Protokoll der Sitzung vom 25.09.2009

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Um sich dem Thema unseres Antrags zu nähern, sollte man zunächst einen Blick in die Niedersächsische Verfassung werfen, die in Arti

kel 6 a regelt: „Das Land wirkt darauf hin, dass … die Bevölkerung mit angemessenem Wohnraum versorgt ist.“ Eine solche Klausel in der Verfassung wäre überflüssig, wenn der Markt alles richten würde. Dass das im Bereich der Wohnungswirtschaft aber nicht immer funktioniert, ist eigentlich unstrittig. Großer Wohnraumbedarf nach dem Krieg hat den sozialen Wohnungsbau notwendig gemacht. Deshalb flossen damals in großem Umfang staatliche Fördermittel. Es gab aber Eingriffe, auch restriktive Eingriffe in die Freiheit, Mieterhöhungen z. B. durch Änderungskündigungen durchzusetzen. Von diesen Eingriffen in die Freiheit des Marktes ist auch heute noch das Miethöhegesetz erhalten, wonach Mieterhöhungen nur unter bestimmten Voraussetzungen durchsetzbar sind.

Wie ist heute die Lage? - Sie ist natürlich anders als in der Nachkriegszeit, aber sie ist sehr differenziert, und zwar in mehrfacher Hinsicht. Diese differenzierte Lage erfordert auch differenzierte Antworten. Es gibt in Niedersachsen Gebiete mit Wohnungsleerstand. Es gibt aber auch andere Gebiete vor allem in den städtischen Ballungszentren, in denen es Wohnraummangel gibt. Auch dort muss man genauer hinsehen, die Situation analysieren und weiter differenzieren. Es gibt z. B. in einigen Städten einen Mangel an Wohnraum für kinderreiche Familien und vor allem einen Mangel an Singlewohnungen, auf der anderen Seite weniger Mangel an Wohnungen mittlerer Größe.

Die Situation in Oldenburg nenne ich als Beispiel. In einem Bericht des Sozialdezernenten der Stadt Oldenburg vom 17. August 2009 heißt es:

„Es ist insgesamt festzustellen, dass die seit Jahren zu beobachtende Entwicklung des knapper werdenden Wohnraums in Oldenburg sich besonders für kleine Wohnungen noch verstärkt hat. Für Wohnungssuchende mit Sozialleistungsbezug bzw. Haushalten mit gering darüber liegendem Einkommen ist diese Entwicklung besonders schwierig. Außerdem wird auch die Anzahl der Wohnungen geringer, die noch provisionsfrei anzumieten sind.“

Spiegelbildlich wird dies auch deutlich, wenn man sich anschaut, was uns die Wohnungswirtschaft dazu sagt. Der Bundesverband der deutschen Wohnungs- und Immobilienunternehmen e. V. hat auf folgende Zahlen hingewiesen, die aus dem Statistischen Bundesamt bekannt sind: Im Jahre

2008 wurden bundesweit 176 000 Wohnungen gebaut. Damit sind so wenige Wohnungen in einem Jahr fertig gestellt worden wie seit Beginn der Nachkriegsgeschichte nicht mehr. Das waren 2008 noch einmal 39 000 Wohnungen weniger als im Vorjahr. Diese Entwicklung ist natürlich auch in Niedersachsen zu verzeichnen.

(Norbert Böhlke [CDU]: Warum ist das so?)

Was ich bisher angesprochen habe, ist nur die quantitative Seite, die natürlich wichtig ist. Man muss aber auch die qualitative Seite im Blick haben, was zusätzlichen Förderbedarf betrifft. Wir brauchen mehr Förderung von energiesparenden Wohnungen, wir brauchen aber auch mehr Wohnraum für Alte und Behinderte, vor allem mehr barrierefreie Wohnungen.

