Protokoll der Sitzung vom 28.10.2009

- Im Januar treffen wir uns, um den Haushaltsplan 2011 vorzubereiten. Sie müssen Ihre Pressekonferenzen schon besser vorbereiten.

(Zustimmung bei der CDU und bei der FDP - Oh! bei der SPD - Heiner Bart- ling [SPD]: Sie sind ja weitsichtig!)

- Herr Bartling, das unterscheidet uns von Ihnen in Ihrer Regierungszeit. Da wurden Schulden gemacht, und es wurde nicht überlegt, an welcher Stelle man - - -

(Beifall bei der CDU und bei der FDP - Lachen bei der SPD - Wolfgang Jütt- ner [SPD]: Der war gut!)

Wenn der Haushalt im Dezember nicht beschlossen wird, starten wir mit - - -

(Wolfgang Jüttner [SPD]: Das, was Sie beschließen wollen, ist immer klasse!)

- Ich habe gerade das Urteil des Staatsgerichtshofs von 1997 gelesen. Darin steht, dass Sie im

Jahr 1997, in dem es gar keine Krise gab, in Niedersachsen einen verfassungswidrigen Haushalt beschlossen haben, Herr Jüttner. Deshalb seien Sie doch bitte ganz ruhig.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP - Wolfgang Jüttner [SPD]: Und darin wollen Sie uns nicht nachstehen!)

In der derzeitigen Lage wäre eine vorläufige Haushaltsführung völlig absurd und würde zu nicht hinnehmbaren Konsequenzen führen.

Erstens. Ohne festgesetzten Haushalt werden keine freiwilligen Leistungen erbracht und wird kein neues Personal eingestellt. Das heißt: keine Lehrer, keine Polizisten, keine Anwärter. Wir würden die Zuwendungsempfänger im Regen stehen lassen, die gerade jetzt in Krisenzeiten wichtige soziale Funktionen übernehmen. Wir würden sämtliche für die konjunkturelle Erholung wichtigen Investitionen stoppen - kein Hochbau, keine Fahrzeuge, keine neue Technik. Niedersachsen würde als Sozialpartner, Investor und Arbeitgeber ausfallen.

(Zuruf von der SPD)

- Das ist Ihre Forderung: Wir sollen keinen Haushalt beschließen. Aber dann könnten wir diese Leistungen nicht erbringen. Das wäre die Konsequenz. Das müssen Sie den Menschen dann aber auch sagen. Sie müssen den Sozialverbänden sagen, dass die Frauenhäuser und andere Einrichtungen dann eben kein Geld bekommen.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Man muss die eigenen Anträge in der Konsequenz zu Ende denken und darf nicht darauf hoffen, dass die Mehrheit sie ablehnt.

(Beifall und Heiterkeit bei der CDU und bei der FDP)

Zweitens. Alle Schwerpunkte für 2010, die ich hier im September vorgestellt habe, wären hinfällig. Ich sagte es schon: keine zusätzlichen Investitionen bei der Polizei, keine zusätzlichen Anwärter bzw. überhaupt keine Einstellungen, kein Max-PlanckInstitut für Sonnensystemforschung in Göttingen - das würde die Wissenschaft berühren -, keine zusätzlichen Gelder für Kunst und Kultur - das würde die Kunst und die Kultur beschädigen -, keine zusätzlichen 50 Millionen Euro für die Unterrichtsversorgung - ich möchte Sie einmal jammern hören, wenn wir keinen Haushalt hätten und diese 50 Millionen Euro nicht ausgeben dürften; dann hätten wir endlich wieder einmal ein Kultusthema in der Landtagssitzung, das wir ja sonst immer

vermissen -, keine 4 Millionen Euro für dynamische Integration am Arbeitsmarkt, keine Verdoppelung der Straßenbauunterhaltungsmittel auf 18,6 Millionen Euro - Sie könnten also auch Ihr Straßensuchsystem, mit dem Sie Schlaglöcher aus Ihrer Regierungszeit suchen, einstellen.

(Heiterkeit und Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Stattdessen hätten wir Stillstand, und konjunkturstützende Effekte wären Fehlanzeige.

Dazu kommt - drittens -, dass das Konjunkturprogramm II den Bach heruntergehen würde; denn ohne Haushalt könnten wir auch die entsprechenden Ausgaben nicht zahlen, und Sie müssten den Leuten erzählen, warum das Konjunkturprogramm nicht läuft.

