Protokoll der Sitzung vom 16.03.2010

Ich kann nur eines sagen: Eines müssen Sie endlich einmal lernen, Herr Schünemann. Im demokratischen Rechtsstaat sind eben nicht alle Mittel im Kampf gegen das vermeintlich Böse erlaubt. Auch Sie müssen endlich einmal verstehen, dass das Recht und die Gesetze auch für eine Regierung, auch für den Staat gelten. Ein Innenminister kann sich nicht einfach darüber hinwegsetzen.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der LINKEN)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, im Gegensatz zur Landesregierung und auch im Gegensatz zu den Koalitionsfraktionen haben wir aus der sehr guten Fachanhörung auch gelernt. Wir haben unseren eigenen Gesetzentwurf modifiziert.

Wir sagen jetzt: Ja, diese Kontrollen sollen weiter stattfinden, aber dort, wo sie hingehören, nämlich an großen Ausfallstraßen mit grenzüberschreitendem Verkehr; dafür waren sie ursprünglich einmal gedacht. Da soll die Polizei zukünftig weiterhin kontrollieren können. Wir heben damit die sogenannte Eingriffsschwelle an.

Das haben nicht nur die entsprechenden Fachjuristen gefordert, sondern auch der GBD hat immer wieder gesagt: So, wie die Norm jetzt im Polizeigesetz ausgestaltet ist, ist sie wahrscheinlich verfassungsrechtlich nicht in Ordnung. Sie müssen sie also strenger auslegen. Das haben wir in unserem entsprechenden Änderungsantrag auch gemacht.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich glaube, es ist deutlich geworden, dass die anlasslosen Kontrollen um Moscheen in Niedersachsen so, wie sie durchgeführt worden sind, rechtswidrig waren. Es ist gut, dass in diesem Hause auch nicht alle Koalitionsabgeordneten immer das mitmachen, was Sie an Überwachungs- und Sicherheitspolitik durchsetzen wollen, Herr Schünemann.

(Vizepräsident Dieter Möhrmann über- nimmt den Vorsitz)

Sie sind in der Frage der Verfassung und der Grundrechte ein schlechter Innenminister. Sie

achten nicht die Grundrechte. Sie strapazieren in diesem Hause die Wahrheit immer wieder bis aufs Äußerste. Sie sind in der Frage der Überwachung von politischen Gegnern mittlerweile eine Art Gesinnungsminister geworden.

Andere Leute, die in diesem Staate prominent sind, machen auch schwere Fehler. Aber sie treten dann vorbildhaft zurück. Sie, Herr Schünemann, geben anderen kluge Ratschläge, Sie beugen das Recht selbst, aber Sie kleben dann an Ihrem Sessel. Das ist kein politisches Vorbild.

(Lebhafter Beifall bei den GRÜNEN und bei der LINKEN)

Meine Damen und Herren, für die SPD-Fraktion spricht jetzt Herr Bachmann zu uns.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Eigentlich müsste ich jetzt für meine Fraktion einen Antrag stellen, den Ministerpräsidenten zu zitieren. Ich werde das nicht tun. Ich bitte aber darum, dass man ihm Bescheid sagt, dass er hier sehr gewünscht ist. Denn immer, wenn es um diesen Ressortminister geht, ist es besser, wenn er von Anfang an dabei ist; denn irgendwann muss er ja eingreifen.

(Beifall bei der SPD, bei den GRÜ- NEN und bei der LINKEN)

Er musste es ja auch an dieser Stelle tun.

Nun will ich Herrn Wulff gar nicht dafür loben, dass er eingegriffen hat, obwohl es hilfreich war; denn dass das immer schon seine Überzeugung war, dass die Praxis der Kontrollen im Umfeld von Moscheen in Niedersachsen nicht in Ordnung ist, kann man ihm so nicht abnehmen. Denn als der Gesetzentwurf der Grünen mit all der Begründung hier in erster Beratung behandelt wurde, war von Herrn Wulff keine Intervention zu hören.

