Protokoll der Sitzung vom 21.01.2010

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Im Zusammenhang mit der Planung und dem Bau von Atomanlagen in Gorleben gab es mehrfach Zahlungen, die an das Land Niedersachsen und an Kommunen im Landkreis Lüchow-Dannenberg flossen.

Für die Umsetzung eines Nuklearen Entsorgungszentrums in Gorleben (NEZ) wurden ab Januar 1979 verschiedene Vereinbarungen und Verträge geschlossen: mindestens eine Vereinbarung zwischen der Deutschen Gesellschaft für Wiederaufarbeitung von Kernbrennstoffen (DWK) und der Bundesregierung, eine oder mehrere Verwaltungsvereinbarung/en zwischen Bund und Land sowie Verträge zwischen der DWK und den einzelnen Körperschaften.

Vorgesehen waren zunächst Pauschalzahlungen von der DWK an den Bund in Höhe von 200 Millionen DM, zahlbar in zehn gleichen Jahresraten ab 1978. Der Bund wiederum verpflichtete sich zur Zahlung von insgesamt 200 Millionen DM in vier gleichen Jahresraten an das Land von 1979

bis 1982. Weiterhin wurde vereinbart, dass, falls das NEZ nicht verwirklicht werden könne, „die Kosten im gegenseitigen Einvernehmen abzurechnen“ seien.

Rechtsgrundlage dieser Zahlungen war aus Sicht des Landes der Artikel 106 des Grundgesetzes.

(Unruhe - Glocke des Präsidenten)

Diese Ansicht war allerdings umstritten und wurde von Bundesseite nicht geteilt.

Ich frage die Landesregierung:

1. Welche Verträge bzw. Vereinbarungen mit welchem Wortlaut bzw. mit welchen rechtlichen Bedingungen gab es im Zusammenhang mit der Erstellung und dem Betrieb der Atomanlagen in Gorleben zwischen der Betreibergesellschaft DWK und ihren Nachfolgern und dem Bund, dem Land, dem Landkreis Lüchow-Dannenberg und dortigen Gemeinden bzw. Samtgemeinden von 1979 bis heute?

2. Welche Einnahmen sind wann von welcher Seite (Bund, DWK etc.) an das Land geflossen, welche Zahlungen wurden wann daraus an welche Körperschaften weitergegeben, und wie wurden wegen nicht vollständiger Verwirklichung eines NEZ „die Kosten im gegenseitigen Einvernehmen“ abgerechnet?

3. Welche Rechtsgrundlage gab es für diese Pauschalzahlungen, und wie wurde diese Auffassung seitens des Landes begründet?

(Beifall bei der LINKEN)

Meine Damen und Herren, die Landesregierung kann jetzt antworten. Herr Minister Möllring, bitte!

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Soweit vom Fragesteller Antwort über alle Verträge bzw. Vereinbarungen zwischen der DWK und deren Rechtsnachfolgern sowie dem Bund, dem Land und bestimmten kommunalen Gebietskörperschaften erbeten wird, muss die Landesregierung ihre Antwort auf ihre vertraglichen Beziehungen mit dem Bund beschränken, da ihr über vertragliche Absprachen zwischen anderen Beteiligten in dieser Sache keine hinreichenden Kenntnisse vorliegen.

Dies vorausgeschickt, beantworte ich die Fragen wie folgt:

Zu Frage 1: Die Vertragsbeziehungen zwischen dem Land und dem Bund zur Abgeltung der mutmaßlichen Kosten des geplanten Nuklearen Entsorgungszentrums (NEZ) lassen sich zeitlich in drei Abschnitte gliedern:

Erstens 1978 und1979 - ich muss allerdings darauf hinweisen, damals war ich 26 bzw. 27 Jahre alt und kann daher nur aus den Akten und nicht aus eigener Erkenntnis hier vortragen -: Im Februar 1979 wurde zwischen dem Bund und dem Land Niedersachsen ein Vertrag über die „finanziellen Auswirkungen des Genehmigungs- und Planfeststellungsverfahrens für das nukleare Entsorgungszentrum (NEZ) bei Gorleben“ geschlossen.