Dann bitte ich Sie, auch einmal in das Gesetz zur Umsetzung von Zukunftsinvestitionen der Kommunen und Länder, das Zukunftsinvestitionsgesetz, zu gucken. Darin steht, dass das Konjunkturprogramm zusätzliche Ausgaben bewirken muss. Wenn wir die Ausgaben gar nicht tätigen können, weil wir gar keinen Haushalt haben, sind sie auch nicht zusätzlich. Deshalb würden die Mittel dann zurückgefordert. Wenn Sie das wollen, sagen Sie das den Menschen. Andernfalls ziehen Sie Ihren Antrag zurück!

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Sie müssen dann auch sagen, wo Sie streichen wollen. Auch das fehlt.

Deshalb kann ich Ihnen nur raten: Stimmen Sie dem Nachtrag 2009 zu! Er ist nämlich verfassungsgemäß. Die von Ihnen erdachten Verfassungsverstöße gibt es gar nicht. Es gibt diese Vorschriften in der Verfassung nicht. Auch da wäre es sinnvoll, erst einmal in die Verfassung zu schauen; denn es gibt überhaupt keine Verfassungsnorm, die vorschreibt, wann wir Rücklagen entnehmen müssen, wie wir Rücklagen verschonen müssen und wie wir das mit Nettokreditaufnahmen kombinieren müssen. Es ist völlig klar: Das sind Entscheidungen, die Ihnen von der Landesregierung vorgeschlagen werden und dann vom Landtag entweder beschlossen werden oder nicht. Gerade in der Bewältigung dieser Krise muss das mit hoher Verantwortung geschehen.

Auch zu der Frage, wann Vermögen aktiviert werden muss, steht in der Verfassung kein Wort. Das hätte doch keinen Sinn; denn auch hierzu muss Ihnen die Landesregierung einen Vorschlag ma

chen, und Sie müssen dann entscheiden. Das hat die Landesregierung getan. Ich erinnere daran, dass die Hannoversche Beteiligungsgesellschaft mit Ihrer Unterstützung im Jahre 2007 VW-Aktien für etwa 64 Millionen Euro gekauft hat. Im Jahre 2008 hat die Hannoversche Beteiligungsgesellschaft für etwa 90 Millionen Euro VW-Aktien gekauft, damit wir über 20 % blieben. Herr Aller hat eben auf die technische Liste hingewiesen. Das sind die 125 Millionen Euro, die wir über die HanBG, aber über den Landeshaushalt abwickeln und die in die Messe AG gehen. Deshalb sagen wir: in diesem Jahr keine Transaktion von der NORD/LB an die Hannoversche Beteiligungsgesellschaft, weil in den letzten drei Jahren schon in erheblichem Maße Leistungen erbracht wurden. Das nach hinten zu verschieben, wenn es möglich ist, ist doch eine vernünftige Lösung.

Wo steht, dass die Höhe einer zusätzlichen Nettokreditaufnahme an Steuermindereinnahmen gekoppelt ist? - Nirgends! Sie reden immer davon, es fehlten 1,3 Milliarden Euro Steuern, also dürfte ich nur 1,3 Milliarden Euro Kredite - nicht ich, sondern das Land Niedersachsen durch Beschluss des Parlamentes - aufnehmen. Umgekehrt steht es in der Verfassung. In der Verfassung stehen zwei Bedingungen: Die eigenfinanzierten Investitionen - erstens - betragen 1,3 Milliarden Euro, also sind 1,3 Milliarden Euro Kredite von der Verfassung völlig gedeckt. Dann fehlen noch 1 Milliarde Euro. Dieser Betrag ist dadurch gedeckt, dass wir - zweitens - eine nachhaltige Störung des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts haben. Auch das ist in der 97er-Entscheidung festgestellt worden: Wenn die Bundesregierung das erklärt, gilt das für alle Länder. Sie wollen doch wohl nicht sagen, dass Niedersachsen eine Insel innerhalb der Bundesrepublik oder der Welt ist; denn in der ganzen Welt haben wir eine Wirtschaftskrise. Wenn das keine nachhaltige Störung des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts ist! Dagegen müssen wir angehen. Zur Abwehr ist es eben erforderlich, weil Sie mir nicht sagen können, wo sonst wir Ausgaben reduzieren müssten.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Wegen der krisenbedingten Ausfälle der Steuern und damit wir weitere Ausgaben tätigen können, müssen wir diese Kreditaufnahme machen. Dass mir persönlich das keinen Spaß macht, können Sie sich vielleicht vorstellen. Wir waren kurz vor dem Ziel. Aber Gott sei Dank hat dieser Regierung noch niemand vorgeworfen, dass wir auch noch an der Weltfinanzkrise schuld sind. - Herr Bartling, darin

sind wir beide uns doch wohl einig, auch wenn Sie Ihren Kopf hin und her wiegen.

