Protokoll der Sitzung vom 21.01.2010

Zunehmend können behinderte Frauen und Männer im eigenständig angemieteten Wohnraum die für den Lebensalltag erforderliche Unterstützung durch eine ambulant organisierte Betreuung erhalten.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, das niedersächsische Sozialministerium hat sehr wohl mit den großen Einrichtungsträgern umfassende Gespräche geführt und genau darauf verwiesen - dabei wurde mit den Einrichtungsträgern ein großes Einvernehmen erzielt -, dass die Einrichtungsträger vermehrt eine gezielte Unterstützung für den Umzug in eine eigene, auf dem allgemeinen Wohnungsmarkt angemietete Wohnung bekommen.

Wenn die Zahl der Übergänge aus dem stationären Bereich in den ambulant betreuten Hilfebereich zunimmt, dann ist das genau die richtige Entwicklung. Aber auch hier muss man sehr behutsam vorgehen. Bei all diesen Fragen steht für mich nicht der Einrichtungsträger im Mittelpunkt, sondern der Mensch mit einer Behinderung.

(Beifall bei der CDU)

Ganz entscheidend für Menschen mit einer Behinderung ist eine Politik, die früh ansetzt. Wie sehen also die frühen Hilfen aus? - Mir ist es ein ganz besonderes Anliegen, dass Kinder mit einer Behinderung ihr Leben so normal wie möglich führen können

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

und wir in unserer Gesellschaft die Verschiedenheit der Lebensentwürfe so annehmen, dass das für alle selbstverständlich ist. Deshalb ist es sehr erfreulich, dass seit 2000 immer mehr Kinder mit Behinderung in integrativen Gruppen in Kinderta

gestätten sind und dort ganz selbstverständlich gemeinsam mit nicht behinderten Kindern erzogen, gebildet und betreut werden. Wenn man dann sieht, wie sehr behinderte und nicht behinderte Kinder von der gemeinsamen Erziehung profitieren, dass sie voneinander lernen, dass sie aufeinander achtgeben, dass sie sich untereinander helfen, dann ist es sehr entscheidend, dass wir auch diese Möglichkeiten für unter Dreijährige schaffen.

Frau Ministerin, gestatten Sie eine Frage?

Deshalb haben wir am Montag in Absprache mit den kommunalen Spitzenverbänden und den Anbietern den Startschuss für ein Modellprojekt zur Integration der unter Dreijährigen gegeben.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Behinderte und nicht behinderte Kinder werden gemeinsam in Krippen betreut und gefördert, und wir erproben dabei, welche Rahmenbedingungen für diese integrative Betreuung die richtigen sind.

Frau Ministerin, mir liegt ein weiterer Wunsch nach einer Zwischenfrage vor.

Sie gestatten gar keine?

Wir werden dieses Modellprojekt auch wissenschaftlich begleiten lassen, weil es hierbei um die ganz Kleinen geht, weil es hierbei auch darum geht, dass sie zum großen Teil noch die Frühförderung bekommen, und wir sehr darauf achtgeben müssen, sie nicht zu überfordern.

(Ursula Helmhold [GRÜNE]: Ich wollte nur fragen, warum die Bildungsminis- terin nicht da ist!)

Unser Modellprojekt ist bis zum 31. Juli 2012 befristet - das ist das Ende des übernächsten Kindergartenjahres -, und es werden niedersachsenweit

185 Plätze flächendeckend angeboten werden. Was auch immer Fachleute uns am Ende des Modellprojektes sagen werden, ich bin davon überzeugt: Je früher die Förderung von Kindern mit Behinderung einsetzt, desto bessere Aussichten auf Erfolg hat sie.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Mit unserem Modellprojekt schaffen wir einen weiteren Baustein für ein zukunftsorientiertes Hilfeangebot in Niedersachsen, zu dem über 900 Integrationsgruppen in Kindertagesstätten ebenso gehören wie ein Netz von schulischen Angeboten, Tagesbildungsstätten und Werkstätten.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, mir ist es an dieser Stelle ganz besonders wichtig, deutlich zu machen, wie unglaublich wichtig Werkstätten für Menschen mit einer Behinderung sind. Ja, ich setze auf Werkstätten, weil es ganz, ganz wichtig ist, dass Menschen mit einer Behinderung in einem beschützenden Rahmen Arbeit haben, dass sie dort zufrieden sind und ihnen dort ganz unterschiedliche Möglichkeiten der Förderung geboten werden.

