Protokoll der Sitzung vom 17.02.2010

(Beifall bei den GRÜNEN)

Ich will das begründen.

Fakt 1: Eine Sanierung dieses Plenarsaals ist überfällig. Ein Verzicht auf eine Entscheidung wäre nur kurzfristig billiger, weil viele Einzelmaßnahmen am Ende teurer würden als eine Gesamtsanierung.

Fakt 2: In den nächsten Jahren muss dieser Landtag sehr schwierige haushaltspolitische Entscheidungen treffen. Vieles, was heute noch für notwendig befunden wird, kommt angesichts der desaströsen Lage unseres Landeshaushalts und seiner Kommunen auf den Prüfstand.

Fakt 3: Abriss und Neubau des Plenarsaals sind eindeutig teurer als Umbau und Sanierung des Oesterlen-Baus. Der Gewinner im Architektenwettbewerb hat vorgestern gegenüber den Medien erklärt, dass sein Entwurf noch gar nicht durchgerechnet sei. Das wundert uns sehr, weil er diesen Bau anspruchsvoll gründen müsste, und zwar auf dem U-Bahntunnel und im Seitenraum der Leine.

Von daher scheint eines schon sicher: Das Abrissprojekt wird etliche Millionen teurer als der Umbau und die Sanierung.

(Ulf Thiele [CDU]: Schön, dass Sie das alles schon vorher wissen!)

Der Abstand lässt sich beim Umbau durch Weglassen der Tiefgarage noch deutlich vergrößern.

(Zustimmung bei den GRÜNEN)

Meine Damen und Herren, immer würde man fragen, ob die teuerste Variante, das größte Raumprogramm und die neue Tiefgarage wirklich notwendig gewesen wären. Immer würde man fragen, ob der Landtag und die Regierung beim Haushaltsgesetz und beim Denkmalschutzgesetz nicht mit zweierlei Maß gemessen haben.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Das, meine Damen und Herren, sind zentrale Fragen der Glaubwürdigkeit, die unser Haus betreffen. Die Gesetze, die wir machen, gelten für alle gleich. Das gilt zu allererst für uns selbst. Hier schützt das Denkmalschutzgesetz ein kulturelles Erbe, das sich bewusst mit der Nazidiktatur auseinandergesetzt hat.

Der Zweite Weltkrieg hat in Hannover nur ganz wenige historische Gebäude hinterlassen. Von dem, was stehen blieb, fiel eine zweite Welle der Abrissbirne zum Opfer. Es war dann Oesterlens Verdienst, neben dem Plenarsaal das historische Leineschloss in der Außenansicht zu rekonstruieren.

Wenn wir hier historische Linien suchen, dann sollten wir hier anknüpfen, und zwar bei einem Bau, der die aus Trümmern auferstandene Demokratie symbolisiert, und nicht allein bei Laves, dem Baumeister des Königs. Wir sollten auch das Motto von Oesterlen vom Weiterbau aufnehmen und es konstruktiv weiterentwickeln. Gute Vorschläge wurden dazu gemacht.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Meine Damen und Herren, ein zusätzliches Parkhaus unter dem Plenarsaal ist eine völlig überflüssige Investition. In einer Entfernung von wenigen Metern von hier finden Sie allein vier Parkhäuser mit vielen freien Plätzen. Wenn hier wirklich noch etwas Innovatives entstehen sollte, dann wäre es doch eher ein Kindergarten für die Beschäftigten und Abgeordneten hier im Hause mit kleinen Kindern.

(Beifall bei den GRÜNEN - Björn Thümler [CDU]: Ja, da könnt ihr dann hingehen!)

„Kinder“ hört sich nach Zukunft an, „Tiefgarage“ aber nicht. Ich bin mir sicher, meine Damen und Herren, dass die Qualität der Arbeit hier im Haus nicht davon abhängt, ob der Landtag quasi zu einem Drive-in wird.

Wenn wir nach Attributen suchen, die den Plenarsaal beschreiben, dann plädiere ich für Offenheit und gegen Tunnelblick, für Verantwortung und gegen unnötige Mehrkosten, für das kulturelle Erbe und gegen den Abriss. Oder, um es in Anlehnung an Schiller zu sagen: Keines Tempels heitre Säule zeuget, dass man Götter ehrt. Schwingt man jetzt die Abrisskeule, läuft im Landtag was verkehrt.

(Beifall bei den GRÜNEN - Björn Thümler [CDU]: Das kann nicht von Schiller sein! - David McAllister [CDU]: Das war eher von Zimmeck!)

Die Jury hat gesprochen, Herr McAllister, aber die Entscheidung der Baukommission steht aus. Wir hoffen auf eine weise Entscheidung.

Ich danke Ihnen.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Meine Damen und Herren, die Auffassung der Fraktion DIE LINKE trägt nun Frau Reichwaldt vor. Bitte!

(Beifall bei der LINKEN)

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Jury hat entschieden. Mir persönlich gefällt der Siegerentwurf des Architektenwettbewerbs. Vielleicht sind Sie zum Teil anderer Meinung.

Als Baukosten veranschlagt sind 45 Millionen Euro. Diese Mittel wurden mit der Mehrheit dieses Hauses vor Weihnachten letzten Jahres in den Haushalt eingestellt. Guten Gewissens für das Land Niedersachsen zu finanzieren sind diese Mittel mit Sicherheit nicht.

