Protokoll der Sitzung vom 23.09.2009

Meine sehr geehrten Damen und Herren, eines muss klar sein: Über drei Jahre lang, Herr Tanke, hat sich dieser Bundesumweltminister standhaft geweigert, die Asse unter seine Fittiche zu nehmen, und im Nachhinein noch bemerkenswerte Ausflüchte dafür gefunden. In einem taz-Interview vom 1. August 2009 heißt es:

„Als ich 2005 mein Amt antrat, habe ich gesagt: Um die Asse kümmern wir

uns. Aber die Leute im Ministerium haben damals gesagt: Das lassen Sie mal schön sein, das bringt nur Ärger.“

Daran hat er sich anscheinend gehalten.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, Gabriels Antwort auf eine Bürgeranfrage in der Braunschweiger Zeitung schlägt dem Fass in der Tat den Boden aus:

(Heinz Rolfes [CDU]: Was hat er denn dort wieder gesagt?)

„Brigitte Ranz aus Wolfenbüttel will von Gabriel wissen, warum er als Ministerpräsident nicht mehr für die Asse getan habe. ‚Das Land war nie Eigentümer der Asse’, erklärt er...“

So einfach kann man sich das machen! So einen schlanken Fuß macht sich dieser füllige Umweltminister! Meine sehr geehrten Damen und Herren, das lassen wir ihm nicht durchgehen.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP - Zuruf von Detlef Tanke [SPD])

Auch wenn er noch im Sommer letzten Jahres, Herr Tanke, den Vorwurf empört zurückgewiesen hat, die Asse zum Wahlkampfthema machen zu wollen, hat sein Staatssekretär im Frühjahr 2009 die Katze aus dem Sack gelassen. Er hat wörtlich formuliert: Wir brauchen für die Wahl noch Zuspitzungen. Wir brauchen noch Aufregerthemen. - So wie die Asse und Gorleben, meine Damen und Herren. Wir haben es erlebt.

Ende April gab es dann den PUA, auch auf Druck des Umweltministers. Herr Jüttner wollte ja erst nicht. Seitdem, meine sehr geehrten Damen und Herren, folgt die Skandalisierung einem Drehbuch, das Herr Gabriel und sein Staatssekretär höchstpersönlich entworfen haben.

In der letzten Woche, meine sehr geehrten Damen und Herren, als Herr Gabriel dem Bundeswirtschaftsministerium und Frau Schavan vorgeworfen hat, sie würden Studien fördern, die den Ausbau der Kernenergie zur Folge hätten, hat er wohl im Eifer des Gefechts vollends den Überblick verloren. Wer sich die Sachen anschaut, Herr Tanke, wer das einmal gelesen hat, der findet in der Studie überhaupt nichts vom Ausbau der Kernenergie.

(Zuruf von Stefan Wenzel [GRÜNE])

Es geht darum, Herr Wenzel, dass die Wissenschaftler die Chance haben, dem zu folgen, was weltweit in der Kernenergie passiert. Wenn wir

erleben, dass rund um uns herum Kernkraftwerke gebaut werden, dann wünsche ich mir in Deutschland Wissenschaftler, die beurteilen können, ob die sicher sind oder nicht. Auch hier zeigt sich ganz deutlich, Herr Tanke: Wer lesen kann, ist klar im Vorteil.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, was mich fürchterlich enttäuscht, ist, dass der Bundesminister nach meiner Kenntnis einen Amtseid geleistet hat, wonach er Schaden vom deutschen Volk abwenden will. Er hat das bei der Asse und bei Gorleben nicht getan. Er hat den Schaden noch vermehrt. Herr Gabriel selbst ist das größte Sicherheitsrisiko, wenn es um Fragen der Reaktorsicherheit und der Endlagerung geht.

Ich kann Ihnen, meine sehr geehrten Damen und Herren, nur dringend empfehlen: Hören Sie auf die Fakten! Kehren Sie endlich wieder zu einer seriösen Betrachtung der Dinge zurück! Spätestens am Sonntagabend - da bin ich mir sicher - werden wir das wieder tun.

Ich kann Ihnen am Ende, Herr Wenzel und Herr Tanke, zwei Zitate nicht ersparen. Herr Tanke, Sie haben vorhin Greenpeace angeführt. Patrick Moore, der Gründungsdirektor von Greenpeace, hat gesagt:

„Kernenergie ist das einzig zweckmäßige Mittel zur Senkung der Treibhausgasemissionen bei gleichzeitiger Deckung der weltweit wachsenden Energienachfrage.“

So viel zum Thema Greenpeace!

Chris Goodall, ein Mitglied der britischen Grünen, hat gesagt:

„Die europäische Bewegung der Grünen muss ihre Abwehrhaltung gegenüber der Kernkraft überdenken. Als Grüne dürfen wir die Kernenergie nicht länger dogmatisch und unter allen Umständen ablehnen.“

Herr Kollege, Sie müssen jetzt zum Schluss kommen!