(Heiner Bartling [SPD]: Die einen sa- gen so, die anderen sagen so! - Hei- terkeit bei der SPD)

- Vielen Dank, Herr Bartling, dass Sie mir das zutrauen. So viel Einfluss habe ich aber auch beim besten Willen nicht.

(Wolfgang Jüttner [SPD]: Ihnen trauen wir alles zu!)

Deswegen ist unser Gesamtpaket aus dem Dritten Nachtrag 2009, dem Haushaltsplanentwurf 2010, der Mittelfristigen Planung bis 2013 und dem Umsetzungskonzept zur Schuldenbremse die richtige Antwort auf die finanzpolitischen Herausforderungen. Kehren Sie zurück zu vernünftiger, sachorientierter Arbeit! Die Zustimmung zum Nachtrag ist dafür ein erster Schritt.

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Starker Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Danke schön, Herr Minister Möllring. - Für die SPD-Fraktion hat nun Frau Kollegin Geuter das Wort. Bitte schön!

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Herr Minister, ich habe Ihnen eben aufmerksam zugehört, und mir ist aufgefallen, dass Sie bei der Vielzahl von forschen Sprüchen, die Sie uns vorgetragen haben, auf eines nicht eingegangen sind, nämlich auf die Begründung des Landesrechnungshofes, mit der er seine Bedenken im Hinblick auf die Verfassungsmäßigkeit des Dritten Nachtragshaushaltsplanentwurfs geltend gemacht hat.

(Beifall bei der SPD)

So viel zum Thema sachgerechte Beratungen.

(Ulf Thiele [CDU]: Er hat es ganz gut erklärt!)

Meine Damen und Herren, die Mai-Steuerschätzung hat für Niedersachsen Mindereinnahmen in der Größenordung von nahezu 1 Milliarde Euro ausgewiesen und prognostiziert. Vor diesem Hintergrund ist es grundsätzlich folgerichtig, dass die Landesregierung jetzt den Dritten Nachtragshaushaltsplanentwurf vorlegt. Wir haben das ja immer

gefordert. Aber über die Dimensionen werden wir weiterhin geteilter Meinung bleiben.

Lange hat die Landesregierung die Realitäten der Finanz- und Wirtschaftskrise ausgeblendet. Ich kann mich erinnern, dass wir im April noch der Panikmache bezichtigt wurden,

(Beifall bei der SPD)

als wir gesagt haben, das Ziel „Nettoneuverschuldung null bis 2010“ wird nicht zu erreichen sein. Stattdessen hat der Finanzminister mit einer öffentlichkeitswirksam zelebrierten Haushaltssperre versucht, den Eindruck zu erwecken, mit solchen kosmetischen Operationen könnte man den Einnahmeausfällen entgegenwirken. Das grandiose Ergebnis dieser Aktion will ich Ihnen nicht vorenthalten: Tatsächlich ist jetzt im Nachtragshaushaltsplanentwurf 2009 eine Summe von 10 Millionen Euro enthalten,

(Wolfgang Jüttner [SPD]: Donnerwet- ter!)

die daraus entstanden ist. Den Rest, der aus der Sperre bei den Sachausgaben resultiert, brauchen Sie jetzt schon ganz dringend, um Ihre globale Minderausgabe zu erbringen. Dieser Verzweiflungsakt macht mehr als deutlich, dass es Ihnen bis heute an einem Konzept zur Bewältigung der haushaltspolitischen Herausforderungen fehlt.

(Beifall bei der SPD und Zustimmung von Kreszentia Flauger [LINKE] - Gudrun Pieper [CDU]: Dann gucken Sie einmal, wo wir 2003 waren!)

- Dazu komme ich noch. - Überrascht hat uns dann die Vorlage der Begründung zum Dritten Nachtragshaushaltsplanentwurf 2009: In der aktuellen Situation sei es deshalb notwendig, im Dritten Nachtragshaushalt 2009 eine Nettokreditaufnahme in Höhe von 2,3 Milliarden Euro zu veranschlagen, die um 998 Millionen Euro über der Grenze der eigenfinanzierten Investitionen nach der Niedersächsischen Verfassung liege. - So die Begründung der Landesregierung. Meine Damen und Herren, diese von Ihnen konstruierte Notwendigkeit liegt allein darin begründet, dass Sie mit aller Verzweiflung versuchen, 2010 eine Nettoneuverschuldung in Rekordhöhe zu umgehen, die über dem Stand des Jahres 2002 liegt.