(Beifall bei der CDU)

Wenn Sie einmal eine Werkstatt für Menschen mit Behinderungen besuchen, werden Sie sehen, wie unglaublich gut und erfolgreich die Menschen dort arbeiten und wie wichtig sie ihre Arbeit nehmen. Für mich haben die Werkstätten einen ganz entscheidenden Anteil an den Arbeitsmöglichkeiten für Menschen mit Behinderungen hier bei uns in Niedersachsen.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Genauso wichtig sind die Außenarbeitsstellen. Das sind Arbeitsplätze im beschützenden Rahmen einer Werkstatt, wobei die Menschen mit Behinderung in den entsprechenden Unternehmen selbst arbeiten. Ich bin dankbar, dass viele Betriebe und Unternehmen so viele Arbeitsmöglichkeiten für die Werkstätten bieten.

Wenn uns gleichberechtigte Teilhabe wichtig ist, bedeutet das selbstverständlich nicht nur, Arbeitsmöglichkeiten in einem beschützenden Rahmen zu schaffen, sondern es bedeutet natürlich auch, den Zugang zum ersten, zum allgemeinen Arbeitsmarkt zu erleichtern. Deshalb haben wir hier in Niedersachsen, bundesweit sehr beachtet, ein Persönliches Budget für Arbeit geschaffen. Trotz der Wirtschaftskrise ist es uns gelungen, über dieses Per

sönliche Budget 20 Menschen in den ersten Arbeitsmarkt zu integrieren.

(Beifall bei der CDU)

Es ist gut, wenn sich Menschen mit einer Behinderung zutrauen, auf dem ersten Arbeitsmarkt Fuß zu fassen und die Chancen, die Arbeitgeber ihnen geben, auch zu ergreifen. Unser Bemühen wird sein, dieses Persönliche Budget für Arbeit auch in den nächsten Jahren kontinuierlich auszuweiten.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Wir können heute feststellen, dass in den letzten Jahren, insbesondere auch durch die Beteiligung von Menschen mit Behinderung selbst, viele behindertenpolitische Verbesserungen erreicht werden konnten. Das liegt nicht nur, aber sicher auch an dem vorbildlichen Niedersächsischen Behindertengleichstellungsgesetz, das wir bis Ende des Jahres überprüfen wollen. Mir ist es schon wichtig - auch wenn Sie das vielleicht anders sehen -, dass wir die Dinge, die wir machen, evaluieren. Wir haben den Nichtraucherschutz evaluiert, wir werden auch dieses Gesetz evaluieren, und wir wollen das Modellprojekt in Krippen wissenschaftlich begleiten und evaluieren lassen. Ich könnte Ihnen noch ganz viele andere Projekte aufzählen, die wir beispielhaft erprobt haben und bei denen es uns besonders wichtig war, sie wissenschaftlich begleiten zu lassen, um am Ende ein Fazit für die weitere Gestaltung ziehen zu können.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, unser Ziel ist die vollständige Teilhabe von Menschen mit Behinderung. Die humane Qualität einer Gesellschaft lässt sich daran messen, wie erfolgreich sie sich um den Ausgleich von Nachteilen und um Chancengerechtigkeit bemüht.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Wir alle können nur gewinnen, wenn jeder Mensch die Chance erhält, zu zeigen, was in ihm steckt. Dazu gehört, füreinander da zu sein, füreinander einzustehen, fair miteinander umzugehen, Verantwortung zu übernehmen, Solidarität zu üben, Respekt voreinander zu haben und die Lebensleistung eines jeden anzuerkennen. Ziel unserer Sozialpolitik ist, die volle Teilhabe am gesellschaftlichen Leben für Menschen mit Behinderung zu erreichen.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Herzlichen Dank. - Nun hat für die SPD-Fraktion Frau Kollegin Groskurt das Wort.

