- Herr Ministerpräsident, Sie müssen sich da entscheiden! Sie können nicht bei VW in Wolfsburg und Braunschweig die Mitbestimmung loben, sagen, dass das Unternehmen nicht trotz, sondern wegen der Mitbestimmung so erfolgreich ist, und die freigestellten Betriebsräte loben und zugleich in
Bezug auf Herrn Brandt sagen, dass er sein Amt missbraucht und seiner Lehrertätigkeit nicht nachgeht. Da sollten Sie sich entscheiden, Herr Ministerpräsident.
(Beifall bei der LINKEN und bei den GRÜNEN - Björn Thümler [CDU]: Frau Weisser-Roelle, er ist nicht Be- triebsrat! Aber ich freue mich natürlich grundsätzlich über die Aussagen. Sie sagten, Sie sprechen für die Landesregierung. Vielleicht müssen Sie mit Ihrer kleinen Fraktion einmal in Klausur gehen; Frau König hat da ganz andere Andeutungen gemacht. Vielleicht können Sie sich ja einigen. (Gabriela König [FDP]: Ich glaube, Sie haben das falsch verstanden!)
Frau Merkel hat bei einem Wahlaufruf für den CDA eindeutig gesagt, dass sich die Mitbestimmung bewährt hat, und hat dazu eindeutig richtige Aussagen getroffen; der Ministerpräsident hat das bestätigt. Wir können diese Aussagen nur unterstützen.
Sie haben ganz eindeutig die Position der FDP vertreten. Darüber möchte ich jetzt ein paar Worte mehr verlieren.
Die FDP möchte, dass Betriebsräte erst in Betrieben mit 20 statt bisher mit 5 Beschäftigten gebildet werden können. Frau König hat sehr absurde Vorstellungen dazu geäußert, warum das nötig sei.
Mit dieser Forderung der FDP stellen Sie, Frau König, die Existenz der Betriebsratsgremien in rund 28 000 Betrieben infrage. 300 000 Beschäftige stünden nach Ihren Vorschlägen ohne ihre gewählten und mit gesetzlichen Rechten - - -
(Gabriela König [FDP]: Das stimmt doch gar nicht! - Christian Grascha [FDP]: Das ist schlicht die Unwahr- heit!)
Sie stellen die Rechte der Betriebsräte infrage. Auch die Freistellung von Betriebsräten wollen Sie nicht, weil es ein Kostenfaktor ist.
Meine Damen und Herren, das Wort „betriebsratverseucht“ wurde nicht zu Unrecht das Unwort des Jahres. Ich meine, dieses Wort ist nicht nur eine sprachliche Entgleisung einiger Manager und auch Politiker. Es steht vielmehr für den antidemokratischen Ungeist, der SPD und Wirtschaftslobbyisten seit Jahrzehnten erfasst hat, meine Damen und Herren.
Meine Damen und Herren, der Staat ist aber Ausdruck unserer politischen Ordnung, die auf umfassenden Partizipationsrechten für alle Bürger beruht.
Das, meine Damen und Herren, ist das Prinzip der Demokratie. Aber Liberale - Sie nennen sich ja immer noch so, handeln jedoch nicht mehr so - wollen das für einen wesentlichen Teil unserer Gesellschaft nicht gelten lassen; Frau König hat es deutlich gemacht. Ihr Ziel ist es, dass die Wirtschaft und das Arbeitsleben von der demokratischen Gestaltung ausgeschlossen bleiben, indem Sie keine Betriebsräte in kleinen und Mittelbetrieben bilden lassen wollen. Das ist eine antidemokratische Gesinnung. Wir haben das alles heute Morgen in Beiträgen in der Aktuellen Stunde schon hören können. Das ist der Nährboden für die merkwürdige Rede von „betriebsratsverseuchten“ Unternehmen und die Bekämpfung von Betriebsräten bei Lidl und Schlecker und anderswo. Ihre Haltung rechtfertigt es, wie Lidl und Schlecker handeln. Aus Ihrer Haltung kommt das Wort „betriebsratsverseucht“ hervor.
(Jan-Christoph Oetjen [FDP]: So ein Quatsch! Woher nehmen Sie eigent- lich diese Gedanken her? Was ma- chen Sie eigentlich nachmittags?)
Ich kann den Worten des Kollegen Schminke und auch dem SPD-Antrag uneingeschränkt zustimmen. Ich wünsche mir heute, dass wir diesem Antrag zustimmen und eine sofortige Abstimmung herbeiführen.
Ich habe mir überlegt, warum wir nicht die Gelegenheit nutzen, über dieses wichtige Thema nicht noch einmal in den Ausschüssen zu diskutieren. Aber die Wahlen beginnen im März. Wenn sich dieses Haus hier heute hinter Betriebsratswahlen stellt und sagt, dass wir in unserer Demokratie starke Interessenvertreter benötigen - der Herr Ministerpräsident hat das unterstrichen -, dann erwarte ich von der CDU - die FDP hat sich dagegen ausgesprochen -, dass wir diesem Antrag heute hier mehrheitlich zustimmen, mit einem gemeinsamen Appell in die Belegschaften gehen und den Menschen sagen: Jawohl, starke Betriebsräte sind wichtig! Wählt und sichert eure Interessenvertretung!
