Der Änderungsantrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat die Annahme des Antrags in geänderter Fassung zum Ziel.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Einbringung des Entschließungsantrages „Entlastung der Milchviehhalter in der aktuellen Notlage“
liegt bereits fast fünf Monate zurück. Einige der von uns geforderten Maßnahmen sind ganz oder zum Teil auf den Weg gebracht worden. Dennoch liegt nach wie vor eine große Aktualität in der Sache.
Die Stimmung auf den Höfen und in den Familien der Milchviehbetriebe ist angespannt, depressiv und in einzelnen Fällen resignativ. Politik kann und darf eine solche Entwicklung nicht ignorieren. Politik muss aber auch tunlichst vermeiden, in der kurzfristigen Betrachtungsweise Signale zu setzen, die mittel- und langfristig Schaden für die unmittelbar Beteiligten und die komplette Wertschöpfungskette bedeuten würden.
Konkret heißt das: In Niedersachsen erwirtschaften 14 000 Betriebe ca. 5,15 Millionen t Milch, was einem niedersächsischen Selbstversorgungsgrad von 170 % entspricht. Hoch spezialisierte Betriebe auf allen Produktionsstufen haben sich diese Marktstellung über Jahrzehnte erarbeitet. Diese gilt es auf dem nationalen, dem europäischen und auch auf dem Weltmarkt zu verteidigen.
Ich bin nach allen Gesprächen, die ich während der letzten Monate geführt habe, zutiefst davon überzeugt, dass die überwältigende Mehrheit der Milchbauern diese Feststellung unterstützt. Von daher steht völlig außer Frage, dass jeder Ansatz in Bezug auf Mengensteuerung im europäischen Binnenmarkt ein gemeinsam auf EU-Ebene getragener Ansatz sein muss. Dieser ist derzeit nicht in Sicht.
Im Gegenteil: Die Beschlüsse in Bezug auf Quotenerhöhungen aus dem Health Check sind ausdrücklich bestätigt worden. Deshalb beansprucht unser Antrag lediglich, Hilfen zu geben und Weichenstellung vorzunehmen, die zum einen Liquiditätshilfen in der gegenwärtigen historischen Tiefpreisphase vorsehen
und zum anderen mittelfristig die Wettbewerbsfähigkeit und den Absatz der hier erzeugten Milch erhöhen.
Im Einzelnen: Das Vorziehen einer Auszahlung der EU-Prämien ist beschlossen. Umschuldungskreditprogramme laufen bereits. Steuerentlastungen - so schizophren es klingt -, insbesondere die Anpassung der Vorauszahlungen, müssen berück
sichtigt werden, weil insbesondere die Milchviehbetriebe im Wirtschaftsjahr 2007/2008 Rekordgewinne erwirtschaftet haben und die Nachzahlungen und Anpassungen der Vorauszahlungen die Liquidität belastet. Bei der Agrardieselbesteuerung ist ein erster Schritt eingeleitet worden. Wir werden nicht nachlassen, weitere Schritte im Hinblick auf eine Angleichung in der EU einzufordern. Ich fordere die SPD-Fraktion hier im Niedersächsischen Landtag dazu auf, ihre ablehnende Haltung endlich aufzugeben!
Vor sieben Monaten habe ich von dieser Stelle aus unseren diesbezüglichen Antrag begründet. Aussage des Kollegen Meyer, SPD, damals: Showantrag. Die Exporte boomen. Den Bauern geht es gut.
Zum zweiten Punkt unseres Antrages: Wir brauchen eine Bündelung auf der Anbieterseite. Das Kartellrecht muss Preisdumping wirkungsvoll unterbinden.
Verbesserung der Verarbeitungs- und Vermarktungsstrukturen sowie Ausbau von Forschung und Entwicklung. - Hier muss weiter angesetzt werden. Mit dem Ausbau des DIL liegen wir hier absolut richtig.
Nun zum Änderungsantrag der Grünen, der gerade einmal acht Wochen alt ist: Zu dieser Zeit, Herr Kollege Meyer, sind Sie in dieser Sache viel im Land unterwegs gewesen,
und zwar im Tandem mit Ihrem ehemaligen Kollegen, dem Mitglied des Europäischen Parlaments Herrn Graefe zu Baringdorf. Dieses Tandem hat sich - zugegebenermaßen sehr geschickt - allerdings nicht als solches zu erkennen gegeben. Dies werfe ich den Grünen in diesem Zusammenhang vor. Ihre Forderung, die einer 1:1-Umsetzung von BDM-Positionen entspricht, erweckt ohne Zweifel den Eindruck, den betroffenen Milchbauern helfen zu wollen. Was Sie in diesem Zusammenhang aber tunlichst vermeiden, ist, offen zu sagen - wir finden in Ihrem Antrag kein Wort dazu -, dass Sie eine andere Form der Landwirtschaft wollen.
Ich zitiere Herrn Graefe zu Baringdorf anlässlich der Bundesdelegiertenkonferenz von Bündnis 90/Die Grünen im Januar dieses Jahres in Dortmund:
„Wir haben Grünen-Agrarpolitik längst mehrheitsfähig gemacht. - Jetzt müssen wir sie auch durchsetzen. Die aktuelle Krise ist hierbei nicht unbedingt im Wege.“
„Agrarpolitik braucht demokratische Kontrolle. Wir stellen diese demokratische Kontrolle auf zwei Beine: die engagierte und kreative Arbeit in den NGOs“
„Es steht uns Grünen gut an, mit den Verbraucherinnen und Verbrauchern auch die traditionell konservativen Bauernkreise für unsere Ziele zu gewinnen. Die Bauernproteste der vergangenen Monate und der Milchstreik gingen voll in unsere Richtung und gegen den Bauernverband.“
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es besteht eine Milchüberlieferung. Die Milchquote hat versagt. Jetzt will die EU-Kommission mit dem
Anheben der Milchquote die Bauern auf den freien Wettbewerb vorbereiten. Sie treibt damit die Bauern in einen ruinösen Wettbewerb.
War der Kostenwettbewerb auf den internationalen Märkten schon kaum zu gewinnen, so kann man jetzt in der Krise sagen: Es ist aus. Es kann nicht mehr mitgehalten werden.
Zudem ist der Blick auf den Binnenmarkt sträflich vernachlässigt worden. Folge: Die Milch hat keinen Marktwert, und die Bauern müssen Tag für Tag draufzahlen. Das nimmt die Linke nicht hin!
Die Linke fordert einen gesetzlichen Mindestlohn für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer. Gleiches Recht für alle! Deshalb sagen wir: Die Milchbauern brauchen einen fairen Preis, und sie müssen von ihrer Hände Arbeit leben können!
Zudem müssen sie ihre Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer existenzsichernd entlohnen können. Verbraucherinnen und Verbraucher sind bereit, mehr Geld für Milch auszugeben, wenn sie wissen, die Preiserhöhung kommt auch wirklich dort an, wo sie hingehört, nämlich bei den Milchbauern.
Regionale Wirtschaftskreisläufe können dazu beitragen, dass die Verbraucher bewusst einkaufen und damit auch den Binnenmarkt ankurbeln.