Dieser Vertrag enthielt eine Einigung auf Pauschalleistungen zur Abgeltung sämtlicher finanzieller Belastungen für alle betroffenen Gebietskörperschaften sowie die Vereinbarung einer Pauschalleistung des Bundes in Höhe von 200 Millionen DM sowie die Option für weitere Zahlungen, u. a. Straßenbaumaßnahmen, Infrastrukturkosten des Landkreises, eine Gebührenregelung sowie Billigkeitsentschädigungen (Demonstrationsschäden). Des Weiteren wurde eine Kostenregelung für den Fall der Nichteignung des Standortes getroffen.

Das Land Niedersachsen hatte Kenntnis über Verhandlungen zwischen dem Bund und der DWK, also der Deutschen Gesellschaft für die Wiederaufarbeitung von Kernbrennstoffen, die am 17. Januar 1979 in eine Vereinbarung mündeten. Die Kernbausteine dieser Vereinbarung zwischen Bund und DWK waren: Die DWK zahlt an den Bund einen Betrag von 200 Millionen DM. Dieser Betrag sollte in Beträgen von 130 Millionen DM auf den Bund, 45,5 Millionen DM auf das Land und 24,5 Millionen DM auf den Landkreis Lüchow-Dannenberg verteilt werden. Später haben Bund und Land konkretisiert, in welchen Beträgen bzw. Teilbeträgen die Mittel fließen sollten.

Mit Schreiben vom 9. Februar 1979 hat der BMI, der Bundesminister des Inneren, an die Zahlungsverpflichtung der Landesregierung zum Projekt des Nuklearen Entsorgungszentrums Gorleben die Voraussetzung geknüpft, dass dort eine positive Entscheidung erfolgt.

Zweitens 1984: Im Jahr 1984 erfolgte eine Prolongation der Pauschalvereinbarung dergestalt, dass sich der Bund gegenüber dem Land zur Zahlung einer weiteren Pauschale in Höhe von 120 Millionen DM in vier Raten für die Jahre 1985 bis 1988 verpflichtete.

Drittens 1990: In der Vereinbarung „zur Bereinigung sonstiger offener Fragen in den Finanzbeziehungen zwischen dem Bund und dem Land Niedersachsen“ wurden dann im Jahre 1990 folgende Regelungen mit Blick auf die Gorleben-Thematik getroffen:

Zur Abgeltung von Sonderbelastungen, die auf das Land, den Landkreis Lüchow-Dannenberg und betroffene Gemeinden sowie auf die Stadt Salzgitter und den Landkreis Wolfenbüttel zukommen, leistet der Bund Pauschalzahlungen an das Land von insgesamt 90 Millionen DM in drei Raten à 30 Millionen DM für die Jahre 1990, 1991 und 1992.

Für den Fall der Nichteignung der Standorte Gorleben oder Salzgitter wurde eine Revisionsklausel aufgenommen. Das heißt also, wenn die Nichteignung von Gorleben oder von Schacht Konrad festgestellt worden wäre, wären entsprechende Zahlungen entfallen. Die Nichteignung ist aber bis heute nicht festgestellt.

Das Land verpflichtete sich, die Zahlungen des Bundes auf Land und betroffene Gebietskörperschaften aufzuteilen.

Zu Frage 2: Diese so genannten „Gorleben-Gelder“ wurden im Einzelplan 13 des Landeshaushaltes bei Kapitel 13 99, Titel 251 01 unter der Bezeichnung „Zuweisungen des Bundes“ veranschlagt, und zwar wie folgt: Laut Haushaltsplan 1979 ein Leertitel. Haushaltsrechnung: 50 Millionen DM. Der Leertitel erklärt sich daraus, dass 1978 der Haushaltsplan 1979 verabschiedet worden ist. Da führte man noch die Verhandlungen. Man erwartete Geld, wusste aber nicht, in welcher Größenordnung, und hat deshalb sowohl in der Einnahme als auch in der Ausgabe nur einen Leertitel veranschlagt, sodass das hinterher wieder haushaltsneutral abgebildet werden konnte.