Das, meine sehr geehrten Damen und Herren, ist die Wahrheit. Ich denke, die Wahrheit wird sich

nächste Woche wieder Bahn brechen. Bis dahin werden wir das hier ertragen.

Danke schön.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Meine Damen und Herren, als nächsten Redner rufe ich Herrn Wenzel von der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen auf.

(Stefan Wenzel [GRÜNE]: Ich dachte, der Minister wollte zuerst sprechen!)

- Der Minister möchte gerne zum Schluss sprechen, Herr Wenzel.

(Ursula Helmhold [GRÜNE]: Das ist aber nicht schön in einer parlamenta- rischen Debatte!)

Ich dachte, er traut sich gar nicht. Aber dann kann er halt hinterher reden. Das machen wir gerne.

(Der Redner versucht, das Redepult zu verstellen)

Herr Bäumer hat in seiner Erregung das Landtagsredepult zerlegt. Aber es geht trotzdem.

(Heiterkeit - Karl-Heinz Klare [CDU]: Das ist schon seit heute Morgen so!)

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Langspecht, Herr Dürr, Herr Bäumer, Sie haben sich hier über diesen Tagesordnungspunkt sehr erregt. Man muss aber zum einen feststellen, dass es bedauerlich ist, dass Sie hier einfach Ihre vorbereiteten Reden gehalten haben und auf die Vorredner im Wesentlichen nicht eingegangen sind.

Zum anderen haben Sie hier erneut versucht, Ihre Wahrheiten zu verkaufen. Sie behaupten nach wie vor, dass Atomkraft CO2-frei ist. Meine Damen und Herren, das ist nicht nur wissenschaftlich falsch, sondern das ist auch eine politische Lüge, wenn man das behauptet; denn wir wissen heute ganz genau, dass es anders ist.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Wir wissen, dass z. B. eine Energieversorgung mit Wind- und Blockheizkraftwerken, so wie man das in Dänemark ganz energisch angegangen ist, am Ende nur halb so viel CO2 produziert wie ein Atomkraftwerk, weil man immer die gesamte Kette

dieser Technologie angucken muss und nicht nur ein kleines Fitzelchen herausnehmen darf.

Meine Damen und Herren, wenn Sie, Herr Bäumer, glauben, das, was wir hier in den letzten Wochen und Monaten erlebt haben, sei nur eine Inszenierung, dann rate ich Ihnen: Gehen Sie nach Wolfenbüttel! Gehen Sie nach Remlingen! Sprechen Sie mit den Menschen dort vor Ort, die über Jahre hinweg in dieser Frage belogen und betrogen wurden, dass sich die Balken biegen! Und, meine Damen und Herren, Herr Bäumer, Herr Langspecht und Herr Dürr, gehen Sie ins Wendland und sprechen Sie mit den Menschen, denen man damals erzählt hat, in dem PTB-Gutachten von 1983 sei die Wahrheit abgebildet!

Herr Röthemeyer hat jetzt schon wieder einen Rückzieher gemacht. Er hat sich noch vor wenigen Monaten ganz anders eingelassen und hat gesagt: Als diese Herren aus dem Kanzleramt und den Bundesministerien - Herr Hanning, der heute Staatssekretär ist, Herr Ziegler aus dem Bundesforschungsministerium und zwei Herren aus dem Bundesinnenministerium - an dem Gespräch in Hannover bei der BGR teilgenommen haben, war allen im Raum klar, dass es sich um eine Weisung handelte. Entsprechend wurde das umgesetzt.

Meine Damen und Herren, dabei ging es nicht um Randnotizen. Da ging es nicht um didaktische Anmerkungen, als es um den Standort Gorleben ging. Dort hat man in der Substanz verändert. Das ist ganz eindeutig nachgewiesen. Dort hat man z. B. Hinweise auf Verbindungen zum Grundwasser beseitigt. Dort hat man am Ende gesagt: Die Eignungshöffigkeit ist voll bestätigt. - In der Ursprungsfassung hieß es: Die Bewertung ist zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht möglich. - Hier hat man nach Strich und Faden manipuliert, meine Damen und Herren, und das lassen wir Ihnen nicht durchgehen!

(Beifall bei den GRÜNEN, bei der SPD und bei der LINKEN)

Die Atomkraft und das, was Sie hier von sich geben, ist die Geschichte einer Lüge,

(Björn Thümler [CDU]: Schon wieder dieses Wort! Das geht nicht!)

bei der CDU und FDP immer wieder behaupten: Atomkraft ist sicher. - Ich sage Ihnen: Spätestens nach Tschernobyl, spätestens nach der Asse ist diese Lüge erkannt. Sie werden in diesem Land niemanden mehr damit überzeugen.

Meine Damen und Herren, ich möchte an dieser Stelle noch einmal den Ministerpräsidenten fragen, ob er bereit ist, auf die Fragen zu antworten, die ich ihm heute Morgen gestellt habe.

Ich danke Ihnen.

(Beifall bei den GRÜNEN)