen Reaktionen auf das, was Herr Steinmeier vorgelegt hat, waren schon interessant. Gelesen haben Sie es erkennbar nicht. Er hat übrigens nicht einmal gefordert, 4 Millionen Arbeitsplätze zu schaffen, sondern er hat gesagt, nachdem ein Papier mit vielen Fachleuten akribisch ausgearbeitet worden ist: Wenn alle an der Entwicklung Deutschlands Beteiligten - Politik, Wissenschaft, Wirtschaft - ihre Hausaufgaben ordentlich machen, dann haben wir eine Chance, in den nächsten Jahren bis 2020 4 Millionen zusätzliche Arbeitsplätze zu generieren.

(Dr. Karl-Ludwig von Danwitz [CDU]: Heuchelei!)

Wer das diffamiert, hat wirklich jeglichen Anspruch auf politische Gestaltung verloren. Das will ich Ihnen deutlich sagen.

(Lebhafter Beifall bei der SPD, bei den GRÜNEN und bei der LINKEN)

Vor dem Hintergrund, dass in Deutschland zwischen 2005 und 2008

(Dr. Manfred Sohn [LINKE]: Ihr hattet elf Jahre Zeit!)

1,3 Millionen sozialversicherungspflichtige Arbeitsplätze geschaffen worden sind und alle Prognostiker sagen, natürlich sei das möglich - nicht automatisch, aber es geht -, ist das eine vernünftige Perspektive, die es umzusetzen gilt, übrigens auch in Niedersachsen. In den Branchen und bei den Themen, die schwerpunktmäßig dort aufgeführt werden - Mobilitätswirtschaft, der gesamte Bereich der Energie- und Umweltwirtschaft, insbesondere Dienstleistungen, die Gesundheitswirtschaft und der Bereich Bildung -, müssen wir Akzente setzen. Das sind doch die Themen, die uns miteinander umtreiben müssen. Die Bevölkerung kann dies zu Recht von uns erwarten.

(Beifall bei der SPD)

Natürlich ist es richtig, dass vor allem die Unternehmen und der Markt gefragt sind, Beschäftigung zu schaffen. Das wissen auch wir. Wir haben hohen Respekt vor dem Markt. Das werden auch Sie vielleicht irgendwann einsehen. Aber wir wissen doch gleichzeitig, dass insbesondere im Bereich der Energiewirtschaft und der Umweltdienstleistungen der öffentliche Haushalt den zentralen Anstoß für Aufträge gibt. Deshalb müssen wir das Verhältnis von Markt und Staat austarieren. Dabei hilft Entstaatlichung immer weniger, Herr Rösler. Das müssen Sie einfach einmal zur Kenntnis nehmen.

Ich erläutere Ihnen an einem Beispiel, wie Politik gut steuern kann. Daran sollten wir uns orientieren.

Das Unternehmen ENERCON in Niedersachsen, 1984 gegründet, hatte im Jahre 1990, als wir politische Verantwortung übernommen haben, 72 Beschäftigte. Es hat heute, im Jahre 2009, 13 000 Beschäftigte. Es gibt keine Branche, in der ein derartiger Aufbau von Beschäftigung in den letzten Jahren stattgefunden hat, meine Damen und Herren!

(Lebhafter Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Warum hat das stattgefunden? - Das hat natürlich auch deshalb stattgefunden, weil Herr Wobben ein umtriebiger Mensch ist, aber auch deshalb, weil es mit dem Erneuerbare-Energien-Gesetz eine Rechtsgrundlage gibt, mit der die Marktfähigkeit und die Nachhaltigkeit durch öffentlich-rechtliche

Begleitung durchgesetzt wird. Das ist der Maßstab, an dem wir uns orientieren müssen.