Protokoll der Sitzung vom 23.09.2009

(David McAllister [CDU]: Mensch, Herr Aller, was haben Sie denn für Freunde?)

Das schwarze Duo Wulff und Möllring hat Niedersachsen tief in die roten Zahlen geführt. Es wird eine rot-geführte Regierung sein, die dieses Land wieder in die schwarzen Zahlen bringt.

(Beifall bei der LINKEN - Lachen bei der CDU und bei der FDP)

Herr McAllister, wir erinnern uns noch gut an eine fulminantere Haushaltsrede vor einem Jahr. Damals hieß es: Wir werden 2010 einen Haushalt ohne zusätzliche Schulden vorlegen. - 16. Sep

tember 2008, Protokollseite 1535. Das sagte Dr. Althusmann. Nun sitzt der arme Kerl auf der Reservebank. Jetzt ist er sogar hinausgegangen, weil er Herrn McAllister natürlich nicht damit konfrontieren will, dass er seine schwächste Rede gehalten hat, seit ich hier im Parlament sitze.

(Beifall bei der LINKEN)

Das neue Zieldatum ist statt 2010 nun das Jahr 2017. Wer außer Ihnen soll das noch glauben? - Dahinter steht die dünne Hoffnung auf einen Aufschwung, der sich nicht abzeichnet. Auch die rechte Seite des Hauses wird das nach dem nächsten Sonntag zugeben. Auch das wissen Sie selbst.

Die Kernfrage lautet: Ist diese Neuverschuldung eigentlich unabwendbar? Die Antwort ist: Nein, weil wir hinter uns 15 Jahre lang einen zwar nicht gewaltigen aber dennoch immerhin feststellbaren Aufschwung plus Umverteilung von unten nach oben haben.

Das Ergebnis ist ein Aufblähen der privaten Gewinne und Vermögen von ungefähr 500 Milliarden Euro im Jahr 2000 auf ungefähr 700 Milliarden Euro im Jahr 2008, d. h. ein Plus von 200 Milliarden Euro nur bei privaten Vermögen und Gewinnen. Die Betreffenden waren auch im Jahre 2000 nicht arm. Das sind die Gierigen, denen Sie durch Ihre Steuerumverteilungspläne, bei denen Sie von der SPD leider mitgemacht haben, das Geld nur so zugeschustert haben.

Dieses Ungleichgewicht

(David McAllister [CDU] meldet sich zu Wort)

- Zwischenfragen machen wir jetzt nicht! -

(Heiterkeit bei der LINKEN und bei der SPD)

ist der Kerngrund der Krise und gleichzeitig die Möglichkeit der Lösung dieser Haushaltskrise. Diese Haushaltskrise lässt sich nur dadurch lösen, dass Sie an dieses Geld - nicht unbedingt an die 500 Milliarden Euro, aber wenigstens an die 200 Milliarden Euro plus - durch das Erheben von Vermögensteuer und Großerbensteuer herangehen.

Ich habe mit großem Interesse gelesen, dass jetzt sogar das wunderbare Traumpaar M & M - Merkel und Müntefering - das Wort „Börsenumsatzsteuer“ in den Mund genommen hat und plötzlich auch dafür ist. Sie werden das wahrscheinlich nach dem kommenden Sonntag gemeinsam wieder beerdigen.

(Kreszentia Flauger [LINKE]: Sie soll- ten noch mehr dieser Ideen von uns aufgreifen!)

Wir hoffen nach wie vor - das werden wir auch beantragen - auf eine Bundesratsinitiative, um dieses tatsächlich gewachsene Vermögen, das, wie heute Morgen bereits gesagt, für die Krise mitverantwortlich ist, auch zur Finanzierung der öffentlichen Haushalte heranzuziehen.

(Zustimmung bei der LINKEN)

Sie werden das natürlich nicht tun; denn - das ist relativ einfach - das sind Ihre Kumpel, und die werden geschont, koste es das Volk, was es wolle. Das ist die Grundlinie dieses Haushaltsentwurfs.

(Beifall bei der LINKEN)

Was machen Sie stattdessen? - Vor allem machen Sie die Kommunen kaputt. Ich zitiere aus der mittelfristigen Finanzplanung, in der Sie selber aufgeschrieben haben:

„Die Zuweisungen im kommunalen Finanzausgleich werden sich 2010 gegenüber dem Ansatz für das Jahr 2009 um rund 290 Millionen Euro verringern. Hinzu kommt eine prognostizierte negative Steuerverbundabrechnung von ca. 206 Millionen Euro, sodass die Kommunen nur für das Jahr 2010 eine Verringerung der Zuweisungsmasse des kommunalen Finanzausgleichs in Höhe von 540 Millionen Euro“

- in einem Jahr eine halbe Milliarde -

„zu verkraften haben werden.“

So weit das Zitat aus Ihrer mittelfristigen Finanzplanung. Das gilt für die kommenden Jahre noch verschärft. Dagegen steht dieser tatsächlich etwas blasse Versuch von Herrn McAllister, das Konjunkturpaket II dem gegenüberzustellen. Das ist gegenüber den genannten Zahlen, die Sie selbst in Ihre Mipla geschrieben haben, ein Tropfen auf den heißen Stein. Sie wissen das auch.

(Beifall bei der LINKEN)

Zu diesem nach Ihren Plänen absehbaren Drama der kommunalen Finanzen kommen noch die Einbrüche in der Gewerbesteuer - dazu erfahren wir hoffentlich morgen Näheres bei der Besprechung der Dringlichen Anfrage - und das Hochschießen der sozialen Pflichtausgaben durch das Ansteigen der von Ihnen verursachten Arbeitslosigkeit hinzu.

