Sie hat die Studierenden unter Dauerdruck gesetzt, der freien Lehre beraubt, in Zeit- und Geldnot versetzt und Versagensängste zum Alltag gemacht.
Die Hochschulen wurden auf die Bedürfnisse der Wirtschaft, die Studiengänge auf die sogenannte Employability und die Hochschulbildung wurde auf einen kurzfristigen Bedarf des Arbeitsmarktes ausgerichtet.
Stand früher eine wissenschaftliche Ausbildung im Vordergrund, so ist es heute die Beschäftigungsfähigkeit der Studierenden.
Die Studierenden werden zu Kunden degradiert, die für diese Beschäftigungsfähigkeit auch noch Studiengebühren bezahlen müssen.
(Christian Dürr [FDP]: Kunde ist bes- ser als Bittsteller! Er will, dass Studie- rende wieder Bittsteller werden! - Un- ruhe - Glocke des Präsidenten)
Viele Hochschulen verkommen auf diese Weise zu besseren Berufsakademien. Für die meisten Studierenden ist das Bachelorstudium schlichtweg eine Zumutung.
Denn es bedeutet, dauernd Lehrpläne abzuarbeiten, dauernd geprüft zu werden, dauernd unter Druck zu stehen, und das alles mit weniger Zeit, mit weniger Auswahl und mit höheren Hürden. Jede Note hat eine Auswirkung auf das Abschlussergebnis, und für den Master wird am Ende gnadenlos ausgesiebt. Das ist Bulimielernen par excellence!
Meine Damen und Herren, vor uns liegt ein bildungspolitischer Scherbenhaufen. Dieser Scherbenhaufen ist aber kein Versehen und kein Unfall, sondern er ist die logische Konsequenz einer völlig vermurksten Reform.
Es ist ein Irrwitz, dass sich ausgerechnet Wissenschaftsminister Stratmann als Retter in höchster Not und Speerspitze der Protestbewegung aufspielt. Er behauptet ernsthaft, dass mit seiner Bologna-Initiative und dem KMK-Beschluss aus dem Oktober zur Korrektur des Bologna-Prozesses auch nur ein Problem gelöst würde. Ich wünschte, so wäre es, Herr Stratmann! Doch Ihre Vorschläge sind vollkommen unzureichend und tragen nicht dazu bei, die zahlreichen Probleme an den Hochschulen zu lösen.
Zahlreiche Kritikpunkte nehmen Sie nicht einmal zur Kenntnis. Kein Wort zu den negativen Folgen der Studiengebühren, obwohl deren Abschaffung eine zentrale Forderung der Studierenden ist!
Keine Silbe zu den Problemen bei der Studienfinanzierung, zum Bedeutungsverlust des BAföG, zum Mangel an Mitbestimmung und Hochschul
Eine entscheidende Stellschraube, um den Druck aus dem Bachelor zu nehmen, ist der freie Masterzugang für alle Bachelorabsolventen. Auch das ist eine zentrale Forderung der Studierenden, die sich in allen Positionspapieren wiederfindet. Selbst Ihre Parteifreundin und Bundesbildungsministerin Annette Schavan hat ausgeführt, dass „weder Quote noch Note“ den Zugang zum Master behindern dürften.
Aber auch dazu finden wir keinen Vorschlag von Ihnen, Herr Stratmann. Sie verweigern sich sogar jeder Debatte um Gesetzesänderungen. Ich zitiere aus Ihrem Interview mit dem deutschlandradio vor wenigen Tagen:
„Vielleicht wird es Länder geben, die das über gesetzgeberische Maßnahmen machen, das werden wir in Niedersachsen nicht tun, das entspricht nicht unserem Verständnis von autonomen Hochschulen.“
Herr Stratmann, Ihre Vorschläge verdienen das Wort „Reform“ nicht. Sie sind nicht einmal ein Reförmchen, sondern eine Bankrotterklärung.
Wenn es Ihnen nicht gelingt, die wesentlichen Probleme an den Hochschulen in kurzer Zeit zu lösen, dann werden die Studierendenproteste eine ganz neue Qualität annehmen, wenn der doppelte Abiturjahrgang vor den Türen der Hochschulen steht und nicht genügend Plätze bekommt.
Herr Stratmann, Sie sind nicht die Speerspitze der Protestbewegung - Sie sind die Speerspitze und der Gipfel der Untätigkeit!
Da die Punkte a und c gemeinsam beraten werden, erteile ich jetzt dem Kollegen Nacke von der CDU-Fraktion das Wort.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Kollege Perli, ein Satz vorweg: Ich glaube, dass Sie den Studierenden an unseren Hochschulen und denjenigen, die jetzt ihre Forderungen
formulieren, unrecht tun, wenn Sie jetzt versuchen, sie für ihre sozialistische Ideologie zu vereinnahmen.
(Beifall bei der CDU und bei der FDP - Widerspruch bei der LINKEN - Dr. Manfred Sohn [LINKE]: Glauben heißt nicht wissen!)
