Protokoll der Sitzung vom 19.02.2010

Ich erteile dem Kollegen Adasch von der CDUFraktion das Wort.

Herr Präsident! Sehr verehrte Kolleginnen und Kollegen! Der vorliegende Entschließungsantrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen ist aus unserer Sicht durch bundesgesetzliche Regelungen insgesamt überflüssig geworden.

(Beifall bei der CDU - Hans-Dieter Haase [SPD]: Du weißt, dass das nicht so ist!)

- Die SPD müsste hier zustimmen. Sie hat es in Berlin mit ausgehandelt.

(Hans-Dieter Haase [SPD]: Es ist noch nicht erledigt! Das haben wir doch diskutiert!)

Herr Kollege Limburg, ich habe Ihnen bereits an anderer Stelle erläutert, dass es aus unserer Sicht nicht zielführend ist, dass Sie immer wieder versuchen, den Bezug zum Verbraucherschutz und zu den Verbraucherzentralen herzustellen.

Der Bundesgesetzgeber hat mit dem Gesetz zur Bekämpfung unerlaubter Telefonwerbung und zur Verbesserung des Verbraucherschutzes bei besonderen Vertriebsformen bereits im Sommer letzten Jahres wirksame Maßnahmen getroffen. Es gibt für den Verbraucher substanzielle Verbesserungen. Den Verbrauchern hat der Bundestag im Umgang mit diesen ungeheuerlichen Anrufen mehr Selbstvertrauen gegeben. Niedersachsen hat sich hier über den Bundesrat erfolgreich in den Diskussions- und Entscheidungsprozess eingebracht.

Die jetzige Praxis vieler unerlaubter Werbeanrufe durch schwarze Schafe der Branche - das trifft sicherlich nicht auf die gesamte Branche zu - ist ein Ärgernis für die Menschen in Deutschland. Fast neun von zehn Deutschen fühlen sich durch Werbeanrufe belästigt. Es handelt sich um ein Massenphänomen und um kein Einzelphänomen. Es

ist zugleich ein Ärgernis für den Rechtsstaat; denn dieses Verbot steht seit einigen Jahren im UWG, im Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb. Trotzdem wird dieses Verbot in den letzten Jahren mit zunehmender Tendenz ignoriert.

Der Gesetzgeber konnte vor diesem Hintergrund nicht untätig bleiben und musste den unseriösen Unternehmen der Branche die passende Antwort geben. Nach der neuen Rechtslage muss eine ausdrückliche Einwilligung vorliegen. Es reicht nicht mehr aus, dass ein Callcenter meint, es liege schon eine Einwilligung vor oder man könne aus einem bestimmten Verhalten auf eine Einwilligung schließen. Dass eine ausdrückliche Einwilligung gegeben sein muss, gibt deutlich mehr Rechtssicherheit. Die anrufenden Callcenter müssen nun ihre Rufnummer anzeigen. Das hat mehrere Effekte. Zum einen kann man Verdacht schöpfen, wenn keine Nummer angezeigt wird, zum anderen kann man als Verbraucher dann, wenn eine Nummer angezeigt wird, zurückverfolgen, wer möglicherweise eine Rechtsverletzung begangen hat. Für den Fall, dass die Regeln verletzt werden, kann ein Bußgeld in Höhe von 50 000 Euro verhängt werden. Das ist ein durchaus stattlicher Betrag. Dieser Betrag kann aufgrund mehrerer Einzelfälle auch mehrfach von einem Unternehmen gefordert werden. Wenn sich ein Unternehmen beharrlich und auf lange Sicht diesen Rechtsregeln verweigert, kann das Bußgeld deutlich höher sein als 50 000 Euro und im sechs- oder siebenstelligen Bereich liegen.

(Hans-Dieter Haase [SPD]: Sag doch einmal etwas zum Antrag!)

Bei dauerhaften Lieferungen - dazu zählen etwa Telefon- und Stromverträge - greift jetzt eine Bestätigungsregelung, die ebenfalls zu mehr Rechtssicherheit führt.

Das Gesetz ermöglicht zudem ein gezieltes Vorgehen gegen Abo-Fallen im Internet, aber auch im Telefonbereich. Da wurden bisher Lücken im Widerrufsrecht ausgenutzt. Das Widerrufsrecht wurde deutlich gestärkt. Durch ein Lockangebot kann man nun nicht mehr zwölf Monate oder länger kostenpflichtig gebunden werden. Die genannten Maßnahmen sind effektiv, sie sind klar und wirksam. In den Ausschussberatungen haben wir im Rahmen der Unterrichtung diese deutlichen Verbesserungen erörtert: weniger Ausnahmen, damit mehr Widerrufsmöglichkeiten.