1980: 58,15 Millionen DM im Haushaltsplan veranschlagt, in der Haushaltsrechnung 50 Millionen DM. Der Titel wurde seinerzeit im Haushaltsplan wie folgt erläutert:

„Der Bund hat sich durch Verwaltungsvereinbarung vom 9. Februar 1979 nebst ergänzendem Schriftwechsel verpflichtet, die Belastungen des Landes und der betroffenen Kommunen im Zusammenhang mit dem Genehmigungs- und Planfeststellungsverfahren für das Projekt Endlager Gorleben auszugleichen.“

Ab 1990, also später, lautete die Erläuterung:

„Die Bundesmittel dienen dem teilweisen Ausgleich der dem Land aus den Projekten entstehenden Belastungen“.

Warum nicht 50 Millionen DM, sondern 58,15 Millionen DM? - Die Landesregierung hatte in dem Haushaltsplanentwurf noch einen höheren Betrag vorgesehen. Die Differenz zu 58,15 Millionen DM ist in den Beratungen des Haushaltsausschusses aber herausgenommen worden, weil das Land keine Zahlungen mehr vom Bund erwartet hatte, diese 8,15 Millionen DM aber auf Bitten des Landkreises dringelassen wurden, weil er darüber mit dem Bund weiter verhandeln wollte. Um diese Position nicht zu schwächen, ist die Differenz damals dringeblieben. Aber auch diese 8,15 Millionen DM sind nicht vom Bund gekommen. Deshalb steht in der Haushaltsrechnung: 50 Millionen DM.

1981 sind ebenfalls 58,15 Millionen DM im Haushaltsplan veranschlagt und laut Haushaltsrechnung 50 Millionen DM gekommen. 1982: veranschlagt 50 Millionen DM und laut Haushaltsrechnung 50 Millionen DM gekommen. 1983 sind 50 Millionen DM veranschlagt, aber keine Gelder gezahlt worden. In 1984 hat es dann wiederum einen Leertitel gegeben. Ich sagte schon: 1984 hat man die Prolongation verhandelt. Auch da ist kein Geld gekommen. 1985 bis 1988 sind im Haushaltsplan jeweils 30 Millionen DM als Einnahme veranschlagt und laut Haushaltsrechnung auch jeweils 30 Millionen DM eingenommen worden. 1989 hat es dann wieder einen Leertitel im Haushaltsplan gegeben. Laut Haushaltsrechnung ist nichts eingegangen. Für die Jahre 1990, 1991 und 1992 sind in den Haushaltsplänen jeweils 30 Millionen Euro veranschlagt worden und laut Haushaltsrechnung auch geflossen.

Direkt aus dem Einzelplan 13 wurden in der Titelgruppe 61 insgesamt 134,9 Millionen DM als „Leistungen an Dritte im Zusammenhang mit dem Projekt Endlager Gorleben - Erstattungen an Gemeinden -“ verausgabt.

Ich sagte, dass es im Jahr 1979 in der Ausgabe einen Leertitel gegeben hat. Laut Haushaltsrechnung sind 4,1 Millionen DM ausgezahlt worden. 1980 hat es laut Haushaltsplan 12,25 Millionen DM gegeben, 4,1 Millionen DM sind ausgezahlt worden. 1981 waren im Haushaltsplan 13,15 Millionen DM, 5,3 Millionen DM wurden gezahlt. 1982: 6,05 Millionen DM, 6,0 Millionen DM sind gezahlt worden. 1983: 6,05 Millionen DM, 6,5 Millionen DM

wurden laut Haushaltsrechnung gezahlt. 1984: 8,85 Millionen DM, Haushaltsrechnung: 7,5 Millionen DM. 1985: 10,05 Millionen DM veranschlagt, die Haushaltsrechnung weist 10 Millionen DM aus. 1986: 11,35 Millionen DM im Haushaltsplan, 9,5 Millionen DM in der Haushaltsrechnung. 1987: 10,05 Millionen DM im Haushaltsplan, 10,3 Millionen DM in der Haushaltsrechnung. 1988: 8,55 Millionen DM im Haushaltsplan, 8,5 Millionen DM in der Haushaltsrechnung. 1989: 0,05 Millionen DM, also 50 000 DM; Haushaltsrechnung: 0,0 Millionen DM bzw. exakt 266 DM. 1990: 25 Millionen DM, 1 Million DM laut Haushaltsrechnung. 1991: 30 Millionen DM, laut Haushaltsrechnung 37 Millionen DM. 1992: 25 Millionen DM laut Haushaltsplan, 25 Millionen DM laut Haushaltsrechnung verausgabt.

