Erste Beratung: Entwurf eines Gesetzes für ein zukunftsweisendes Naturschutzrecht in Niedersachsen - Gesetzentwurf der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen - Drs. 16/135
Zur Einbringung erteile ich für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen Herrn Kollegen Meyer das Wort. Bitte schön!
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Wir legen heute einen Gesetzentwurf für ein zukunftsweisendes Naturschutzrecht vor, den wir bereits in ähnlicher Form in der letzten Legislaturperiode eingebracht haben. Wir haben ja schon darüber diskutiert, dass leider öfter Anträge der Opposition nicht zu Ende beraten werden.
Zur Einbringung möchte ich meine Vorgängerin Frau Steiner zitieren, deren Kompetenz Herr Dürr letztens so hoch gelobt hat. Ich zitiere aus ihrer Rede:
„Das Maß ist voll. Wir warten seit Jahren auf die immer wieder vom Umweltministerium angekündigte große Novelle des Naturschutzgesetzes. Bereits 2005 hätte das Bundesgesetz mit den Änderungen von 2002 in niedersächsisches Landesrecht übertragen werden müssen. Niedersachsen hat seine Hausaufgaben im Naturschutz wieder einmal nicht gemacht.“
Herr Dürr, ich hoffe, Sie haben Verständnis dafür, dass ich die hervorragende Rede der Kollegin Steiner nicht vollständig wiederhole.
Ich denke, dieses eine Zitat macht deutlich, dass diese Landesregierung ein weiteres Jahr untätig war. Seit mittlerweile drei Jahren ist die Umsetzungsfrist abgelaufen. Im letzten Jahr haben Sie mit Rücksicht auf die Landtagswahl Ihre Novelle in der tiefsten Schublade verschwinden lassen, vor
allem nachdem klar war, dass Minister Sander beim Naturschutz und bei den Beteiligungsrechten der Verbände einen erneuten Kahlschlag vollziehen wollte.
Meine Damen und Herren, wir Grüne begreifen, anders als Sie, den Schutz der Natur und der biologischen Vielfalt als positive Bereicherung für die Menschen.
Ich bin daher sehr dankbar, dass die Deutsche Bank unter Beteiligung des Ökonomen Stern kürzlich im Auftrag der Bundesregierung einmal die positiven Folgen eines intakten Naturhaushalts errechnet hat. Die Natur erbringt der Menschheit danach, zum Beispiel durch Hochwasserschutz, Filterwirkung und biologische Vielfalt, allein in den Naturschutzgebieten Leistungen im Wert von 5 Billionen Dollar pro Jahr. Das ist mehr als die Wertschöpfung der weltweiten Auto-, Stahl- und Softwareindustrie zusammen. Ich hoffe, dieser Report zur Weltnaturschutzkonferenz, die nächste Woche stattfindet, wird ein ähnliches Umdenken einleiten wie der Stern-Report zu den Kosten des Klimawandels.
Meine Damen und Herren, die Ökonomen zählen auch die Gefahren auf, die ein Nichtstun beim Naturschutz für das BIP hätte. Ich zitiere die Deutsche Bank: Die Wirtschaftsleistung wird stark belastet, wenn weiter so viel biologische Vielfalt wie bisher verloren geht. - Das trifft auch uns in Niedersachsen.
Naturschutz ist daher gut für den Wohlstand der Menschen. Wer wie die FDP immer nur von Einschränkungen durch den Naturschutz redet, macht keine nachhaltige und im Übrigen auch keine sozial gerechte Politik; denn die Armen leiden am meisten unter den Verlusten biologischer Vielfalt.
Nicht nur daher ist ein positives und modernes Naturschutzrecht in Niedersachsen längst überfällig. In unserem Gesetzentwurf haben wir das europäische Netz „Natura 2000“ durch eine weitgehende Übernahme des Bundesnaturschutzgesetzes hervorgehoben. Uns ist die Vernetzung von Biotopen sehr wichtig. Wir wollen daher auf mindestens 25 % der Landesfläche ein Biotopverbundsystem,
um bedrohten Tierarten, wie zum Beispiel der Wildkatze bei mir im Solling, endlich das Überleben zu ermöglichen. Und wir wollen auf mindestens 5 % der Landesfläche mehr Wildnis wagen; denn wir können schlecht von Brasilien oder Tansania verlangen, 50 % der Landesfläche unter Naturschutz zu stellen, wenn wir selbst kaum Wildnisflächen haben.
Mit diesem Gesetzentwurf wollen wir auch ein Zeichen für die Weltkonferenz in Bonn setzen, damit sie zu einem Erfolg wird. Die Verpflichtung zum Erhalt der Biodiversität muss in Niedersachsen endlich Gesetzesrang erhalten.
Nun ein überraschendes Lob für die Landesregierung. Ich bin ja das letzte Mal kritisiert worden, ich würde immer nur Kritik äußern. Wie ich einer Pressemitteilung entnehmen konnte, haben die Landesforsten im Beisein von Minister Ehlen den von uns geforderten und von den Regierungsfraktionen im letzten Plenarsitzungsabschnitt kritisierten „Countdown 2010“ der Weltnaturschutzunion gegen das Artensterben feierlich unterzeichnet und sich die dort festgelegten Ziele zu eigen gemacht. Es freut uns, wenn Grüne-Anträge schon vor der Endberatung von Teilen, zumindest von einem Ministerium umgesetzt werden. Was Ehlen kann, sollte doch auch Sander können, oder?
Ich weiß: Einsicht und Vernunft sind bei Herrn Sander etwa so häufig wie das statistische Eintreten eines 100-jährigen Hochwassers. Aber vielleicht kann ihn ja das Agrarministerium, das diesen Teil unseres Antrags befürwortet hat, davon überzeugen. Er wollte ja auch gerne einmal Agrarminister werden.