Danke schön. - Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Auch im Zusammenhang mit diesen Anfragen zu allererst ein Dank von uns an die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Ministeriums. Sie haben wieder viel Zeit und Fachkompetenz eingesetzt, um die Großen Anfragen der Fraktionen Bündnis 90/Die Grünen und DIE LINKE umfassend und detailliert zu beantworten.

(Beifall bei der SPD, bei der CDU und bei der LINKEN)

Der Dank gilt auch den Kolleginnen und Kollegen der Fraktionen Bündnis 90/Die Gründen und DIE LINKE. Die Antworten auf ihre Fragen sind eine gute Arbeitsgrundlage, auf die wir immer wieder zurückgreifen können.

Trotz der umfassenden Beantwortung der Großen Anfragen sind bei mir einige Fragen offen geblieben, und ich möchte einige Bemerkungen dazu machen.

Zur Anfrage der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen: Die Landesregierung erwähnt die von der Arbeits- und Sozialministerkonferenz eingesetzte BundLänder-Arbeitsgruppe zur Weiterentwicklung der Eingliederungshilfe. Hier soll ein Eckpunktepapier erarbeitet worden sein, das im November 2009 beraten werden sollte. Ich hätte gerne das Ergebnis der Beratung.

Zum Modellversuch zur Erprobung einer neuen Abgrenzung der Aufgaben zwischen den überörtlichen und örtlichen Trägern der Sozialhilfe, der seit dem 1. Januar 2007 läuft, werden zurzeit erste Zwischenergebnisse ausgewertet. Wann ist, bitte, mit einer Vorlage zu rechnen?

Zur Frage bezüglich der Förderung von gesellschaftlicher Teilhabe und Selbstbestimmung erklärt die Landesregierung vollmundig, alle genannten Regelungen seien mit der UN-Konvention vereinbar. Da frage ich mich: Ja, was denn sonst? Direkt dagegen zu verstoßen, wird sich ja wohl auch diese Landesregierung nicht trauen.

(Beifall bei der SPD, bei den GRÜ- NEN und bei der LINKEN)

Aber Selbstverständlichkeiten sollten eigentlich nicht lobend erwähnt werden müssen.

Zur Frage nach dem bürgerschaftlichen Engagement wird ausgeführt, dass die Abstimmungsgespräche auf Bundes- und Länderebene mit den Verbänden behinderter Menschen, den Leistungsanbietern, den kommunalen Spitzenverbänden und den betroffenen Sozialleistungsträgern zur Weiterentwicklung der Eingliederungshilfe für behinderte Menschen noch nicht abgeschlossen sind. Wann ist, bitte, damit zu rechnen?

Zur Frage zum Persönlichen Budget unterstreiche ich erst einmal die Ausführungen von Frau Helmhold. Sie, verehrte Landesregierung, führen aus, dass in Niedersachsen künftig nach einem Kennzahlenvergleich Zahlen zur Inanspruchnahme Persönlicher Budgets vorliegen werden. Wann werden diese Zahlen voraussichtlich vorliegen? Es ist bedauerlich, dass die Landesregierung anmerkt, das Persönliche Budget müsse sich erst etablieren. Sie sagt zwar, die positiven Erfahrungen der Budgetnehmer seien die besten Werbeträger, sie sieht zurzeit aber keinen weiteren Aufklärungsbedarf.

Zur Erinnerung: Seit 2004 laufen die Modellprojekte, sie werden aber laut den Ausführungen in der Beantwortung der Großen Anfrage und auch nach meinen eigenen Erfahrungen, da Osnabrück eine Modellkommune ist, nicht in dem Umfang angenommen und beantragt, wie es erhofft und gewollt ist.

(Ursula Helmhold [GRÜNE]: Genau richtig!)