Was bedeutet das denn? - Es bedeutet, dass während der Debatte über Managerboni und Finanztransaktionssteuern Menschen oft Monate, teilweise jahrelang auf endgültige Entscheidungen über ihre fehlerhaften ALG-II-Bescheide warten müssen, dass sich Menschen - auch solche Fälle lan
den vor den Sozialgerichten - mit ihren Krankenkassen monatelang über Rollstühle und Krücken streiten müssen. Wir wollen auch diesen Menschen eine Stimme geben. Wir wollen, dass auch diese Menschen zeitnah zu ihrem Recht kommen und nicht weiter an der Wirksamkeit unseres Rechtsstaates zweifeln müssen.
Der Strafvollzug war im letzten Jahr ein Dauerthema in diesem Hause. Herr Minister Busemann, Sie haben dazu zahlreiche Initiativen und Projekte gestartet. Sie mahnen eine bessere Entlassungsvorbereitung, ein besseres Übergangsmanagement und eine bessere Verzahnung der sozialen Dienste an.
Der Strafvollzug ist traditionell ein Thema, mit dem man in der öffentlichen Wahrnehmung kaum etwas gewinnen kann. Herr Minister, ich kann Ihnen wirklich nicht vorwerfen, dass Sie sich für dieses Thema nicht interessieren.
Ihren Ankündigungen und Ihren richtigen Forderungen müssen aber auch Taten - sprich: finanzielle Mittel - folgen. Daran hapert es vielerorts. Wir fordern verstärkte Anstrengungen im Bereich der Wohn- und Beschäftigungsprojekte für Straffällige. Es wurde gerade angesprochen: Der Straftäter von heute kann der Nachbar von morgen sein. Wir fordern verstärkte Anstrengungen bei der Renovierung baufälliger Gebäude im Bereich des Justizvollzugs. So sollte z. B. das Gefängniskrankenhaus in Lingen, das Krankenhaus im Bereich des Strafvollzugs in Norddeutschland, in allen Häusern auf einen modernen Standard gebracht werden.
Justizpolitik spielt sich nicht nur im Großen, sondern manchmal auch im Kleinen ab. Wir haben - auch das ist von meinen Vorrednern dankenswerterweise bereits angesprochen worden - natürlich viel mehr Instrumente als nur das klassische Gerichtsverfahren. Da ist zum einen die Mediation. Es geht - Herr Kollege Dr. Biester, es ist mir ganz wichtig, dies zu betonen - übrigens nicht nur um die gerichtsinterne Mediation, von der Sie gesprochen haben.
- Herr Kollege Ehlen, wenn Sie zur Seite treten würden, könnte ich Herrn Dr. Biester sehen, was manches einfacher machen würde.
Es geht nicht nur um die gerichtsinterne Mediation, sondern auch um die außergerichtliche Mediation, also um die Mediation durch ehrenamtliche Vereine, die aus Idealismus, einfach aus einem gewissen ideellen Anspruch heraus, Mediation betreiben und die sich gerade nicht innerhalb der Gerichte befinden. Uns Grünen ist ganz wichtig, auch diesen Bereich wesentlich stärker zu fördern, weil wir in dem Bereich tatsächlich ein ganz anderes Klima schaffen können als im klassischen Gerichtssaal.
Sie selber sind auf einen Fall hier in Hannover eingegangen, in dem die Landesregierung dem wichtigen Projekt „Waage“ zusätzliche Mittel in Höhe von 200 000 Euro verweigert hat, mit denen der Verein u. a. im Bereich der Familien- und Sorgerechtsstreitigkeiten Mediation betreiben wollte. Ihre Begründung, Herr Dr. Biester, hat mich überhaupt nicht überzeugt. Sie sagten zu Recht: Wenn wir einen Träger fördern, müssen wir auch andere fördern. - Ich sage Ihnen: Genau das erwarte ich von dieser Landesregierung. Sie sollte außergerichtliche Mediation im ganzen Land flächendeckend fördern und nicht mit dieser Begründung allen das Geld vorenthalten, Herr Kollege Biester.
Nun zu einem anderen, auch in diesem Hause oft angesprochenen Thema, dem Bereich Rechtsextremismus: Wir Grüne fordern mit unseren Haushaltsänderungsanträgen ein eigenes Landesprogramm gegen Rechtsextremismus.
Es ist nicht so, dass die gegenwärtige Landesregierung in diesem Bereich nichts tut. Es gibt einige Projekte; das will ich hier gar nicht leugnen. Es gibt Projekte im Sozialministerium, es gibt mehrere Projekte im Justizministerium, und es gibt natürlich den Verfassungsschutz, der ja jetzt zur Bildungsbehörde erweitert werden soll, im Innenministerium.
Wir brauchen aber keinen Flickenteppich in diesem Bereich, sondern wir brauchen ein konzertiertes Handeln, ein Handeln aus einem Guss und einheitliche Ansprechpartner für die vielen Menschen, die im Land gegen Rechtsextremismus aktiv sind. Wir wollen eine Bildungsoffensive für die Polizistinnen und Polizisten, für die Justiz, für Lehrerinnen und Lehrer. Wir wollen Ansprechpartner für die Kommunen, für lokale Bündnisse gegen Rechts, die sich ehrenamtlich in diesem wichtigen gesellschaftlichen Bereich engagieren. Wir wollen einheitliche
Ganz wichtig ist uns die institutionelle Förderung regionaler Bündnisse gegen Rechts. Wir wollen eine institutionelle Förderung dieser Arbeit, damit das Zittern am Jahresende ein Ende hat, damit sich diese Initiativen und Vereinigungen nicht schon zur Jahresmitte im Wesentlichen darauf konzentrieren müssen, das kommende Haushaltsjahr zu überstehen, sondern sich wirklich auf ihre inhaltliche, sachlich richtige Arbeit konzentrieren können, meine Damen und Herren.