Ich glaube, dass es sehr deutlich wird, dass die Ziele des sogenannten Bologna-Prozesses, also dessen, was in der italienischen Hochschulstadt Bologna vereinbart wurde, nach wie vor unbestritten sind. Die europäische Vergleichbarkeit der Abschlüsse ist in einem gemeinsamen Markt von zwingender Bedeutung, in dem Mobilität entstehen soll.
Ein Zweistufensystem mit qualifizierenden Abschlüssen in einem Studium einzuführen, ist richtig gegenüber dem bisherigen System fünfjähriger Studiengänge mit einer Abschlussprüfung - auf die es allein ankam und die einen zurückließ, wenn man es nicht geschafft hatte - und einer Zwischenprüfung, die zwar das Weiterstudieren verhindern konnte, aber ansonsten keine Auswirkungen hatte.
Es ist auch richtig, Prüfungsleistungen auch während des Studiums abzufragen, weil es dadurch eine Entspannung und nicht mehr den Effekt gibt, dass kurz vor der entscheidenden Prüfung extrem gebüffelt werden muss, zwischendurch aber keine Leistungen erzielt werden können.
Aber es gibt Probleme bei der nationalen Umsetzung, und zwar nicht nur in Niedersachsen und nicht nur in Deutschland, sondern europaweit, wie die europaweiten Proteste deutlich machen.
Das ist eine besondere Herausforderung für ein föderales System mit 16 Bundesländern in der Bundesrepublik Deutschland, die sich in solchen Fragen im Wesentlichen über die Kultusministerkonferenz verständigen müssen.
Ferner ist das eine besondere Herausforderung für weitgehend unabhängige Hochschulen, von denen wir gleichzeitig fordern, Profile zu bilden und herauszuarbeiten, die das auch tun, indem sie in Bachelorstudiengängen eine Spezialisierung anbieten, um ein Alleinstellungsmerkmal zu entwickeln.
Das hat zu weniger Mobilität statt zu mehr Mobilität geführt, zumindest während des Studienverlaufes. Das hat allerdings zu mehr Mobilität nach Ab
Natürlich haben die vielen Prüfungen, die jetzt angesetzt werden, zu einer Verschulung des Systems geführt. Das wird kritisiert. Eine Studierende in Oldenburg hat gesagt: Ich wollte an eine Universität und fand wieder eine Schule vor. - Das kann nicht das Ziel universitärer Ausbildung sein. Das ist eine richtige Kritik.
Natürlich ist es zu Problemen gekommen. Wenn man bislang Studiengänge hatte, insbesondere auch an Fachhochschulen, die auf acht Semester ausgelegt waren, die dann reduziert wurden, indem beispielsweise nur die Praxisphase gestrichen und das, was dann noch übrig blieb, auf die übrigen sechs Semester verteilt wurde, dann wurde damit der Leistungsdruck erhöht. Wenn das der Umsetzungsprozess war, dann führt das eindeutig zu Schwierigkeiten.
Deswegen können wir froh und dankbar sein, dass diese Umsetzungsprozesse angegangen werden. Heute tagt die Hochschulrektorenkonferenz in Leipzig und widmet sich genau diesem Problem. Insbesondere der Minister aus Niedersachsen, Lutz Stratmann, hat einen Zehnpunkteplan entwickelt, mit dem genau diese Probleme angegangen werden. Ich bin mir sicher, dass er gleich genauer auf diesen Plan eingehen wird.
Niedersachsen ist an dieser Stelle Vorreiter. Da ist natürlich der Versuch naheliegend, das schlechtzureden. Aber dies wird Ihnen nicht gelingen, Herr Perli. Sie sind hier nicht in Übereinstimmung mit weiten Teilen der Presse in ganz Deutschland. Das sollten Sie vielleicht noch einmal nachlesen.
Wer sieht, wer hört und wer erkennt, wie die Kultusministerkonferenz arbeitet, der weiß, dass es nahezu an ein Wunder grenzt, dass es Lutz Stratmann gelungen ist, dass die Kultusministerkonferenz, die Beschlüsse nur einstimmig fassen kann, also mit SPD und - mit Verlaub - teilweise sogar mit den Linken Beschlüsse fassen muss, gemeinsam in wenigen Wochen den Beschluss gefasst hat, den Vorschlägen von Lutz Stratmann zu folgen. Herzlichen Dank für diese Weiterentwicklung, für diese führende Rolle von Niedersachsen!
Um es in drei Sätzen zusammenzufassen: Ja, der Bologna-Prozess ist ohne Alternative, wie es in unserem Antrag zur Aktuellen Stunde heißt. Ja, die Studierenden haben recht, wenn sie eine bessere Umsetzung einfordern, wenn sie heute ihre Proteste formulieren. Ich finde, sie machen das in herausragender Art und Weise. Sie machen deutlich, was sie wollen. Aber sie machen es nicht in irgendeiner kriminalisierten Form, wie sie Ihnen möglicherweise lieber wäre.