Sie könnten das ändern durch einen Neuzuschnitt des kommunalen Finanzausgleichs, finanziert durch Steuererhöhungen für die Reichen im Lande. Aber in dieser Frage sind Sie, wie wir erfahren haben, komplett beratungsresistent. Sie werden stattdessen so eine Art Solidarität erklären, damit nicht nur die Kommunen, sondern alle leiden, und vermutlich spätestens Anfang des kommenden Jahres sagen: Damit nicht nur die Kommunen bluten, sollen auch alle anderen bluten.

(Kreszentia Flauger [LINKE]: Ein Blut- bad!)

Dann wird es losgehen mit Kürzungen in den Bereichen Kultur, Bildung, öffentlicher Personennahverkehr und Gehälter, vielleicht sogar Pensionen im öffentlichen Dienst. Sozusagen als kleine Fingerübung für die von Ihnen geplanten Sozialmassaker lassen Sie Herrn Ehlen schon einmal erklären, wir seien so arm, dass wir die 1,5 Millionen für Schulobst als Gegenfinanzierung für das EUProgramm leider nicht haben. Das ist ein unglaublicher Skandal.

(Beifall bei der LINKEN)

Wir alle reden über eine gesunde Ernährung an den Schulen, die EU gibt 1,5 Millionen, wenn wir auch anderthalb Millionen geben, und Sie machen daraus eine Kampagne und appellieren an die Eltern: Gebt euren Kindern mehr Obst mit in die Schule. - Das ist der Kern Ihrer jämmerlichen Politik in solchen Fragen, die sich auch in Ihrem Haushaltsplanentwurf abzeichnet.

(David McAllister [CDU] meldet sich zu einer Zwischenfrage)

Herr Dr. Sohn, gestatten Sie jetzt eine Zwischenfrage?

Nein, ich lasse keine Zwischenfragen zu. - Bei dieser ganzen Politik bleibt viel auf der Strecke. Vor allem bleibt der gesetzliche Gestaltungsauftrag dieser Landesregierung auf der Strecke. Es stellt sich die Frage: Was sind denn - außer schönen Worten und hektischer Krisenabwehr - eigentlich die Ziele, die Projekte, die Visionen dieser Landesregierung? Wie soll Niedersachsen 2015 oder 2020 aussehen, außer ärmer als jetzt und restlos pleite?

Herr Jüttner, das ist fast der einzige Punkt, in dem ich Ihnen widerspreche. Ich glaube, das Vorbild

dieses jetzt schon wieder einmal abwesenden Ministerpräsidenten ist nicht Ronald Reagan. Ich vermute, das heimliche Vorbild dieses Ministerpräsidenten ist in Wirklichkeit der zurückgetretene thüringische Ministerpräsident Dieter Althaus, der auf seiner großartigen Come-back-Pressekonferenz gesagt hat - ich glaube, das schwebt jetzt als Leitbild über dieser Landesregierung -: Ich regiere nicht, sondern führe mein Amt weiter.

Schönen Dank.

(Beifall bei der LINKEN)

Danke schön. - Zu einer Kurzintervention auf Herrn Dr. Sohn erhält für genau anderthalb Minuten Herrn McAllister von der CDU-Fraktion das Wort. Bitte schön!

Herr Abgeordneter Sohn, da Sie eine Zwischenfrage nicht zugelassen haben, wähle ich das Instrument der Kurzintervention.

Sie haben in Ihrer Rede kritisiert, die Neuverschuldung in Niedersachsen sei der Höhe und dem Grunde nach vermeidbar. Weil wir Sie nicht nur an Ihren Reden, sondern an Ihren Taten messen wollen, muss ich Sie fragen: Wie erklären Sie sich, dass der Berliner Senat, der in seiner mittelfristigen Finanzplanung für 2010 ein Absenken der Neuverschuldung um 65 Millionen Euro vorgesehen hatte, jetzt eine Neuverschuldung von 2,82 Milliarden Euro beschlossen hat?

Sie kritisieren unsere Politik beim Thema Schulobst. Der Senat in Berlin, in dem Sozialdemokraten und Sozialisten gemeinsam Verantwortung wahrnehmen, hat beschlossen, überhaupt nicht am Schulobstprogramm der Europäischen Union teilzunehmen, weil man zur Gegenfinanzierung gar nicht in der Lage ist.

Ich sage deshalb ganz deutlich: Wir sollten die Linke an ihren Taten messen und nicht an dem Gerede der Linken, das wir hier in jeder Debatte hören müssen.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Danke schön. - Herr Dr. Sohn möchte antworten. Auch Sie haben anderthalb Minuten.

Ich bedanke mich sehr, Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, für diese Kurzintervention. Die Politik der beiden Koalitionsparteien in Berlin zielt natürlich auch darauf, diese Frage der stärkeren Belastung der Reichen zu thematisieren, und zwar auch in Richtung Bundesrat.

(Lachen bei der SPD - Zuruf von der CDU: Das ist ja wohl ein Witz!)

Wenn Ihre eben vorgetragene Argumentation ehrlich ist, was sie vermutlich nicht ist, dann laden wir Sie herzlich ein - das sage ich als Bitte oder als Forderung an die Landesregierung -, mit uns gemeinsam entsprechende Bundesratsinitiativen auf den Weg zu bringen, um diese finanzielle Schieflage zugunsten der Länder zu verändern, und da ist die Vermögensteuer eben das zentrale Stichwort.

Zu Ihrer zweiten Aufforderung, man solle uns an unseren Taten messen: Die werden wir im Jahr 2013 dank der dann fälligen Wahlentscheidung hier in Niedersachsen vermutlich nachweisen können.

Schönen Dank.