Als wir in der Vergangenheit in mindestens drei Fällen Petitionen von betroffenen Moscheegemeinden hatten und wir „Berücksichtigung“ gefordert haben, weil das ein Verstoß gegen das Grundgesetz, gegen die Religionsfreiheit, ist, da kam von Ihnen nur der Hinweis auf „Sach- und Rechtslage“, aber keine Intervention des Ministerpräsidenten. Warum hat er denn zum Schluss interveniert? - Weil der öffentliche Druck, der Hinweis auf die klaren Rechtsverstöße gegen das Grundgesetz und gegen die Religionsfreiheit sowie

der Hinweis des Gesetzgebungs- und Beratungsdienstes und der angehörten Verfassungsjuristen ihm keine andere Wahl mehr gelassen haben.

(Wolfgang Jüttner [SPD]: So ist es!)

Es war eher so, dass das Drangsalieren für ihn Anlass zum Handeln war und nicht die Überzeugung.

(Beifall bei der SPD, bei den GRÜ- NEN und bei der LINKEN)

Meine Damen und Herren, unser Vertrauen in diesen Innenminister ist mehr als begrenzt, ich will sagen, es ist eigentlich auf dem Nullpunkt. Es wird in Zukunft sicherlich noch öfter die Situation geben, dass er hart an die Grenze geht, und er wird uns - wenn er im Amt bleibt - auch in Zukunft noch Verfassungsverstöße in Massen servieren.

(Widerspruch bei der CDU - Zustim- mung von Wolfgang Jüttner [SPD] - Filiz Polat [GRÜNE]: Sieben Gesetze waren verfassungswidrig!)

Herr Briese hat doch eben im Detail deutlich gemacht, an welchen Stellen das passiert ist. Das Schöne ist: Als Herr Wulff eingegriffen hat, hat der Innenminister gar nicht sofort reagiert. Mindestens zehn Tage lang ist er ihm weiter auf der Nase herumgetanzt und hat seinem eigenen Ministerpräsidenten widersprochen, bis er endlich sozusagen an der Kandare war und gehandelt hat.

(Zustimmung bei der SPD und bei der LINKEN)

Meine Damen und Herren, hier ist das Parlament, aber auch dieser Ministerpräsident, solange der Innenminister im Amt ist, zu hoher Sensibilität und Kontrolle aufgefordert.

Wir haben als eine der Konsequenzen der Feststellung der eindeutigen Verfassungswidrigkeit der Praxis der Kontrollen im Umfeld von Moscheen der letzten Jahre in Niedersachsen eine Gesetzesergänzung vorgeschlagen, die deutlicher und aus unserer Sicht auch besser ist als diejenige, die die Grünen vorgeschlagen haben. Herr Briese, mit Verlaub, wir meinen, dass die Kontrollen nicht nur auf Straßen, Fernstraßen und Autobahnen im grenznahen Bereich begrenzt werden sollten. Als wir § 12 Abs. 6 in der zweiten Hälfte der 1990erJahre in das damalige Gefahrenabwehrrecht Niedersachsens eingefügt haben, hatten wir dafür gute Gründe. Es ging dabei nicht nur um grenzüberschreitende Kriminalität, sondern es ging uns auch um Bandenkriege im Bereich des Prostituti

onsgewerbes. Das ist nicht immer grenzüberschreitend.

(Wolfgang Jüttner [SPD]: Es ist schon eine Grenzüberschreitung!)

Auch verdachtsunabhängige Kontrollen im Binnenland sind in diesem Zusammenhang gerechtfertigt. Diese wollen wir auch weiterhin ermöglichen.