(Beifall bei der LINKEN)

Was die Förderung in der Wohnungswirtschaft betrifft, gibt es grundsätzlich zwei Wege: Es gibt einmal die Subjektförderung, die wir vom Wohngeld her kennen. Dabei werden die Menschen mit geringem Einkommen in die Lage versetzt, etwas mehr Geld für hohe Mieten ausgeben zu können. Aber es gibt auch die Objektförderung, die wir vom sozialen Wohnungsbau her kennen. Dass diese Objektförderung durchaus sinnvoll ist und funktioniert, erläutere ich Ihnen an einem Beispiel. In Oldenburg war es in den 80er-Jahren für Studenten sehr schwierig, angemessenen Wohnraum zu vernünftigen Preisen zu bekommen. Dann hat es zwei größere Wohnbauvorhaben gegeben, die vom Studentenwerk Oldenburg finanziert wurden. In einem Fall ging es um einen Neubau, im anderen Fall um die Umwidmung einer Kaserne. Als diese beiden Wohnobjekte fertig gestellt worden waren, entspannte sich der Wohnungsmarkt wieder. In diesem Fall wurde bewiesen, dass mit einer Objektförderung durchaus auf das Mietniveau einer Stadt insgesamt eingewirkt werden kann.

(Beifall bei der LINKEN)

Die gegenwärtige Situation zeigt uns, dass die Verhältnisse nicht im Lot sind und wir deshalb gezielt eingreifen müssen. Das ist genau das, was wir wollen. Wir möchten eine Situation am Wohnungsmarkt herstellen, in der Mieter und Vermieter auf Augenhöhe miteinander verhandeln können und in der nicht die eine Seite in der Lage ist, der anderen die Bedingungen zu diktieren.

(Beifall bei der LINKEN)

Ich habe mir überlegt, ob ich überhaupt auf das Gesetz zur Neuordnung der Wohnraumförderung in der Drucksache 630 eingehen soll, das von der Landesregierung eingebracht worden ist. Eigentlich lohnt dies kaum, weil dieser Gesetzentwurf so schwach ist, dass er keine Erwähnung verdient. Darin werden nämlich alle interessanten Fragen auf die Verordnungsebene verlagert; im Gesetz soll kaum etwas geregelt werden. Es wird dort nur angesprochen, dass die Gelder, die vom Bund im Rahmen der Föderalismusreform I zur Verfügung gestellt werden, nämlich jährlich 40 Millionen Euro, weitergereicht werden, aber nur bis zum Jahre 2013. Danach wird kein Geld mehr zur Verfügung stehen. Nicht einmal eine Verstetigung dieser 40 Millionen Euro ist vorgesehen.

Wir haben Ihnen nun vorgerechnet, dass man mit einem gezielten Eingriff durch eine Förderung der Wohnungswirtschaft mit einem Volumen von 180 Millionen Euro in Niedersachsen wirklich etwas verändern könnte. Wir haben in der Begründung unseres Antrags auch dargelegt, wie man das refinanzieren könnte. Man muss Folgendes wissen: Gegenwärtig tragen die Kommunen bundesweit Kosten in Höhe von 14 Milliarden Euro für die Unterkunft im Rahmen von Hartz IV. Auf Niedersachsen heruntergebrochen sind das ungefähr 1,4 Milliarden Euro. Wenn es auch nur gelingen würde, durch gezielte Förderung des Wohnungsbaus das Mietniveau um 10 % zu senken, könnte man schon 140 Millionen Euro aufbringen.

(Beifall bei der LINKEN)

Hinzu kommt, dass mit einer Förderung der Wohnungswirtschaft auch wieder Impulse für Arbeitsplätze gegeben werden und dass damit auch wieder Steuermehreinnahmen hereinfließen. Das heißt, unser Programm lässt sich doppelt refinanzieren. Ich bin auf das gespannt, was Sie dem entgegenzusetzen haben oder inwieweit Sie dem beipflichten werden. Wir möchten mit unserer Entschließung der Landesregierung einen Anstoß geben: Haben Sie Mut, tun Sie etwas für diesen Bereich!

(Beifall bei der LINKEN)

Für die CDU-Fraktion hat Herr Dr. Matthiesen das Wort. Bitte schön!