Die Forderung, dass grundsätzlich alle Verträge, die aus Werbeanrufen resultieren, einer schriftli

chen Bestätigung des Verbrauchers bedürfen, würde einen Systemwechsel bedeuten. Ich halte das für deutlich übertrieben. Wir würden Gefahr laufen, im Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb Regeln über die Aufstellung von Verträgen festlegen zu müssen. Das hieße, dass wir das, was wir erreicht haben, also die gesamten Regeln über den Vertragsabschluss in das BGB zurückzuholen, wieder aufgeben und die Rechtsordnung fragmentieren würden. Gleichzeitig würden wir die Unsicherheit, ob ein Anruf erlaubt oder unerlaubt war, in alle möglichen Zivilprozesse über die Gültigkeit des Vertrages verlagern. Das Gesetz schafft wichtige und wirksame Verbesserungen, die passgenau auf das Problem zugeschnitten sind.

(Hans-Dieter Haase [SPD]: Aber noch nicht ausreichend!)

Es wird nicht übertrieben reagiert, Herr Kollege Haase, sondern sehr angemessen und wirksam. Nach unseren Wahrnehmungen zeigen die neuen gesetzlichen Regelungen bereits Wirkung.

(Beifall bei der CDU)

Wir werden die weitere Entwicklung beobachten. Der Bundesgesetzgeber hat eine Evaluation des Gesetzes vorgesehen. Ob dann weitergehende Änderungen erforderlich sind, wird zu gegebener Zeit zu prüfen sein.

Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Zu einer Kurzintervention erteile ich dem Kollegen Limburg das Wort.

Vielen Dank, Herr Präsident. - Herr Kollege Adasch, ein paar Dinge in Ihrer Rede habe ich überhaupt nicht verstanden. Ich möchte Sie bitten, sie hier gleich zu erklären.

(Jens Nacke [CDU]: Dafür kann er doch nichts!)

Sie haben unsere Forderung, dass es eine schriftliche Bestätigung für Verträge geben muss, die aus Werbeanrufen resultieren, kritisiert. Diese Forderung war Bestandteil eines von zahlreichen CDU- und FDP-Landtagsfraktionen unterstützten Antrages, der vom Bundesrat verabschiedet worden ist. Können Sie mir bitte erklären, warum Sie jetzt, anderthalb Jahre nach diesem Beschluss, in dieser Frage eine völlig andere Auffassung haben,

als Ihre Landesregierung damals im Bundesrat vertreten hat?

(Beifall bei den GRÜNEN)

Zweitens kritisieren Sie die Forderung unter Punkt b) in unserem Änderungsantrag. Dort heißt es - ich lese Ihnen das noch einmal vor -, dass die gesetzlichen Grundlagen so angepasst werden sollen, dass grundsätzlich alle Verträge, die aus Werbeanrufen resultieren, einer schriftlichen Bestätigung des Verbrauchers bedürfen.

Sie haben davon gesprochen, dass wir das im UWG regeln wollten und damit die Gesetze fragmentieren würden. Das aber ist überhaupt nicht Bestandteil unseres Änderungsantrags. Lesen Sie ihn einmal genau nach. Es geht um die gesetzlichen Grundlagen. Natürlich kann man das auch im BGB regeln. Damit haben wir überhaupt kein Problem. Es geht aber darum, dass es geregelt werden muss, meine Damen und Herren.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der LINKEN)

Ein letzter Punkt. Ich muss mich schon sehr wundern. Sie haben selbst gerade bestätigt, dass diese Praxis ein großes Ärgernis ist und dass es diese Praxis nach wie vor gibt. Sie haben darauf hingewiesen, dass sich neun von zehn Bundesbürgerinnen und -bürgern durch Werbeanrufe belästigt fühlen. Wenn Sie trotzdem gegen eine Verschärfung der Vorgehensmöglichkeiten gegen diese unerlaubten Werbeanrufe sind, frage ich mich schon, welche rechtswidrigen Praktiken Sie hier decken wollen, Herr Kollege.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der LINKEN)

Möchte die CDU-Fraktion dazu Stellung nehmen? - Herr Kollege Adasch, bitte!

Herr Präsident! Meine verehrten Kolleginnen und Kollegen! Herr Limburg, ich glaube, ich habe es deutlich gemacht. Ich weiß nicht, warum Sie das nicht verstehen. Im letzten Jahr ist im Bundestag und im Bundesrat intensiv darüber beraten worden. Natürlich gab es auch Vorstellungen, noch weiter zu gehen.

