Protokoll der Sitzung vom 29.10.2009

Herr Minister Schünemann, Sie haben das Wort. Bitte!

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Aller, Sie werden es nicht schaffen, der Landesregierung nachzuweisen, dass sie kommunalfeindlich ist.

(Beifall bei der CDU)

Das belegen bereits die Zahlen. Das sagen aber auch die kommunalen Spitzenverbände. Sie wissen nämlich, was sie an dieser Landesregierung haben.

(Beifall bei der CDU - Dr. Manfred Sohn [LINKE] lacht)

Herr Aller, es ist schon interessant, dass gerade Sie sich zum Eingriff in den kommunalen Finanzausgleich geäußert haben, waren Sie doch derjenige, der die Verantwortung getragen hat, als das damals gemacht worden ist, und zwar so, dass bei den Kommunen nun wirklich netto weniger angekommen ist.

Auch wir haben - das will ich nicht verschweigen - den kommunalen Finanzausgleich um 150 Millionen Euro reduziert. Allerdings haben wir gleichzeitig mit dazu beigetragen, dass der Bundesrat im Jahr 2005 beschlossen hat, die Gewerbesteuerumlage von 28 % auf 20 % abzusenken. Das hatte zur Folge, dass den niedersächsischen Kommunen 300 Millionen Euro jährlich mehr zur Verfügung gestanden haben. Wenn Sie einmal nachrechnen - 2005, 2006, 2007, 2008, 2009 - fünf Jahre mal 300 Millionen Euro -, sind den niedersächsischen Kommunen 1,5 Milliarden Euro zusätzlich zur Verfügung gestellt worden.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP - Hartmut Möllring [CDU]: Und die SPD hat damals dagegen gestimmt!)

- Und die SPD hat damals dagegen gestimmt! Das ist schon interessant.

All die anderen Maßnahmen will ich gar nicht darstellen.

Es ist schon interessant, dass Sie nach 2004 nun zum zweiten Mal den Antrag stellen, einen sogenannten Stabilisierungsfonds einzuführen. 2004 konnten Sie noch nicht genau wissen, was in Rheinland-Pfalz passiert. Aber inzwischen liegen

die Ergebnisse aus Rheinland-Pfalz vor, und zwar einschließlich der Stellungnahmen der kommunalen Spitzenverbände. Ich hätte Ihnen geraten, diese Ergebnisse erst einmal zur Kenntnis zu nehmen, bevor Sie den Antrag erneut einbringen.

Sie schlagen vor, dass das Land im Jahr 2010 300 bzw. 400 Millionen Euro in diesen Fonds einspeist. Wie Sie das finanzieren wollen, dazu treffen Sie keine Aussage. Also: über Kredite des Landes. - Schon das ist unverantwortlich.

Das Perfide an der ganzen Sache aber ist - das ist nämlich das Prinzip aus Rheinland-Pfalz -, dass die Kommunen das später selbst bezahlen sollen. Dieser Betrag wird nämlich nur als Darlehen zur Verfügung gestellt. In Rheinland-Pfalz geschah das zwar bis 2007 zinslos, ab 2008 dann allerdings zu den üblichen Zinsen. Das führte dazu, dass die Verbindlichkeiten der rheinland-pfälzischen Kommunen mittlerweile 631 Millionen Euro betragen. Das entspricht 40 % der garantierten Finanzausgleichsmasse des Landes Rheinland-Pfalz.

Wenn das Ganze also von den Kommunen auch noch selbst finanziert werden soll, haben wir damit eine dritte Säule der Verschuldung: normale Verbindlichkeiten, Kassenkredite und dann auch noch einen Schattenhaushalt; andere sagen dazu Nebenhaushalt. Zum Thema Schattenhaushalt habe ich gestern von Ihrer Seite einiges gehört. Es ist schon interessant, dass Sie genau das bei den Kommunen fordern. Aus diesem Grunde, meine Damen und Herren, muss man sich auch nicht wirklich ernsthaft damit beschäftigen.

