Protokoll der Sitzung vom 29.10.2009

Meine Damen und Herren, die Landesregierung steht deshalb in der Pflicht, wirklich alle Maßnahmen zu ergreifen, damit die älteren Kutter auch zukünftig durch Bestandsschutzmaßnahmen eingesetzt werden können.

Wir haben keine Angst vor Sturm, vor Wind und Wetter. Nur die EU-Bürokraten zwingen uns auf die Bretter. - Das ist der Originalton eines verzweifelten Fischers, der seit über 38 Jahren in Hooksiel zur See fährt und der die ständige Gängelei der EU-Behörden in Brüssel bis zur Oberkante Unterlippe satt hat.

(Heiner Bartling [SPD]: Recht hat er!)

Die Fischer sind völlig berechtigt stocksauer.

Sie haben den Brandschutzanzug angesprochen, zu dessen Anziehen nach meiner Kenntnis mindestens zwei Leute benötigt werden. Aber selbst das ist auf einem Krabbenkutter problematisch, weil immer nur zwei Leute auf einem Krabbenkutter fahren. Im Brandfall müsste der Kapitän zunächst den brennenden Fischer ohne den Superanzug aus dem Feuer holen, damit dieser ihm dann in den Anzug helfen kann. Danach kann er ihn wieder ins Feuer schmeißen, um ihn dann mit Anzug EU-gerecht zu retten. Einen solchen Schwachsinn kann wirklich niemand mehr verstehen!

(Zustimmung von Heiner Bartling [SPD])

Was sagen Sie zu der Verpflichtung zur Ausrüstung der Kutter mit Funkgeräten zwecks Satellitenüberwachung für internationale Gewässer und einer Verpflichtung der Kapitäne, die Englisch lernen sollen, obwohl sie sich ausschließlich im deutschsprachigen UKW-Küstenfunkbereich und in Sichtweite der Küste bewegen? - Nirgendwo an

ders wird gefischt als in diesem Bereich. Wem fällt so etwas bloß ein, meine Damen und Herren?

Warum sollen Funkgeräte urplötzlich jedes Jahr gewartet werden, wenn selbst der Hersteller zwei- bis dreijährige Wartungsintervalle als ausreichend empfiehlt?

Warum will man die Fangmenge der Krabbenfischer - dies haben Sie nicht gesagt; ich füge es noch an - ebenfalls per Satellit kontrollieren, sogar mit Videoaufzeichnung, obwohl es keinerlei Fangbegrenzungen für die Krabbenbestände gibt?

(Björn Thümler [CDU]: Herr Schmin- ke, es geht um den Beifang)

Die Krabben sind übrigens in einer ausgezeichneten Verfassung. Davon gibt es jede Menge. Deshalb gibt es keine Beschränkungen.

Das sind Geistesblitze der besonderen Art; denn das lässt sich in der Praxis wirklich nicht umsetzen.

Manche Fischer sind über Nacht auf See. Sie schlafen zum Teil in der Kajüte, und am nächsten Morgen geht es weiter. Diese Leute brauchen unsere Hilfe.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, EUKontrollen, und zwar Kontrollen ohne Sinn und Verstand, lehnen wir konsequent ab! Die Fischer sind frustriert. Sie haben nicht ihre Netze voll, sondern sie haben die Nase restlos voll von solchen Regelungen.

(Beifall bei der SPD, bei der CDU und bei der FDP)

Dieser Irrsinn muss deshalb sofort beendet werden.

Wir fordern die deutschen Behörden auf, etwas mehr Mut und Kreativität bei der Auslegung von EU-Recht zu zeigen. Andere Mitgliedstaaten sind da weit besser aufgestellt. Sie haben mehr Stehvermögen und arbeiten nicht mit so viel vorauseilendem Gehorsam.

Meine Damen und Herren, niedersächsische Interessen müssen in Brüssel zukünftig wirksamer vertreten werden. Wir brauchen in Brüssel mehr Schlagkraft, mehr Kompetenz und vor allem ein Informationsnetzwerk, wie dies andere Bundesländer auch haben. Bayern hat beispielsweise 31 Mitarbeiter in Brüssel, während Niedersachsen dort nur über 18 Mitarbeiter verfügt. Wie wenig die nationalen Problemstellungen - - -

(Zuruf von der CDU: Die Qualität ist entscheidend! - Unruhe)

- Können Sie einmal für Ruhe sorgen, Herr Präsident?

(Heiterkeit)

Sie in der ersten Reihe gucken wie ein Backfisch.