Herr Präsident! Meine Kolleginnen und Kollegen! Für die Linke ist die Wohnungswirtschaft „ein klas

sisches Beispiel dafür, dass der Markt die Grundbedürfnisse der Menschen nicht lösen kann. Hier muss die Politik steuernd eingreifen.“

(Beifall bei der LINKEN)

Dieser Kern des Antrags der Linken hat mit der Wirklichkeit in Deutschland und Niedersachsen absolut nichts zu tun. Er atmet den Geist überholter sozialistischer Planwirtschaft.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Das Gegenteil ist richtig: Die soziale Marktwirtschaft hat sich auch auf dem großen Feld des Wohnungs- und Städtebaus bewährt. Nach dem Zweiten Weltkrieg lag Deutschland in Trümmern. Im Westen ist es mit dem System der sozialen Marktwirtschaft in kurzer Zeit gelungen, wieder blühende Städte und Dörfer aufzubauen. Im Osten dagegen mit seiner sozialistischen Staatswirtschaft herrschten Verwahrlosung und Verfall der Städte. Es war das nackte Elend. Damit konnte man erst nach der Wiedervereinigung 1989 Schluss machen.

In Deutschland dominiert heute mit großem Abstand der privat finanzierte Wohnungsbau. Es gibt rund 40 Millionen Wohnungen. Nur 2,3 Millionen Wohnungen davon entfallen auf öffentliche Wohnungsunternehmen; das sind nur rund 5 %. Für die soziale Flankierung sorgen wirksam das soziale Mietrecht, das Wohngeld und die Übernahme der Kosten der Unterkunft in der Sozialhilfe. Dadurch ist Wohnraum auch bezahlbar. Seit Anfang des Jahres ist das Wohngeld von durchschnittlich 90 Euro auf 142 Euro monatlich erhöht worden, und es gibt erstmals einen Heizkostenzuschlag von 50 Cent pro Quadratmeter. Entsprechend höher sind auch die Kosten der Unterkunft, die nach SGB II und SGB XII übernommen werden. So erhält eine vierköpfige Familie in der Landeshauptstadt Hannover unter Berücksichtigung der Rechtsprechung bis zu 715 Euro monatlich für die Kaltmiete und Nebenkosten und zusätzlich die Heizkosten erstattet.

Bezahlbares Wohnen hängt immer mehr von der Verbesserung der Energieeffizienz in Wohngebäuden ab. Während die Wohnungsmieten in den letzten Jahren stagniert haben, sind die Energiekosten für das Wohnen um über die Hälfte gestiegen. Bund und Land haben hier gezielt angesetzt: mit der neuen Energiesparverordnung, dem Gebäudeenergiepass und dem Erneuerbare-Energien-Wärmegesetz. Das Konjunkturpaket I hat die Mittel für das CO2-Gebäudesanierungsprogramm

um insgesamt 3 Milliarden Euro aufgestockt. Auch die Kreditanstalt für Wiederaufbau hat jetzt zwei neue Programme - „Energieeffizient Bauen“ und „Energieeffizient Sanieren“ - mit sehr günstigen Krediten von 50 000 bzw. 75 000 Euro je Wohneinheit und zum Teil sogar noch mit Tilgungszuschüssen aufgelegt.

In der Landesförderung und im Entwurf des neuen Niedersächsischen Wohnraumfördergesetzes ist die Erhöhung der Energieeffizienz des Wohnungsbestandes Förderschwerpunkt. Das reicht bis hin zum neuen 5-Millionen-Euro-Sonderprogramm zur weiteren Zinsverbilligung von KfW-Krediten. Im Gegensatz zum Antrag der Linken haben wir keinen Wohnungsmangel, sondern einen Wandel der Wohnungsmärkte mit regional sehr unterschiedlichen Entwicklungen und zum Teil nicht mehr bedarfsgerechten Wohnungsbeständen zu verzeichnen. Es sind bestimmte Anspannungstendenzen zu verzeichnen, z. B. bei preisgünstigen und kleinen Wohnungen. Die von der Linken ins Feld geführte neue Pestel-Studie ist nur eine unter vielen. Der Niedersächsische Verband der Wohnungswirtschaft hat sie hart gekontert. Direktor Bernd Meyer sagte wörtlich: „Ein Wohnungsmangel in Niedersachsen und speziell in Hannover ist nicht absehbar.“

Die aktuelle Wohnungsmarktbeobachtung der NBank für Niedersachsen hält das aktuelle Neubauniveau für mehr als ausreichend.