Herr Präsident! Meine Kolleginnen und Kollegen! Die Betriebsratswahlen vom 1. März bis 31. Mai 2010 sind ein sehr wichtiges Ereignis für unsere Wirtschaft. In Westdeutschland vertreten Betriebsräte fast jeden zweiten Beschäftigten in privatwirtschaftlichen Betrieben mit mindestens fünf Arbeitnehmern. Das sind weit über 10 Millionen Beschäftigte.
Das gilt auch für die Verurteilung der gezielten Behinderung der Gründung von Betriebsräten, Herr Kollege Schminke. Die CDU ist die Partei der
Das hat auch Bundeskanzlerin Angela Merkel als CDU-Vorsitzende bereits durch ihren Wahlaufruf klargestellt, der unter dem Motto steht: Die betriebliche Mitbestimmung hat eine hohe Bedeutung für die wirtschaftliche und soziale Stabilität unseres Landes. - Das hat auch unser Ministerpräsident gerade sehr deutlich gesagt.
Nach dem Scheitern der Hattenheimer Gespräche zwischen den Sozialpartnern brachte die CDU/CSU-Fraktion im Deutschen Bundestag bereits am 17. Mai 1950 den ersten Gesetzentwurf ein. Der Bundestag hat dann, im Jahre 1952, das Betriebsverfassungsgesetz verabschiedet. Seitdem hat es sich als Eckpfeiler der sozialen Marktwirtschaft bewährt. Es ist Teil des deutschen Modells „Sozialpartnerschaft statt Klassenkampf“ geworden. Das bedeutet: Die Betriebsräte haben die Aufgabe der kollektiven Vertretung der Individualinteressen der Arbeitnehmer gegenüber dem Arbeitgeber bis hin zur gleichberechtigten Teilhabe vor allem in personellen und sozialen Angelegenheiten. Der gemeinsame Aufruf der evangelischen und der katholischen Kirche zu den Betriebsratswahlen 2010
hebt zu Recht die Verwurzelung der betrieblichen Mitbestimmung in der christlichen Sozialethik als Ausdruck der verantworteten Freiheit des Menschen und seiner Personenwürde hervor. Die Betriebsverfassung als rechtliche Verfassung sichert das Prinzip, dass der Mensch im Mittelpunkt des unternehmerischen Handelns stehen muss. Damit verbunden ist das Prinzip der betrieblichen Demokratie. Der Arbeitgeber ist nicht mehr alleiniger Herr im Hause, liebe Frau König. Die Demokratie hört nicht am Werktor auf,
Auf dieser Grundlage sind soziale Partnerschaft im Betrieb mit vertrauensvoller Zusammenarbeit und gerechtem Interessenausgleich zwischen Arbeitnehmern und Arbeitgebern zum zentralen Erfolgsfaktor der deutschen sozialen Marktwirtschaft geworden. Die dadurch erreichte produktive Kraft des sozialen Friedens zeigt sich im internationalen Vergleich deutlich. In Zeiten der Globalisierung hat die betriebliche Mitbestimmung in den letzten Jahren einen enormen Beitrag zur stark verbesserten internationalen Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Unternehmen geleistet. Deswegen ist es gut, dass die Union im Berliner Koalitionsvertrag die Sicherung der Arbeitnehmerrechte durchsetzen konnte. Kündigungsschutz und Mitbestimmung bleiben unangetastet.
Einen erneuten sehr erfolgreichen Härtetest legt die betriebliche Mitbestimmung in der aktuellen Finanz- und Wirtschaftskrise ab. Für Unternehmen mit Betriebsrat hat sich gezeigt, dass sie die Krise gemeinsam mit der Belegschaft besser meistern können. Deshalb tut jedes Unternehmen gut daran, aktive Betriebsräte zu haben; denn die Arbeitnehmer haben größtes Interesse am Erhalt ihrer Arbeitsplätze. Das bündeln starke und gut qualifizierte Betriebsräte gemeinsam mit der Arbeitgeberseite in den erforderlichen betrieblichen Maßnahmen. So werden Betriebsräte vielfach zu CoManagern. Bereits in den vergangenen Jahren haben die Betriebsparteien die stark ausgeweiteten tariflichen Öffnungsklauseln auch zur Beschäftigungssicherung in sehr hohem Umfang genutzt und flexible Arbeitszeitmodelle in Gestalt von Betriebsvereinbarungen umgesetzt.
In der Krise ist das jetzt besonders stark geschehen, einschließlich der Einführung des auf bis zu 24 Monate verlängerten Kurzarbeitergeldes, und dies mit gewaltigem Erfolg für die Beschäftigungssicherung. Das Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung hat eben berichtet, dass flexible Arbeitszeiten und Kurzarbeit im vergangenen Jahr rechnerisch 1,2 Millionen Arbeitsplätze gesichert haben. Dadurch konnte die Wucht der Wirtschaftskrise zu großen Teilen abgefedert werden, allerdings um den Preis hoher finanzieller Opfer auf Arbeitnehmer- und Arbeitgeberseite.