Bei den Kommunalwahlen haben wir leider Gottes teilweise in einigen Regionen zu viele Stimmen für die Rechtsextremen verzeichnen müssen. Ich bin aber sehr froh, dass es auch mithilfe der Beratung durch den Verfassungsschutz gelungen ist, den Kommunalpolitikern Strategien an die Hand zu geben, wie sie vor Ort reagieren können. Wir haben sie nicht allein gelassen. Das ist meiner Ansicht nach ein ganz wichtiger Punkt.
Jetzt zum konkreten NPD-Verbotsverfahren: Herr Briese, dazu muss ich Ihnen sagen, dass die Fachleute aus den Landesämtern für Verfassungsschutz, aber auch dem Bundesamt für Verfassungsschutz eine einheitliche Auffassung haben. V-Leute aus der NPD-Szene abzuziehen, wäre fatal, weil man dann wirklich auf dem rechten Auge blind würde. Man bekäme nicht die Informationen, wenn eine Verknüpfung zwischen Kameradschaften und der NPD stattfindet und wenn es Verabredungen gibt, wie man tatsächlich an Jugendliche herangehen will. Das sind ganz entscheidende Punkte, über die sich alle Verfassungsschutzämter einig sind, übrigens auch alle Innenminister bis auf einen, den Innensenator von Berlin, Herrn Körting, der aus seiner Sicht gesagt hat, er brauche diese Informationen nicht. Sein Landesamt sieht das anders. Aber ein Innenminister ist ja frei, das auch ohne die Fachebene so zu entscheiden.
Für mich ist wichtig, darzustellen, was das Bundesverfassungsgericht tatsächlich entschieden hat: Wenn V-Leute nicht aus der Führungsebene abgezogen werden, ist es unmöglich, ein Verbotsverfahren zu betreiben. Da sind wir uns einig, Frau Leuschner; das ist so dargestellt worden.
Die Sammlung der fünf SPD-Innenminister, die Sie immer wieder anführen, kann nicht als Grundlage für ein Verbot der NPD genutzt werden. Dies ist von den SPD-Innenministern sehr schnell richtiggestellt worden. Es ist eine wertvolle Sammlung; das ist überhaupt keine Frage. Von Innenminister Hövelmann aus Sachsen-Anhalt ist dargestellt worden, dass es gerade für die politische Bildung an Schulen und in anderen Bereichen sinnvoll ist,
diese Materialsammlung zu nutzen. Aber für ein NPD-Verbotsverfahren ist sie schlichtweg ungeeignet. Sie ist auch dem Bundestag zur Verfügung gestellt worden. Der Bundestag ist ebenfalls antragsberechtigt, was ein NPD-Verbotsverfahren angeht. Auch dort ist festgestellt worden, dass diese Materialsammlung keine ausreichende Grundlage darstellt. Dies muss man zur Kenntnis nehmen. Wenn man hier etwas anderes behauptet, dann ist man nicht richtig informiert, und man weckt damit Hoffnungen, die überhaupt nicht eingelöst werden können.
Ich halte es für richtig, dass wir auf der Innenministerkonferenz - wir werden es in der nächsten Woche „im Kamin“ tun - darüber reden, wie wir im Kampf gegen Rechtsextremismus weiter vorgehen können. In diesem Zusammenhang ist hier ein ganz entscheidender Punkt richtig dargestellt worden.
(Heiterkeit - Wolfgang Jüttner [SPD]: Die lachen wegen „im Kamin“! - Unru- he - Glocke des Präsidenten)
- Das ist ein so ernstes Thema, dass ein solcher Versprecher nicht unbedingt Heiterkeit auslösen muss. Aber wenn dies der Fall ist, tut es mir leid.
Für mich ist wichtig, einen Punkt besonders zu untersuchen - dies ist mir genauso ein Anliegen wie Ihnen -, dass die NPD nicht über eine Parteienfinanzierung verfügt und damit ihre Kampagnen planen kann. Es ist wert, in Ruhe darüber nachzudenken. Sie wissen, dass ich dazu ein Gutachten in Auftrag gegeben habe. Eine Umsetzung ist nur möglich, wenn wir das Grundgesetz ändern. Dafür brauchen wir eine Zweidrittelmehrheit; das ist völlig klar. Das ist ein schwerwiegender Eingriff. Aber ich glaube, die Parteienfinanzierung der NPD ist ein Punkt, bei dem man über so etwas zumindest ernsthaft nachdenken kann.