Weitere Ausgaben von rund 275 Millionen DM wurden in anderen Einzelplänen dem Vereinbarungszweck entsprechend verausgabt. Das ist wie folgt zu erklären: Die Gelder, die ich vorgelesen habe, sind dem Landkreis oder den Gemeinden unmittelbar zugewiesen worden. Die anderen Gelder sind dort veranschlagt, wo sie sachgerecht veranschlagt werden mussten; wenn es Personalkosten waren, dann im Einzelplan 11 oder im Einzelplan 09 oder wo auch immer sie angefallen sind. Das ist dem Bund dann im Einzelnen nachgewiesen worden.

Zu Frage 3: Zwischen dem Land Niedersachsen und dem Bund bestand beim Abschluss der Verwaltungsvereinbarungen Einigkeit, keine spezialgesetzlichen Rechtsgrundlagen zur Regelung der finanziellen Auswirkungen des geplanten Projektes heranzuziehen. Rechtsgrundlage war die generelle Befugnis der beiden Gebietskörperschaften zum Abschluss öffentlich-rechtlicher Verträge, die die Zahlungen von Geldleistungen zum Inhalt hatten. Ich habe schon erläutert, dass Gebietskörperschaften miteinander Verträge öffentlich-rechtlicher Art schließen können. Aufgrund dieser Verträge wird entsprechend gezahlt bzw. dann, wenn die Voraussetzungen nicht vorliegen, nicht. Darauf habe ich eben hingewiesen.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Vielen Dank, Herr Minister. - Die erste Zusatzfrage wird von Herrn Humke-Focks von der Fraktion DIE LINKE gestellt.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Vor dem Hintergrund der Tatsache, dass die Landesregierung im Zusammenhang mit einer möglichen Rückzahlung an den Bund davon gesprochen hat, dass diese Ansprüche nach 30 Jahren verjährt und daher nicht mehr abzurechnen seien, frage ich die Landesregierung: Woraus ergibt sich diese Verjährungsfrist? Bedeuten die 30 Jahre nicht, dass die Zahlungen nach 1980 durchaus noch rückforderbar wären?

Herr Minister!

Der Vertrag von 1979 enthält in § 8 Abs. 4 die folgende Vereinbarung:

„Falls sich der Standort Gorleben als ungeeignet erweisen sollte, sind die entstandenen Kosten im gegenseitigen Einvernehmen abzurechnen.“

In der Vereinbarung - - -

(Zuruf von Wolfgang Jüttner [SPD])

- Ich muss das nicht überlegen; ich muss das nachgucken, Herr Jüttner. - In § 5 der Verwaltungsvereinbarung von 1990 ist geregelt: Das Land sagt zu, die gegen den Bund anhängig gemachte Klage vor dem Bundesverwaltungsgericht auf höhere Erstattungen nach dem - - - Hochschulbau? - Nein, das ist ein falscher Vertrag. Entschuldigung.

(Patrick-Marc Humke-Focks [LINKE]: Nur keine Hektik! - Pia-Beate Zim- mermann [LINKE]: Wir haben Zeit! - Heiterkeit)

Es gibt einen Abschlussvertrag von 1990, den ich Ihnen heraussuchen muss. Ich habe ihn im Moment in der Akte nicht gefunden. Wenn Sie es mir gestatten, dann gucke ich eben nach.

(Patrick-Marc Humke-Focks [LINKE]: Kein Problem!)

Gut. - Meine Damen und Herren, da ich annehme, dass der Minister nachgucken lässt, kann er sich auf die Frage von Herrn Dr. Sohn konzentrieren, der der nächste Fragesteller ist.

(Minister Hartmut Möllring begibt sich zum Redepult)