Meine Damen und Herren, wir werden im Ausschuss zu bereden haben, ob die neuen Erkenntnisse der Bundeskanzlerin zum Naturschutz oder auch die Juister Thesen der CDU in Niedersachsen zum Artenschutz nur Lippenbekenntnisse sind oder ob wir wirklich gemeinsam den Schutz unserer Lebensgrundlagen vorantreiben wollen. Wenn die CDU wirklich grüner werden will, wie ja die HAZ kürzlich titelte, muss sie sich endlich von ihrem Umweltminister verabschieden und einen neuen Geist in Niedersachsen einziehen lassen.
leichtfertig verspielen dürfen. Niedersachsen braucht daher eine vorwärtsweisende Naturschutzpolitik statt ständige Rückschritte und Einschränkungen durch die Kurzzeitökonomen von der FDP. Am Freitag werden wir ja einen Antrag von Ihnen beraten, in dem Sie das Naturschutzrecht wieder einschränken wollen.
Wenn wir, wie Sie immer behaupten, Politik mit den Menschen machen wollen - dies tragen Sie wie eine Monstranz vor sich her -, dann müssen Sie den Menschen auch mehr Mitsprache beim Naturschutz geben und dürfen sie nicht hinter Bauzäunen aussperren wie bei den Genfeldern in Northeim.
Wir wollen daher in unserem Gesetzentwurf den Naturschutz bürgerfreundlicher machen und die Beteiligungsrechte deutlich stärken. Wir wollen unbürokratischen Zugang zu allen umweltrelevanten Daten und kein Verstecken - wie es jetzt passiert - von Informationen durch die Privatisierung von Landesbetrieben wie z. B. den Landesforsten.
Meine Damen und Herren, als letzten und neuen Punkt in unserem Gesetzentwurf haben wir eine Änderung des Gesetzes über die öffentliche Sicherheit und Ordnung aufgenommen. Dort geht es um das Halten gefährlicher Wildtiere. Nach Schätzungen werden derzeit in Privathaushalten fast 250 000 Riesen- und 100 000 Giftschlangen gehalten. Deren Fang, Einfuhr und Haltung ist ein großes Problem für den Artenschutz und gefährdet auch immer mehr Kinder und Jugendliche. Im Herbst 2007 hat daher noch die alte Landesregierung in Hessen die Haltung gefährlicher Wildtiere in Privathand verboten. Wir schlagen vor, diese hessische Regelung auch in Niedersachsen als Beitrag für mehr Sicherheit und für den Schutz bedrohter Wildtiere zu übernehmen.
Meine Damen und Herren, Sie merken: Bei den Grünen ist der Schutz der biologischen Vielfalt nicht nur während der Weltnaturschutzkonferenz Schwerpunktthema. Wenn wir die neuen wissenschaftlichen Erkenntnisse ernst nehmen, kommen wir um eine positive Neubewertung des Naturschutzes nicht herum. Wir dürfen nicht immer wieder neue Einschränkungen verlangen, wie Sie es in Ihrem Entschließungsantrag fordern, den wir am Freitag behandeln.
- Meine Herren, nicht so aufgeregt! Sie sehen zwar schön aus, wenn Sie sich aufregen, aber Ihre Zwischenrufe werden dadurch eher schlechter.
In jedem Gemeinderat würde ein Tagesordnungspunkt, zu dem einen Tag vorher ein 63-seitiges Antragswerk eingeht, einfach abgesetzt. Ich weiß nicht, was dieses Manöver soll. Ich weiß nicht, wer dies zu verantworten hat. Aber jedenfalls ist es eindeutig schlecht.
Ich möchte trotzdem kurz darstellen, was wir Linken von einem Naturschutzgesetz erwarten, in dem auch wirklich drin ist, meine Damen und Herren, was draufsteht:
Wir erwarten ein Verfahren und vor allen Dingen ein Werk, in dem wirklich endlich gehandelt wird. Wir erwarten Abweichungsmöglichkeiten, die auch nach oben genutzt werden. Wir wollen nicht, dass man, wie Sie es morgen mit Ihrem Antrag zum Umweltgesetzbuch darstellen werden, alles wieder verwässert und kaputt macht, was man irgendwo vermeintlich in Gang gebracht hat.
Wir wollen einen Klimaschutz, der mit der praktischen Umsetzung endlich Ernst macht, der sich vor allen Dingen an Bilanzen und Kenngrößen orientiert. Das ist eine Sache, die Sie ja normalerweise großschreiben, beispielsweise wenn es um Wirtschaft geht. An dieser Stelle schreiben Sie es jedoch klein.
Wir brauchen vor allen Dingen offene und demokratische Strukturen und Instrumente; ohne diese geht es nicht. Dazu gehört ein Umweltlandesamt statt irgendwelcher Wurmfortsätze. Wir brauchen jährliche Nachhaltigkeitsberichte, die konkret sind.
Wir brauchen professionell ausgebildetes Personal, und wir brauchen zur Konfliktschlichtung einen Ombudsmann.
Wir brauchen mit dem Ehrenamt und den Verbänden nicht nur einen Dialog, sondern auch eine vernünftige finanzielle Ausstattung. Wir brauchen, mit Verlaub, gerade auch die Klagemöglichkeit der Verbände.
Inhaltlich brauchen wir die Sicherung der biologischen Vielfalt, d. h. den Minimalschutz auf allen Flächen, meine Damen und Herren, nicht nur in irgendwelchen kleinen Reservaten. Dazu brauchen wir ein vernünftiges Monitoring und Controlling. Wir brauchen eine klare Definition der sogenannten guten fachlichen Praxis; ohne diese geht es nicht.