(Heiterkeit)

Den katastrophalen Folgen der EU-Regelungen gilt es gegenzusteuern. Wir müssen mehr Leute nach Brüssel schicken. Herr Deppmeyer hat ja bei der Bereisung den Sachverhalt angesprochen und in diesem Zusammenhang auch Schelte geübt, dass man in Brüssel von der Fischereipolitik nichts weiß. In Brüssel ist beispielsweise wenig darüber bekannt, welche Sorgen die Muschelfischer haben. Ich erwähne hier Long-Line-Projekte. Dort ist überhaupt keine Rede von dem, was uns hier an der Küste tatsächlich betrifft. Herr Deppmeyer hat in der Abschlussbesprechung völlig berechtigt Schelte geübt und eine entsprechende Fachkompetenz der zukünftigen Referenten eingefordert.

Meine Damen und Herren, unsere Fischer haben mehr Unterstützung verdient. Sie machen einen richtig harten Job. Wir müssen deshalb einfordern, dass in Brüssel mehr für sie getan wird. Wir reden hier sehr oft über den JadeWeserPort, über Offshorewindparks, die Meyer-Werft und andere Großprojekte. Über die Sorgen der 540 Fischer und weiterer 2 500 Arbeitnehmer, die in der Veredelungsindustrie arbeiten, wird hier aber kaum geredet. Das kommt zu kurz. Das will ich hier einmal deutlich sagen.

(Beifall bei der SPD)

Es wird Zeit, dass auch die Landesregierung endlich den tatsächlichen Stellenwert der Fischerei erkennt. Staatssekretär Ripke hat in Neuharlingersiel mit klaren Ansagen Hoffnungen geweckt. Jetzt warten wir darauf, dass diese Hoffnungen auch in Taten umgemünzt werden. Echte Hilfen, Einsatz und Engagement sind nötig. In diesem Sinne volle Netze und Petri Heil!

(Lebhafter Beifall bei der SPD)

Für die Fraktion der FDP hat sich Frau König zu Wort gemeldet.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Schminke, es hörte sich gerade so an, als ob wir nicht in der Lage wären, dieses Problem aufzunehmen. Ich glaube, der Antrag kam von uns. Sie haben sich ihm letztlich angeschlossen. So war meines Erachtens das Vorgehen.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Wir haben uns dem Problem jedenfalls sofort zugewandt und versuchen es zu regeln. Sie haben sich dem angeschlossen und tragen das Anliegen mit. Das finde ich auch in Ordnung. Wir sollten es so belassen.

Sicherheit ist wichtig und muss auch geregelt werden. Bei manchen Regelungen - das haben Sie sehr schön herausgearbeitet - schießt der eine oder andere aber schon einmal über das Ziel hinaus. Wenn man sich nicht in die tatsächlichen Gegebenheiten versetzt, die größtenteils die Eigenverantwortung der Betroffenen mitsamt den Erfahrungen und Kompetenzen aufzeigen, setzt man diese Eigenverantwortung möglicherweise auch außer Kraft. Da hört der Spaß dann auf; denn hier beginnt die Existenzgefährdung.

Nehmen wir als Beispiel nur einmal die Arbeitszeitrichtlinien, die eben auch schon angesprochen wurden. Diese Richtlinien können wir im Falle von Lkw-Fahrern teilweise nachvollziehen. Bei Küstenfischern sind sie aber absolut nicht anwendbar. Wer sich an Tide, Witterung und anderen Widrigkeiten orientieren muss, kann sich nicht an Arbeitszeitrichtlinien orientieren, die in Richtung Lenk- und Ruhezeiten, Pausen und Arbeitsstunden pro Tag gehen. Wer will denn beurteilen, wie sich diese auf einem Kutter innerhalb eines Fangtages darstellen? Allein der Weg in die Fanggründe stellt sich nicht tagtäglich gleich dar. Das gilt auch für die Aufenthaltsdauer auf See. Das wurde von Herrn Biallas und auch von Herrn Schminke schon sehr gut dargestellt. Ich brauche das hier nicht weiter zu vertiefen.

Der Brandschutz wurde hier ebenfalls bereits angesprochen. Diese Regelungen sind absolut nicht auf diese Schiffe übertragbar.

Bei den Wartungsintervallen für Rettungsmittel und Funkgeräte hat sich der Hersteller etwas gedacht, als er bestimmte Zeiten vorgegeben hat. Warum wird das angezweifelt oder verschärft?