Wir greifen aber auch eine Forderung von Gottfried Mahrenholz auf, dem heute schon einmal zitierten früheren Vizepräsidenten des Bundesverfassungsgerichts, und meinen, dass die Maßnahme nur zulässig ist, wenn anzunehmen ist, dass es sich gemäß § 2 Nr. 11 Nds. SOG um Straftaten von erheblicher Bedeutung handelt. In unserem Änderungsantrag fordern wir auch, dass Lageerkenntnisse vorliegen müssen, bevor dieser Ausnahmetatbestand des SOG angewendet wird. Es reicht nicht aus, dass sich ein Polizeiführer nur ein Lagebild macht. Und - das ist bei diesem Innenminister ganz besonders wichtig - wir brauchen eine klare Gesetzesnormierung, dass die begründeten Lageerkenntnisse schriftlich niederzulegen sind.

Denn über eines, Herr Schünemann, müssen Sie sich im Klaren sein: Sie können zukünftig bei jeder verdachtsunabhängigen Kontrolle im Umfeld von Moscheen oder an anderer Stelle - aufgrund der Erfahrungen, die wir mit Ihnen gemacht haben - damit rechnen, dass wir im zuständigen Fachausschuss des Landtags eine Unterrichtung beantragen werden, in der Sie uns detailliert den Anlass, die vorhandenen Lageerkenntnisse, den Ablauf der Überprüfung und den daraus gezogenen Erkenntnisgewinn darzulegen haben. Anders geht es nicht mehr mit Blick auf die Erfahrungen, die wir mit Ihnen gemacht haben, und vor dem Hintergrund der Tatsache, wie Sie dem Ministerpräsidenten auf der Nase herumgetanzt sind. Denn eigentlich sind Sie bis heute noch nicht davon überzeugt, dass Sie verfassungswidrig gehandelt haben. Sie glauben das bis jetzt noch nicht - davon kann ich sicher ausgehen.

(Minister Uwe Schünemann nickt - Ralf Briese [GRÜNE]: Da nickt er auch noch!)

- Er nickt, das ist völlig klar. Ich kenne ja seine Einstellung. Er ist wirklich zum Jagen getragen worden. Deswegen können wir Herrn Wulff an der Stelle - zumindest für die Schlussphase, als er sich endlich eingeschaltet hat - sehr dankbar sein, dass er diese Praxis beendet hat.

Deswegen, meine Damen und Herren, bitte ich Sie sehr, dem Änderungsantrag der SPD-Fraktion zuzustimmen. Im Ausschuss für Rechts- und Verfassungsfragen, aber auch im Innenausschuss hat der Gesetzgebungs- und Beratungsdienst des Landtages gesagt, er sei eine vernünftige Klarstellung bzw. Konkretisierung durch den Gesetzgeber. Damit wird in Zukunft die willkürliche Anwendung des SOG, die der dieser Innenminister bisher praktiziert hat, nicht mehr zugelassen.

(Beifall bei der SPD, bei den GRÜ- NEN und bei der LINKEN)

Meine Damen und Herren, der nächste Redner ist Herr Biallas für die CDU-Fraktion.

(Björn Thümler [CDU]: Der rückt das jetzt mal gerade!)

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren!

(Ralf Briese [GRÜNE]: Jetzt sind wir gespannt!)

Hat man die Reden eben so gehört wie ich, könnte man den Eindruck haben, als sei für die Verabschiedung eines Landesgesetzes einzig und allein ein Ressortminister zuständig.

(Ralf Briese [GRÜNE]: Nein, Sie wa- ren Mittäter! Sie sind nicht unschul- dig!)

- Ja, deswegen bin ich hier als „Mittäter“ erschienen, um Ihnen zu sagen, dass ein paar Dinge, die Sie hier angeführt haben, so nicht stimmen.

(Zustimmung bei der CDU)

Herr Kollege, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Bachmann?

Ich möchte versuchen, jetzt im Zusammenhang und frei vorzutragen.

(Klaus-Peter Bachmann [SPD]: Scha- de eigentlich! Ich könnte die These jetzt beweisen!)

- Herr Bachmann, wir kennen uns schon lange genug. Ihr Organ ist mir bekannt.

(Heiterkeit - Björn Thümler [CDU]: Keine Details!)