(Hans-Dieter Haase [SPD]: Auch von Ihnen!)

Ich denke, wir können zunächst einmal zufrieden sein. Wir sind doch einen großen Schritt weiter vorangekommen. Lassen Sie das Gesetz jetzt doch erst einmal wirken. Ich habe ganz ausdrücklich gesagt: Wir werden das beobachten. Wir sind der Auffassung, dass sich die Situation inzwischen deutlich verbessert hat. Sie glauben doch nicht im Ernst, dass sich Bundestag und Bundesrat - das meine ich jetzt parteiübergreifend -, die sich mit diesem Gesetz, das erst seit wenigen Monaten in Kraft ist, intensivst beschäftigt haben, jetzt sofort wieder damit beschäftigen werden. Wir sollten doch stolz darauf und dankbar dafür sein - unsere Landesregierung hat daran doch intensiv mitgewirkt -, dass wir einen so großen Schritt weiter vorangekommen sind. Warten Sie doch erst einmal ab. Wir können doch nicht alles auf einmal regeln.

(Beifall bei der CDU)

Ich erteile jetzt Herrn Kollegen Professor Zielke das Wort.

(Ursula Helmhold [GRÜNE]: Sind Sie auch stolz und dankbar? - Professor Dr. Dr. Roland Zielke [FDP]: Ja, für diese Opposition! - Gegenruf von Hans-Dieter Haase [SPD]: Stolz kann man auf uns sein! Ohne Zweifel!)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wenig ist übrig geblieben vom Antrag der Grünen vom Juni 2008. Der jetzt vorliegende Änderungsantrag der Grünen zu ihrem eigenen Antrag ist von neun auf nunmehr nur noch drei Forderungen zusammengeschrumpft. Eine Begründung hat er auch nicht mehr.

(Helge Limburg [GRÜNE]: Die habe ich Ihnen doch mündlich gegeben! - Ursula Helmhold [GRÜNE]: Selbster- klärend!)

Vier konkrete Forderungen aus dem alten Antrag sind obsolet, weil der Bundestag im Juli 2009 das Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb novelliert hat und diese Forderungen dort eingebaut sind. Diese Forderungen waren übrigens keine Erfindung der Grünen, sondern sind mehr oder weniger von allen Parteien getragen worden. Sie bringen den Schutz der Verbraucher aber entscheidend voran - Kollege Adasch hat das sehr

richtig ausgeführt -, und sie bedeuten weit mehr als nur eine leichte Stärkung der Verbraucherrechte, wie die Grünen das in ihrem Änderungsantrag irrigerweise behaupten.

(Beifall bei der FDP)

Nun zu den drei Forderungen des vorliegenden Antragsrestes:

Zu Punkt a): Jeden einzelnen Verbraucher zu einem eigenständig Anspruchsberechtigten zu machen, könnte zu einem explosionsartigen Anstieg von Abmahnverfahren führen. Dieses Chaos kann niemand wollen, nicht nachdem wir erlebt haben, wie das Abmahnunwesen zum Volkssport spezialisierter Anwaltskanzleien pervertiert worden ist.

Punkt b) enthält eine Forderung, die Niedersachsen in der Tat schon im ersten Gesetzgebungsverfahren betrieben hat und weiterverfolgen wird. Insofern besteht kein besonderer Handlungs- oder Aufforderungsbedarf. Nebenbei: Sie haben den umfassenden Terminus „Verträge“ im ursprünglichen Antrag durch die Formulierung „grundsätzlich alle Verträge“ im Schrumpfantrag ersetzt. Welche Arten von Verträgen wollen Sie als „nicht grundsätzlich“ definieren? Reicht dann nicht die im neuen Bundesgesetz ohnehin vorgesehene Ausnahmeregelung?

Punkt c) ist natürlich interessant; denn § 10 UWG normiert eine staatliche Sanktion, eine Quasistrafe, im Vorgriff auf die Geltendmachung individueller zivilrechtlicher Schadenersatzansprüche, die dann aus der Strafzahlung beglichen werden. Dreh- und Angelpunkt dürfte hier in der Praxis der Nachweis des Vorsatzes sein. Aber anders als etwa beim verschwiegenen Mangel beim Autoverkauf - wir haben darüber gesprochen - dürfte auch die Hinzunahme der groben Fahrlässigkeit das Beweisproblem bei unerwünschter Telefonwerbung nicht wirklich lösen.

Insgesamt, glaube ich, sollten wir erst einmal abwarten, wie sich die neuen Gesetze bewähren. Möglicherweise kommt Änderungsbedarf später aus ganz anderen Ecken, als wir das jetzt im Blick haben.

Vielen Dank.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)