Ich möchte Ihnen nur noch darlegen, was die kommunalen Spitzenverbände in Rheinland-Pfalz dazu sagen. Zunächst der Landkreistag:

„Die Deckelung des Finanzausgleichs hatte nämlich zur Folge, dass 2007 die rheinland-pfälzischen Kommunen trotz der wachsenden Steuereinnahmen von Bund, Ländern und Kommunen als einzige einen negativen Finanzierungssaldo aufwiesen und der Kassenkreditbestand der rheinlandpfälzischen Kommunen weiter wuchs.“

Weiterhin die kommunalen Spitzenverbände:

„Es ist aus kommunaler Sicht keineswegs vertretbar, dass das Land den kommunalen Finanzausgleich deckelt und ein Guthaben im Stabilisierungsfonds aufbaut, während die Kommu

nen mit wachsenden Liquiditätskrediten und Zinsbelastungen zu kämpfen haben. Aus heutiger Sicht ist festzustellen, dass alle Befürchtungen, die in Verbindung mit der Einführung des Stabilisierungsfonds geäußert wurden, eingetreten sind. Der Stabilisierungsfonds hat durch die kreditweise Gewährung von Finanzausgleichsleistungen zu einer dritten Säule kommunaler Verschuldung geführt. Es kann nicht Aufgabe des kommunalen Finanzausgleichs sein, zur Aufgabenerfüllung unabdingbar erforderliche Finanzzuweisungen des Landes durch Kredite zu ersetzen.“

Abschließend der Städtetag:

„Die Finanzierung erfolgt vielmehr aus dem Finanzausgleich selbst heraus, indem der Zeitraum bis zur Tilgung der kreditierten Mittel aus dem Stabilisierungsfonds verlängert wird. Zu einer nachhaltigen Entlastung der Kommunen oder gar einer Behebung der kommunalen Finanzkrise in Rheinland-Pfalz können die Veränderungen daher nicht beitragen.“

Das Ganze war also ein gigantischer Flop. Und das wollen Sie hier in Niedersachsen einführen? Da kann ich Ihnen nur sagen: Erkundigen Sie sich erst einmal, und machen Sie dann vernünftige Vorschläge.

Wir müssen sehen, dass wir die Probleme auf der kommunalen Ebene in den Griff bekommen. Da ist es schon sinnvoll, dass wir mit den kommunalen Spitzenverbänden an einem Zukunftsvertrag arbeiten. Wir wollen die Probleme nicht durch eine gigantisch höhere Verschuldung von 400 Millionen Euro im Jahr 2010 lösen. Wir beabsichtigen vielmehr, die Kommunen, die besondere Probleme haben, zielgerichtet zu unterstützen, indem wir bei ihnen die Kassenkredite reduzieren. Das ist verantwortungsvolle Politik.

Herr Aller, wissen Sie, warum die niedersächsischen kommunalen Spitzenverbände nicht gejubelt haben? Sie sind höflich. Sie kennen nämlich die Stellungnahmen aus Rheinland-Pfalz.

Also, ziehen Sie den Antrag zurück! Das ist nicht der richtige Weg.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, es liegen keine weiteren Wortmeldungen vor. Wir sind am Ende der Beratung.

Der Ältestenrat empfiehlt, den Antrag an den Ausschuss für Inneres, Sport und Integration zu überweisen. So wie mir vermittelt wurde, soll der Antrag zusätzlich an den Ausschuss für Haushalt und Finanzen überwiesen werden. - Ich sehe keinen Widerspruch. Das ist so beschlossen.

Ich rufe den Tagesordnungspunkt 19 auf:

Einzige (abschließende) Beratung: a) Kulturelle Teilhabe für alle Kinder und Jugendlichen sichern: Freier Eintritt zu den Landesmuseen - Antrag der Fraktion der SPD - Drs. 16/903 - b) Kulturelle Teilhabe für alle Kinder und Jugendlichen sichern: Zugangshürden zu Museen abschaffen - Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen - Drs. 16/1407 - Beschlussempfehlung des Ausschusses für Wissenschaft und Kultur - Drs. 16/1698

Die Beschlussempfehlung des Ausschusses lautet auf Annahme in geänderter Fassung.

