Protokoll der Sitzung vom 14.12.2009

Herr Kollege, gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Nein, ich möchte das zu Ende führen.

Nachdem der Manipulationsvorwurf nicht mehr zu halten war, wird stattdessen eine völlig neue Begründung für die Forderung nach dem Ministerrücktritt nachgeschoben. Nach dem Fehlschlag bei der ersten Begründung folgte also ein zweiter Versuch mit einer neuen Begründung. Entscheidend soll jetzt die schleppende, zögerliche Herausgabe der Akten durch das Umweltministerium sein.

Die Rechtslage, meine Damen und Herren, ist so, wie sie ist. Die Akten sind natürlich unverzüglich vorzulegen, allerdings unter Berücksichtigung der Interessen der Landesregierung nach Artikel 24 Abs. 3.

(Zuruf von Hans-Dieter Haase [SPD])

Dabei geht es um schutzwürdige Interessen Dritter, Herr Haase, und um den Kernbereich der Exekutive. Den Katalog haben wir x-mal besprochen.

Meine Damen und Herren, mitunter sind bis zu 50 Bedienstete des MU eingesetzt worden, um die Aktenvorlagen zu bewerkstelligen,

(Zuruf von Helge Limburg [GRÜNE])

um die Akten intensiv zu lesen, zu paginieren und zu kopieren. Bis jetzt sind 1 138 Akten vorgelegt worden. Übrigens sind das auf einen Monat bezogen im Durchschnitt mehr Akten, als das Bundesumweltministerium vorgelegt hat. Die Mitarbeiter im MU haben erstklassige Arbeit geleistet - sie einer Straftat zu verdächtigen, ist absurd. Wir sollten ihnen danken, anstatt sie zu beschimpfen.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Wenn Sie ernsthaft der Auffassung sind, die Akten seien nicht unverzüglich vorgelegt worden, dann kann ich Sie nur ermuntern - das haben wir auch schon x-mal besprochen -, nach Bückeburg zum Staatsgerichtshof zu gehen. Nach allem, was wir wissen, kann ich Ihnen da nur viel Spaß wünschen.

Meine Damen und Herren, die Menschen haben die Nase voll von Taktieren und Gezanke. Wir sollten zur ehrlichen Aufklärungsarbeit zurückkehren.

(Gerd Ludwig Will [SPD]: Das fangen Sie mal an!)

Herr Tanke, Ihnen wünsche ich erholsame Weihnachtsferien - mit Betonung auf „erholsam“.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP - Heiner Bartling [SPD]: Das ist aber nett von Ihnen! - David McAllister [CDU]: Ganz schwerer Tag für Tan- ke!)

Meine Damen und Herren, für die Fraktion der Grünen hat sich jetzt Herr Wenzel gemeldet. Bitte!

Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Herr Langspecht, Sie sprechen über die Form, ich sage etwas zu den Inhalten:

2002 forderte der agrarpolitische Sprecher der FDP im Bundestag, Herr Heinrich, den Rücktritt der Grünen-Ministerin Renate Künast, weil sie, wie Herr Heinrich es formulierte, seiner Meinung nach dem vorsorgenden Verbraucherschutz nicht gerecht geworden sei.

2008 forderte der verkehrspolitische Sprecher der FDP-Bundestagsfraktion, Herr Friedrich, den Rücktritt von Umweltminister Gabriel wegen der Probleme bei der Förderung von Dieselrußfiltern. Originalton Friedrich:

„Normalerweise gehört es zum politischen Anstand, dass ein Minister für diese Pleiten-, Pech- und PannenOrgie die Verantwortung übernimmt.“

Und weiter:

„Wenn ich überlege, weswegen Minister in Deutschland schon zurückgetreten sind, frage ich mich: Was muss eigentlich noch passieren?“

(Zustimmung bei der LINKEN - Zuruf von der CDU: Da hat er recht!)

2009, meine Damen und Herren, forderte der Vorsitzende der FDP-Fraktion in der Bremischen Bürgerschaft, Herr Woltemath, den Rücktritt des Bremer Innensenators Mäurer, SPD. Die Liberalen warfen Herrn Mäurer Ahnungslosigkeit und Führungsschwäche vor. Ihm und seiner Behörde seien bereits mehrfach schwerwiegende Pannen unterlaufen.

Meine Damen und Herren, ich fasse zusammen: Die Gründe für diese FDP-Rücktrittsforderungen lauteten: Ahnungslosigkeit, Führungsschwäche, Pleiten, Pech und Pannen und Versagen bei Vorsorge und Schutz der Bevölkerung.

(Zustimmung bei den GRÜNEN und bei der SPD)

Herr Sander, können Sie uns erklären, warum Sie eigentlich noch im Amt sind?