Ich bin froh, dass die SPD ähnlich denkt und über die Friedrich-Ebert-Stiftung ebenfalls ein Gutachten in Auftrag gegeben hat. Herr Wiefelspütz hat im Vorfeld der Innenministerkonferenz darüber gesprochen, dass man diesen Weg ganz ernsthaft prüfen sollte. Dies werden wir in der nächsten Woche tun. Die Friedrich-Ebert-Stiftung hat bei ihrem Gutachten einen anderen Weg beschritten und gesagt, dass die NPD von ihrem Parteiaufbau her so undemokratisch ist, dass sie keine Parteienfi
nanzierung bekommen darf. Das ist eine ganz kurze, unfachmännische Darstellung des Ergebnisses. Wir sind von einem anderen Ansatz ausgegangen und sagen, dass es klare Bestrebungen gibt, die zeigen, dass die NPD verfassungswidrig ist. Insofern bevorzugen wir einen dritten Weg. Ich will nicht sagen, dass dies schon der Königsweg ist. Aber wenn wir feststellen, dass ein NPD-Verbot kurzfristig nicht möglich ist, dann ist es meiner Ansicht nach sinnvoll, auch über Alternativen nachzudenken.
Gleichwohl bin ich froh, dass hier dargestellt worden ist, dass wir auch dann, wenn die NPD verboten wäre, im Kampf gegen Rechtsextremismus noch nicht alles, sondern vielleicht nur einen ganz kleinen Schritt erreicht hätten. Wir müssen nämlich feststellen, dass die NPD immer weniger Einfluss in der rechten Szene hat. Sie ist nicht mehr die Partei, die in diesem Bereich als Führung anerkannt wird, was übrigens die Beobachtung der rechtsextremen Szene nicht erleichtert. Die Kameradschaften und gerade auch die Rechtsextremen, die im Bereich der gewaltbereiten Autonomen tätig werden, stellen ein Phänomen dar, das uns ganz besonders berührt und das wir aufmerksam verfolgen müssen.
Unter dem Strich glaube ich, dass es sinnvoll ist, dass wir hier im Parlament, aber auch darüber hinaus darüber nachdenken, welche Präventivmaßnahmen ergriffen werden müssen, um den Rechtsextremismus erfolgreich zu bekämpfen. Wir haben über den Verfassungsschutz hervorragende Möglichkeiten gefunden und über eine NEIS-Stelle unsere Aktivitäten noch weiter ausgebaut. Wir können dies nicht allein auf Landesebene machen, sondern müssen eine Verknüpfung gerade mit der kommunalen Ebene erreichen. Hier gibt es hervorragende Initiativen. Sie zu bündeln und auch von der Landesebene her zu beraten, ist nach meinem Dafürhalten genau der richtige Weg.
Prävention ist in diesem Zusammenhang das Entscheidende, damit unsere Jugendlichen nicht von diesen rechtsextremen Ideologien in irgendeiner Weise beeinflusst werden. Ich bin froh, dass wir es über die Schulen, aber auch über Erwachsenenbildungseinrichtungen und andere Bereiche schaffen, dass der Rechtsextremismus in Niedersachsen keinen Fuß in die Tür bekommt, und dass es bei uns so viele Engagierte gibt.
Abschließend sage ich: Wenn von diesem Parlament endlich einmal ein gemeinsamer Appell käme und nicht nur Streit darüber entstünde, ob man hier mehr oder dort weniger tut, könnte man insgesamt das Signal aussenden, dass Rechtsextremismus in unserem Lande keine Chance haben darf.
Nach § 71 Abs. 3 unserer Geschäftsordnung erteile ich der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen zusätzliche Redezeit von anderthalb Minuten. Herr Kollege Limburg hat das Wort.
Vielen Dank, Herr Präsident. - Meine Damen und Herren! Herr Schünemann, Sie haben erneut davon gesprochen, dass es Ihnen ein Anliegen sei, gerade beim Thema Rechtsextremismus in diesem Parlament zu einem gemeinsamen Antrag zu kommen. Ich weiß nicht genau, wie es um Ihr Gedächtnis steht. Aber vielleicht darf ich Sie daran erinnern, dass es Ihre Fraktion war - maßgeblich unter Ihrer Einflussnahme -, die verhindert hat, dass es in diesem Hause zu einer alle Fraktionen umfassenden Erklärung gegen den NaziAufmarsch in der Landeshauptstadt Hannover am 1. Mai gekommen ist. Sie haben das verhindert, Herr Schünemann, und niemand anders.