Ob in den Bestand oder in den Neubau von Wohnungen investiert wird, hängt von einer ganzen Reihe von Faktoren ab. Ich nenne nur Nachfrage, Baukosten, finanzielle Spielräume, Zinsniveau, Baulandpreise und -ausweisungen, Einkommen, Arbeitsmarktlage, öffentliche Förderprogramme und die Renditeerwartungen der Investoren.

In Niedersachsen haben wir sehr gute Rahmenbedingungen, um zu investieren. So haben wir in Niedersachsen bundesweit mit die günstigsten Neubaukosten. Sie betragen im Durchschnitt 1 079 Euro pro Quadratmeter. Nur Bremen und SachsenAnhalt sind noch günstiger. Gleichwohl verhindern laut Wohnungsmarktbeobachtung der NBank Nachfragerückgänge bei den Eigenheimen und die derzeit zu geringen Renditeerwartungen im Mietwohnungsbau, dass die Neubaudynamik anspringt. Es wird eher gebäudebezogen in den Bestand investiert, um den Wohnungszustand und die Vermietbarkeit zu verbessern.

Vor diesem Hintergrund ist die niedersächsische Wohnraumförderung aufgaben- und zielgruppen

bezogen ausgerichtet. So sind allein für seniorengerechtes Wohnen in Altenwohnungen im diesjährigen Wohnraumförderungsprogramm bisher fast 10 Millionen Euro bewilligt oder im Bewilligungsverfahren. Der Entwurf des neuen Niedersächsischen Wohnraumfördergesetzes hat als zentrales Förderziel die fortschrittliche Förderung des Wohnens im Alter und mit Behinderung gesetzt. Sie erstreckt sich inzwischen auch auf Wohngruppen, Wohngemeinschaften und generationenübergreifende Gemeinschaften. Die Wohnungswirtschaft und die Kommunen selbst investieren erheblich in den barrierefreien und rollstuhlgerechten Bau von Wohnungen.

Positiv wirkt sich übrigens auch die RiesterWohnrente als neue staatliche geförderte Altersvorsorge aus.

Was der Antrag der Linken außer Acht lässt, ist die Förderung der Stadterneuerung. So kommen insbesondere das Normalprogramm und die Einzelprogramme „Soziale Stadt“, „Aktive Stadt“ und „Stadtumbau West“ direkt und indirekt der Wohnungswirtschaft zugute. Dafür stellen Land und Kommunen in diesem Jahr 100 Millionen Euro zur Verfügung. Das wird ein Vielfaches an Folgeinvestitionen auslösen.

Aus dem neuen Wohnraumförderfonds werden wir erhebliche Mittel zweckgebunden für investive Maßnahmen der Wohnraumförderung zur Verfügung stellen. Als einen Beitrag zur Zukunftssicherung des Landes werden wir einen ganz besonderen Schwerpunkt auf Familien mit Kindern legen. Das werden wir in den Ausschussberatungen näher darlegen.

Danke schön.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Frau Staudte von der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat jetzt das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete! Liebe Linksfraktion, auch wenn ich die Demokratiedebatten, die hier vom schwarz-gelben Lager immer wieder anzettelt werden, äußerst unerträglich finde, muss ich mich jetzt doch fachpolitisch sehr kritisch mit Ihrem Antrag auseinandersetzen. Dieser Antrag ist gut gemeint und schlecht gemacht. Davon, wofür Sie, Herr Adler, hier gerade Szenenapplaus von Ihrer Frakti

on bekommen haben - Energieeffizienz, barrierefreies Wohnen -, steht in Ihrem Antrag leider gar nichts.

(Beifall bei den GRÜNEN - Kreszentia Flauger [LINKE]: Das stimmt doch gar nicht!)

- Doch.

Sie formulieren auch insgesamt in einem Duktus, der nahelegt, Sie seien der Anwalt des kleinen Mannes respektive hier des kleinen Mieters.

(Hans-Henning Adler [LINKE]: Auch der kleinen Frau!)

Böse Vermieter, gute Mieter, böser Markt und guter Staat - das ist wirklich ein zu simples Weltbild.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Das alles ist vor dem Hintergrund besonders interessant, dass Sie sich in Ihrem Antrag einseitig auf ein Gutachten der Bauwirtschaft berufen.

(Zustimmung bei den GRÜNEN und bei der SPD)