(Beifall bei den GRÜNEN, bei der SPD und bei der LINKEN)

Ahnungslosigkeit, Führungsschwäche, Pleiten, Pech und Pannen - das sind ja wohl noch die harmlosesten Vorwürfe, die Sie sich als für die Atomaufsicht verantwortlicher Minister im Zusammenhang mit dem Asse-Skandal in Niedersachsen vorwerfen lassen müssen.

(Klaus Krumfuß [CDU]: Wie gehen Sie denn mit den Menschen um?)

In der Asse gab es kriminelle Machenschaften, Rechtsbruch, Unfälle, Betrug, Vertuschung und Lügen. Es gab radioaktiv verseuchte Laugen, geplatzte Atomfässer, Arsen, Plutonium, Pflanzenschutzmittel, Tierkadaver und Bundeswehrabfälle. Das Atommülllager droht einzustürzen, und die Sanierung dieses atomaren Drecklochs wird Milliarden kosten.

Dann setzen Sie sich hier im Landtag hin, Herr Sander, packen Ihr Schinkenbrot aus und erzählen dem Untersuchungsausschuss: Meine Name ist Sander, ich weiß von nichts.

(Beifall bei den GRÜNEN, bei der SPD und bei der LINKEN - Heiner Bartling [SPD] und Wolfgang Jüttner [SPD]: Das muss doch „Hase“ hei- ßen!)

Sie sind seit sechs Jahren der Chef der Atomaufsicht in Niedersachsen, aber Sie wollen von alledem nichts gewusst haben. Ja, das Ministerium, das wusste Bescheid, Herr Langspecht, aber der Minister nicht. „Mir sagt ja keiner etwas“, Schuld haben immer die anderen - was für eine jämmerliche Ausrede!

(Beifall bei den GRÜNEN, bei der SPD und bei der LINKEN)

Sie sind der erste Minister, Herr Sander, der stolz darauf ist, dass er keine Ahnung hat. Wissen Sie was? - Ahnungslosigkeit und Führungsschwäche

plus Feigheit sind eine gefährliche Mischung für einen Minister!

(Beifall bei den GRÜNEN, bei der SPD und bei der LINKEN - Zurufe von der CDU: Lümmel! - Frechheit! - Frech!)

Herr Sander, Sie können den Journalisten noch viele lustige Geschichten erzählen, aber fest steht: Sie haben seit fast sieben Jahren die Aufsicht, und die haben Sie nicht wahrgenommen. Spätestens im Jahr 2006 haben vier Personen bei der Atomaufsicht in Ihrem Ministerium und die Verantwortlichen im Landesbergamt Kenntnis vom Abpumpen radioaktiv kontaminierter Laugen gehabt. Das Ihnen unterstellte Landesbergamt hat im März 2008 den rechtswidrigen Sonderbetriebsplan Nr. 18 genehmigt. Sie haben eine Teilflutung der Asse zugelassen, bevor überhaupt der Entwurf des Antrags auf Genehmigung vorlag.

Meine Damen und Herren, Herr Minister, gegenüber der Presse haben Sie am 4. Dezember erklärt - ich zitiere die HAZ -, dass Sie „zu Detailfragen im Asse-Skandal keine Antwort geben“ können und werden, weil Sie „als Minister ‚vor allem die politische Verantwortung für die Bearbeitung des Themas’“ haben. Da frage ich Sie: Was heißt „politische Verantwortung“ eigentlich? Gehört es nicht dazu, dass man auch für die Fehler geradesteht, die im eigenen Haus passiert sind?

(Beifall bei den GRÜNEN, bei der SPD und bei der LINKEN)

Herr Kollege Wenzel, gestatten Sie eine Zwischenfrage der Kollegin Emmerich-Kopatsch?

Nein, ich möchte bis zum Ende ausführen.

Ich möchte noch einmal den Kollegen Friedrich von der FDP-Bundestagsfraktion zitieren:

„Wenn ich überlege, weswegen Minister in Deutschland schon zurückgetreten sind, frage ich mich: Was muss eigentlich noch passieren?“

Herr Sander, seit Sie im Amt sind, sind Sie von einem Fettnapf zum nächsten gestolpert. Aber weil mit der Entlassung eines Ministers die Schwächen einer Regierung eingestanden werden, glaubt der Herr Ministerpräsident, es sich nicht erlauben zu können, Sie zu entlassen. Ihr Ministeramt ist mitt

lerweile ein Zeichen für die Schwäche des Ministerpräsidenten!

Ich danke Ihnen.

(Starker Beifall bei den GRÜNEN, bei der SPD und bei der LINKEN - Karl- Heinrich Langspecht [CDU]: Kein Wort zur Manipulation!)

Meine Damen und Herren, nächster Redner ist der Kollege Bartling für die SPD-Fraktion. Bitte!

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich habe von Herrn Langspecht jetzt etwas gelernt: Wenn man Medienvertreter einlädt, dann ist das ein schwerer Schlag gegen die Verbesserung der Transparenz. - Das muss man sich vor Augen führen.