Zu Ihnen, Herr Kollege Biallas: Sie haben vorhin von diesem Platz aus unterstellt, in diesem Hause gebe es Personen, die früher Mitglieder der SED gewesen seien.
(Björn Thümler [CDU]: Nein, das hat er doch überhaupt nicht gesagt, ver- dammt! Mein Gott noch einmal!)
Ich darf einmal unterbrechen, Herr Kollege! - Wer im Rahmen dieser Diskussion was gesagt hat, wird anhand des Protokolls geklärt werden. Daher bitte ich jetzt, mit weiteren Schuldzuweisungen zurückhaltend zu sein. Wir werden anhand des Protokolls
exakt klären, welche Ausführungen heute vom Kollegen Biallas und von anderen gemacht worden sind. Ich bitte jetzt also um etwas Zurückhaltung.
Noch zwei Sätze dazu: Herr Kollege Biallas, Sie wissen, ich habe Verständnis dafür, wenn man sich hier vorne am Rednerpult einmal vergaloppiert; das kann passieren. Aber wenn Sie ein Stück Souveränität hätten, wären Sie für einen nächsten Redebeitrag hierher gegangen und hätten gesagt, dass Sie nicht die SED, sondern die DKP gemeint haben. Dann wäre das Ganze gegessen gewesen. Diese Souveränität hatten Sie nicht. Das empfinde ich als sehr bedauerlich. Diese Art und Weise vergiftet das politische Klima in diesem Hause.
Zusätzliche Redezeit nach § 71 Abs. 3 erhält die Fraktion DIE LINKE. Ich erteile dem Kollegen Adler das Wort. Sie haben ebenfalls anderthalb Minuten.
- Ich bitte darum, dass trotz der Emotionen etwas mehr Ruhe im Plenarsaal einkehrt. Sie sollten sich daher noch etwas Zeit lassen, Herr Kollege Adler. - Bitte schön!
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Minister, Sie haben eben wieder die Möglichkeit angesprochen, unterhalb der Schwelle eines Parteienverbots einer Partei die finanzielle Grundlage durch eine Änderung des Grundgesetzes zu entziehen. Ich erinnere an Ihre ursprüngliche Anregung zu diesem Thema; seinerzeit wollten Sie das sogar ohne Grundgesetzänderung machen. Dass dies nicht geht, hätte ich Ihnen damals gleich sagen können. Dazu brauchten Sie kein wissenschaftliches Gutachten einzuholen.
Aber ich will Sie auf folgendes Problem hinweisen, das Sie bei Ihrem Vorschlag einmal bedenken sollten: Das Bundesverfassungsgericht hat im SRP-Urteil die Grundprinzipien der freiheitlichen demokratischen Grundordnung definiert. Wenn Sie sich den Katalog von Grundprinzipien einmal ansehen, dann werden Sie feststellen, dass zu ihnen die Chancengleichheit der politischen Parteien gehört. Das heißt, Ihr Vorschlag verstößt nicht nur
gegen das gegenwärtige Grundgesetz, er verletzt auch die freiheitliche demokratische Grundordnung im Sinne des Grundgesetzes.
(Beifall bei der LINKEN - Minister Uwe Schünemann meldet sich zu Wort - Karl-Heinz Klare [CDU]: Uwe, lass es sein! - Ulf Thiele [CDU]: Fazit: Adler will, dass die NPD weiter das Geld bekommt! - Gegenruf von Wolfgang Jüttner [SPD]: Das ist eine dieser Schlussfolgerungen, die an Peinlich- keit nicht zu überbieten sind!)
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich verstehe nicht, Herr Limburg, dass Sie mir immer wieder die gleiche Steilvorlage geben. Wir haben diese Debatten hier so oft. Sie haben beim letzten Mal genauso gesagt, ich hätte dazu beigetragen, dass es hier keine einheitliche Beschlussfassung zur Demonstration am 1. Mai gegeben hat. Sie wissen, dass es gerade auch zum 1. Mai immer eine Auseinandersetzung zwischen Links- und Rechtsextremismus gegeben hat. Deshalb war es sinnvoll, dass unsere Seite des Hauses darauf hingewiesen hat, dass alles dafür getan werden muss, dass diese Demonstration friedlich ist, und dass man sich auch gegen linksextreme Gewalttäter wenden muss.
Nur diese kleine Passage ist aufgenommen worden. Denn wenn wir uns einig sind, dass es richtig ist, dass in Hannover friedlich gegen den Rechtsextremismus demonstriert wird, dann ist es - - -