Eine Berichterstattung ist nicht vorgesehen.

Damit kommen wir zur Beratung. Zunächst hat sich Frau Behrens von der SPD-Fraktion gemeldet. Ich erteile ihr das Wort. Frau Behrens!

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir haben uns in dieser Woche - wie bereits in vielen Plenarwochen des Landtages - intensiv über gerechte Bildungschancen und Teilhabe von Kindern und Jugendlichen unterhalten.

Auch der Antrag der SPD-Fraktion, der die Abschaffung des Eintrittsgelds in den Landesmuseen für Kinder und Jugendliche bis 18 Jahre vorsieht, lässt sich in diese Rubrik einordnen. Es geht darum, den Ort Museum als lebendige Bildungseinrichtung zu nutzen, ihn zu öffnen, und zwar unabhängig davon, ob die Eltern das Geld für den Eintritt haben, ob sie gewohnt sind, ins Museum zu gehen, oder ob es an Kindertagesstätten oder Schulen überhaupt Projekte in diesem Bereich gibt.

Wir möchten Ihnen empfehlen, heute ein Signal zu geben. Dieser Landtag könnte sich in einer Debat

te, die überall in Deutschland und darüber hinaus läuft, an die Spitze der Bewegung setzen, indem er das Eintrittsgeld an unseren Landesmuseen abschafft. Damit wären wir an der Spitze der Bewegung und müssten nicht immer die bisherigen mageren Ergebnisse in unseren Politikbereichen schönreden. Ich finde, das wäre ein tolles Signal.

(Beifall bei der SPD)

Museen bieten einen idealen Bildungsraum. Man kann dort sehr niedrigschwellig zusammen mit Kindern und Jugendlichen charmante Bildungsprojekte durchführen. Auch die Enquetekommission „Kultur in Deutschland“ des Bundestages hat den Bundesländern empfohlen, gerade was den Zugang zu kultureller Teilhabe für Kinder und Jugendliche angeht, Entwicklungen aufzuzeigen und Projekte auf den Weg zu bringen, um die in Deutschland auf diesem Gebiet bestehende große Lücke zu schließen.

Viele Untersuchungen zeigen - u. a. eine Untersuchung des Instituts für Museumskunde -, dass das Museum in Deutschland heute ein Ort der Abgrenzung ist; denn 5 % der Besucher eines Museums sind in der Regel Hauptschulabsolventen, 5 % kommen aus dem Facharbeitermilieu und 85 % stammen aus Akademikerfamilien. Das heißt, die Museen sind für bestimmte Bevölkerungsgruppen gar nicht richtig geöffnet. Durch die Abschaffung der Eintrittsgelder könnte die Möglichkeit eröffnet werden, dies abzumildern. Es ist nicht die einzige Möglichkeit, aber eine wichtige. Es wäre ein Signal dahin, dass wir alle in unseren Museen haben wollen, unabhängig davon, wie in den Elternhäusern darüber gedacht wird.

(Beifall bei der SPD)

In anderen europäischen Ländern und darüber hinaus ist die Abschaffung von Eintrittsgeldern in Museen inzwischen fast Standard. Von guten Erfahrungen ist aus den USA, aus England, Frankreich und Dänemark zu berichten. Es gibt auch deutsche Kommunen, in denen man mit Projekten, in deren Rahmen es eine Eintrittsfreiheit an einem bestimmten Tag, in einer bestimmten Woche oder über einen bestimmten Zeitraum gab, gute Erfahrungen gemacht hat. Auf jeden Fall ist ein erheblicher Zuwachs bei den Besucherzahlen zu verzeichnen. Das sind nicht immer nur die, die wir uns vermehrt in den Museen wünschen. Es gehen auch viele einfach nur öfter hin. Das ist aber nicht schlimm. Entscheidend ist - das machen alle Untersuchungen deutlich -, dass mit dem Wegfall einer solchen Eintrittshürde auch Leute erreicht

werden, die bisher nicht ins Museum gegangen sind.