Glaubte man der Presse am Montag, könnte man meinen, Kritik am Wettbewerb und am Ergebnis sei ausschließlich von der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen geübt worden. Das ist so nicht richtig. Auf

grund der aktuellen katastrophalen Entwicklung der Landes- und Kommunalfinanzen hat unsere Fraktion als einzige ein Moratorium für den Architektenwettbewerb gefordert und sich gegen Um- und Neubaupläne zum jetzigen Zeitpunkt ausgesprochen.

(Beifall bei der LINKEN)

Konsequent haben wir in den Haushaltsberatungen des letzten Jahres gegen diese Finanzierungspläne gestimmt. Diese Stimme verhallte ungehört. Auch wenn ich zugebe, dass Sanierungsbedarf besteht: Ein solch teures Projekt muss, wenn so viele öffentliche Aufgaben vorrangig zu finanzieren sind, nicht sein. In der jetzigen wirtschaftlichen und sozialen Situation ist ein Um- oder Neubau nicht gerechtfertigt. Das Geld sollte stattdessen z. B. zur Sanierung von Krankenhäusern und Schulen verwendet werden, gegebenenfalls durch Unterstützung der kommunalen Träger.

(Beifall bei der LINKEN)

Wir haben uns der Mitarbeit in der Jury trotzdem nicht entzogen. Ich nehme mir das Recht, mich kommentierend einzumischen. Ich bin keine Anhängerin des Oesterlen-Baus. Unbestritten ist er jedoch ein herausragendes würdiges Beispiel niedersächsischer Nachkriegsarchitektur. Parlament braucht einen würdigen, dem eigenen Auftrag angemessenen Rahmen. In einer parlamentarischen Demokratie sollte ein Parlament auch das Recht haben, diesen Rahmen selbst zu bestimmen.

Aber wird der Siegerentwurf diesen Kriterien gerecht? Wird dieser Entwurf, sollte er umgesetzt werden, wirklich genauso eigenständig beeindruckend wirken wie der Oesterlen-Bau? Würde er einem Vergleich standhalten? - Ich habe Zweifel. Zumindest wäre bei diesem Entwurf das Denkmal der Göttinger Sieben gerade noch gerettet.

Ziel des Wettbewerbs war es auch, die Idee Oesterlens weiterzuentwickeln. Der zweite Preisträger versucht denn auch einen Umbau im vorhandenen Bestand. Fast alle Fachleute vermuteten bei diesem Entwurf, dass eher auch hier ein Abriss und Neubau notwendig wäre. Die Kosten wären dann mit Sicherheit nicht niedriger als bei einem Neubau.

(Zustimmung von Hans-Werner Schwarz [FDP])

Auch dieser Vorschlag gefällt. Nur, ist das wirklich eine Weiterentwicklung des Nachkriegsdenkmals? Was bleibt vom Denkmal? - Die markante Seiten

front zur Leinstraße wäre von Fensterschlitzen unterbrochen, um den Tageslichtanforderungen der Ausschreibung gerecht zu werden. Die Göttinger Sieben wären im Blick der Abgeordneten - vielleicht ein lohnenderer Ausblick als manchmal innerhalb des Parlaments.

(Beifall bei der LINKEN - Lachen bei der CDU)

Ich bin insgesamt etwas enttäuscht über das Wettbewerbsergebnis. Sogar mir beginnt der Oesterlen-Bau aufgrund seiner Einzigartigkeit zu gefallen.

(Björn Thümler [CDU]: Oje! Das mussten Sie jetzt auch sagen, Frau Reichwaldt!)

Warum haben insgesamt so wenige Wettbewerbsteilnehmer überhaupt eine Lösung im vorhandenen Bestand versucht? - Hier wird ein Grundproblem deutlich. Gegen den Widerstand nicht nur unserer Fraktion wurden die Wettbewerbsvorgaben für Raumbedarf, Tageslichtzufuhr oder Parkmöglichkeiten so weit gefasst, dass ein Umbau im vorhandenen Bestand praktisch ausgeschlossen war.

Die geplante Tiefgarage halten wir für völlig überflüssig. Die Vorgaben für Nachhaltigkeit und Energieeffizienz waren in vielem begrüßenswert und wurden bei allen prämiierten Wettbewerbsvorschlägen eingehalten. Das bedeutet aber nicht die von uns geforderte vollständige CO2-Neutralität.

Zurück zu den Kosten. Veranschlagt und genehmigt für den Neubau sind 45 Millionen Euro. Aber glauben Sie ernsthaft, dass diese veranschlagte Summe reichen wird? Ähnliche Bauvorhaben der letzten Jahre - egal ob für einen Neubau oder einen Umbau - lassen ungleich höhere Kosten befürchten. Die Linke hat daher ein Ratespiel zum Landtagsumbau ausgelobt: Wer richtig tippt, wie teuer der geplante Umbau wirklich wird, wird von der Fraktion zu einem Besuch im Landtag eingeladen.

(Zurufe: Oh! Das ist ja toll!)

Dann kann das Ergebnis besichtigt werden: im neuen Landtag, in der nächsten Legislaturperiode und bei der neuen Fraktion der Linken im Niedersächsischen Landtag.

(Zuruf: Sind Sie denn dann noch ver- treten?)

- Ich bin mir ganz sicher, dass es dann eine neue Linksfraktion geben wird. Dieses Bauvorhaben wird auch dazu beitragen.

Vielen Dank.

(Beifall bei der LINKEN)

Meine Damen und Herren, der Kollege Schwarz von der FDP-Fraktion trägt nun deren Standpunkt vor. Bitte!