Ich knüpfe hier gleich mit meiner zweiten Anmerkung an. Der Betrieb des analogen Notrufka

nals 16 wird seit 1999 durch die Deutsche Gesellschaft zur Rettung Schiffbrüchiger - MRCC Bremen - uneingeschränkt und im Auftrag der Bundesregierung im deutschen SAR-Bereich gewährleistet. Deshalb macht eine kurzfristige Pflicht zur Umrüstung auf den Digitalfunkstandard für die Küstenfischer wenig Sinn. Nach unserem Dafürhalten ist eine freiwillige Umrüstung z. B. bei einem Defekt der vorhandenen Funkanlage auf den digitalen Standard für die Küstenfischer ausreichend. Eigenverantwortung auch im Hinblick auf den Fortschritt ist hier in den Vordergrund zu stellen. Wir wollen die Küstenfischerei stärken und die Küstenfischer wieder dahin zurückführen, wo sie hingehören, nämlich in den Fang. Wir wollen sie in die Lage versetzen, ihren Beruf weiterhin eigenverantwortlich auszuüben. Das ist für uns wichtig. Dafür stehen wir hier ein. Wir hoffen, dass Sie alle unserem Antrag zustimmen werden.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Jetzt hat Frau Weisser-Roelle von der Fraktion DIE LINKE das Wort.

Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Um es gleich vorwegzunehmen: Auch die Linke stimmt dem gemeinsamen Antrag von CDU, FDP und SPD zu. Herr Biallas, Ihrem Wunsch, eine einstimmige Beschlussfassung über Ihren Antrag zu erreichen, können Sie auch dadurch Ausdruck verleihen, dass Sie - ich wiederhole es immer wieder - auf Ihre Polemik verzichten, sich auf Inhalte konzentrieren und auch die Linke fragen, ob sie den Inhalten Ihres Antrags zustimmt, wie es jetzt der Fall ist. Auf diese Weise lässt sich erreichen, dass ein Antrag gemeinsam von allen getragen wird. Herr Biallas, Sie sprechen dann nicht mit gespaltener Zunge.

(Beifall bei der LINKEN)

„Uns steht das Wasser bis zum Hals.“

(Zurufe von der CDU: Wem?)

- Das ist nicht unsere Aussage, sondern das ist die Aussage der niedersächsischen Küstenfischer angesichts immer neuer Vorschriften für die Fischer. Die Linke legt, ebenso wie es auch die Vorredner deutlich gemacht haben, großen Wert darauf, die Küstenfischereibetriebe, die um ihre wirtschaftliche Existenz kämpfen und deren Anzahl bereits dramatisch zurückgegangen ist, mit allen

gebotenen politischen Mitteln des Landes zu unterstützen. Dazu gehört - ich kann hier die Punkte wiederholen, die schon genannt wurden - ausdrücklich eine maßvolle Ausgestaltung der Sicherheitsauflagen für die Kutter. Ich sage bewusst „maßvoll“; denn die EU-Richtlinien für den Brandschutz sind nicht maßvoll und teilweise nicht umsetzbar. Von dem Kollegen Schminke wurde hier schon sehr plastisch die Anschaffung eines Brandschutzanzuges dargestellt, der noch nicht einmal von einer Person allein angelegt werden kann und dessen Anschaffung - ich habe es nachgelesen - ca. 5 000 Euro kosten soll. Das ist eine unsinnige Bestimmung. Wir müssen darauf achten, dass solche unsinnigen Bestimmungen nicht umgesetzt werden.

Des Weiteren wurde der Küstenfunkbereich genannt. Innerhalb des UKW-Küstenfunkbereichs reichen die vorhandenen Geräte aus. Man braucht nicht GMDSS-Geräte. Ich weiß nicht, ob dieser englische Begriff deutsch oder englisch auszusprechen ist. Ich spreche es so aus wie Herr Biallas. Wir wissen aber, wovon wir reden. Diese Geräte sind unnötig, selbst wenn, wie gesagt wurde, teilweise 95 % der Kosten durch die EU gefördert werden. Die Fischer müssten dann zudem Englisch lernen. Sie fischen aber, wie hier schon gesagt wurde, nicht vor Grönland. Sie fischen in unseren Küstenbereichen. Von daher ist es Unsinn, solche Geräte anzuschaffen.

Die Wartungsintervalle wurden ebenfalls schon angesprochen. Auch hier ist es sinnvoll, den Empfehlungen der Herstellerfirmen für Wartungsintervalle von zwei bis drei Jahren zu folgen.

Frau Weisser-Roelle, Sie müssen bitte zum Schluss kommen.

Ich komme zum Schluss. - Wir sind uns alle einig, dass all das, was wir heute beschließen werden, viel zu wenig ist, um die Zukunft der Küstenfischereibetriebe zu sichern. Es ist aber ein erster notwendiger Schritt in diese Richtung. Deshalb ist es wichtig, dass wir uns dafür entscheiden, ihn zu tun. Über alle weiteren Schritte zur Sicherung der Küstenfischerei muss in der Zukunft noch diskutiert werden, und dann müssen diese Schritte auch getan werden.