Unsere Forderungen haben wir im Antrag klar formuliert. Wir wollen eine Eintrittsfreiheit für alle bis 18 Jahre, für Kindertagesstättengruppen, für Schulklassen und für Jugendgruppen. Alle diejenigen, die mit Schule und Kindergarten zu tun haben, wissen, wie viel Aufwand damit verbunden ist, wenn Lehrerinnen und Lehrer oder Erzieherinnen und Erzieher, die einen Projekttag oder Besuchstag planen, Geld einsammeln müssen. Dieser ganze Kram, den man da machen muss, müsste wegfallen. Das würde es z. B. auch Schulklassen erleichtern, in ein Museum zu gehen.

Natürlich darf ein solches Projekt nicht zulasten der Landesmuseen gehen, weil deren Etat ohnehin sehr eng gestrickt ist. Das müssen wir ausgleichen. Wir haben im Ausschuss sehr lange darüber beraten. Es ist davon auszugehen, dass die Eintrittsfreiheit pro Landesmuseum zu Kosten in Höhe von 50 000 bis 60 000 Euro führen würde. Sie sehen also, es handelt sich, über das Jahr gerechnet, um einen überschaubaren Betrag.

Wir haben uns im Ausschuss auch sehr lange darüber unterhalten, wie man neben der Eintrittsfreiheit für die Museen die museumspädagogische Arbeit unterstützen kann. Diese Arbeit wird in Niedersachsen schon in sehr guter Form geleistet. In den Museen macht man sich sehr viele Gedanken, und es werden sehr gute Projekte durchgeführt, um Kinder und Jugendliche für einen Museumsbesuch zu gewinnen und mit ihnen zu arbeiten. Für uns sind Museumspädagogik und Eintrittsfreiheit kein Widerspruch. Wir sind der Meinung, beides ist möglich. Die Museumspädagogik wird nicht durch die Eintrittsfreiheit ersetzt. Aber die Eintrittsfreiheit ist ein wichtiges Signal und die Grundlage dafür, um mit Kindern und Jugendlichen im Museum zu arbeiten.

Deswegen finden wir den Antrag der Grünen in diesem Punkt sehr gut. Wir sind der Meinung, dass man in Bezug auf die Museumspädagogik weiterhin sehr viel machen kann. Aber die Eintrittsfreiheit nur auf einen bestimmten Tag oder Bereich zu begrenzen, halten wir für nicht weitgehend genug. Deswegen sagen wir: Beides passt zusammen, und beides muss auch durchgesetzt werden.

Ich war - das will ich ganz offen sagen -, als wir den Antrag im Januar in den Landtag eingebracht haben, eigentlich sehr hoffnungsvoll, dass wir in der Debatte im Ausschuss zu Lösungsmöglichkeiten kommen. Wir haben eine gute Debatte geführt;

das möchte ich ausdrücklich sagen. Wir haben uns gut unterrichten lassen. Wir haben mit Experten diskutiert und uns vorstellen lassen, was es schon gibt. Ich glaube, dass wir zumindest einen guten Überblick darüber bekommen haben, was heute an den Museen in Niedersachsen schon läuft und wie man den Antrag, den wir gestellt haben, vielleicht umsetzen könnte.

Deswegen waren wir auch sehr froh, als CDU und FDP gesagt haben, sie wollten sich auch damit beschäftigen und einen eigenen Vorschlag vorlegen. Dieser Vorschlag liegt Ihnen nun als Beschlussempfehlung des Ausschusses vor. Diese lässt sich auf einen Satz reduzieren: Der Landtag bittet die Landesregierung, die Museumspädagogik an den Landesmuseen zu unterstützen. In Zielvereinbarungen soll das dann weiter gestärkt werden.