Wir brauchen auch deshalb ein Landesprogramm, weil unklar ist, wie es mit den noch von Rot-Grün auf Bundesebene initiierten Bundesprogrammen gegen Rechtsextremismus weitergeht; denn die Signale aus Berlin geben mir Anlass zur Sorge. Schwarz-Gelb, Ihre Bundesregierung, wie Sie ja immer wieder so vollmundig betonen - ich muss sagen: es ist ja notgedrungen auch meine Bundesregierung -,
möchte die Programme gegen Rechtsextremismus um Programme gegen Linksextremismus und gegen Islamismus erweitern, ohne die finanziellen Mittel auch nur um einen einzigen Euro heraufzusetzen. Meine Damen und Herren, faktisch kürzt diese Bundesregierung die Mittel zur Bekämpfung des Rechtsextremismus, und das ist in unseren Augen ein Skandal.
Niedersachsen muss deshalb seine finanziellen Anstrengungen erhöhen. Das Hauptproblem in Niedersachsen ist nun einmal nicht der Linksextremismus - das haben auch die von der Kollegin Zimmermann vorhin vorgetragenen Zahlen deutlich gezeigt -, das Hauptproblem ist die schleichende gesellschaftliche Akzeptanz der Rechten. Um dem entgegenzuwirken, brauchen wir ein eigenes Landesprogramm gegen Rechts.
Zurück zum Einzelplan 11: Herr Justizminister, Sie haben das Amt von Ihrer Vorgängerin mit einer Vielzahl unausgegorener Projekte übernommen. Ich kann Ihnen nur gratulieren; denn Sie haben
diese Projekte allesamt gründlich platt gemacht. Große Justizreform, Bredero-Hochhaus oder auch die Mehrfach-Zellenbelegung in den Gefängnissen - nahezu jedes Projekt Ihrer Vorgängerin haben Sie mehr oder weniger elegant abgeräumt, Herr Justizminister. Dafür meinen Respekt und meine Anerkennung!
Ein einziges Projekt ist aber noch geblieben; der Kollege Adler hat es angesprochen: das ÖPPProjekt Bremervörde, der private Knast.
Herr Justizminister, ich sage Ihnen: Sie werden im kommenden Jahr doch wohl noch irgendein Schlupfloch finden, um auch aus diesem heftig umstrittenen Projekt auszusteigen, um dieses Projekt zu begraben.
Wenn Sie dabei Unterstützung brauchen, wenden Sie sich an die Oppositionsabgeordneten Ihres Vertrauens. Gemeinsam kommen wir aus dieser Nummer schon wieder heraus, Herr Minister.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Vollzug muss mehr sein als sicheres Verwahren. Bei vielen Ansätzen dieser Landesregierung hat man aber den Eindruck gewinnen können, es gehe nur darum. Probleme werden schon lange nicht mehr grundsätzlich gelöst, und Sicherheit hat Vorrang vor allem.
Wenn wir uns den vorliegenden Landeshaushalt für das Jahr 2010 anschauen, müssen wir feststellen, dass nur wenige Probleme angesprochen werden und die Lösungen noch dünner sind.
Die erste Frage ist: Wie viele Haftplätze braucht Niedersachsen eigentlich? Von 7 474 Haftplätzen waren im Mai 2009 nur 6 296 belegt, 1 178 Haftplätze waren ungenutzt. Ein Haftplatz kostet 102,05 Euro pro Tag. Hier ist enormes Einsparpotenzial. Wir brauchen Debatten um Haftvermeidungsstrategien, um den Abbau von Haftplätzen und um Nachhaltigkeit im Vollzug. Davon aber keine Spur.
Das Gleiche gilt für die bauliche Situation: himmelhoch jauchzend und schwer betrübt. Die Liste der maroden Haftanstalten in Niedersachsen ist lang; darüber können auch die modernen Haftanstalten wie Sehnde oder Rosdorf nicht hinwegtäuschen. Aber für Sanierungen sind nach Meinung dieser Landesregierung keine ausreichenden finanziellen Mittel vorhanden. Wir finden es mehr als seltsam, wenn eine Landesregierung im gleichen Schritt die Kraft hat, in den nächsten Jahren fast 300 Millionen Euro für einen ÖPP-Irrsinn und -Wahnsinn in Bremervörde zu investieren. Scheinbar ist das eine Frage der Prioritäten.
Zum Stichwort PPP: Der Bayerische Landtag hat vor wenigen Tagen ein PPP-Projekt in Augsburg gestoppt. Das Frauengefängnis München mit einer 40 000 Beanstandungen umfassenden Mängelliste ist ein ähnlicher Erfolg.
Stichwort Mitarbeiter: Herr Busemann, es reicht nicht aus, kurz vor Weihnachten in die JVA Hannover zu gehen und die Leistungen der Bediensteten zu loben; denn die politische Anerkennung wird ihnen durch Ihre Landesregierung und Ihre Politik tagtäglich versagt.
Es grenzt schon an vorweihnachtliche Scheinheiligkeit und Betriebsblindheit, bei überbordenden Überstunden und Mehrarbeit, unglaublichen Krankenständen als Resultat von schlechten Arbeitsbedingungen und ungenügender personeller Ausstattung solche Worte zu finden.