Drittens fordern Sie einen Mindestansatz von umgehend 60 neuen Stellen. - Ich habe hier keine Zahlen, sondern nur Anhaltspunkte genannt. Es gibt mehr Stellen. Also: Antrag erfüllt. Damit braucht er hier gar nicht weiter behandelt zu werden.
(Frauke Heiligenstadt [SPD]: Das stimmt doch gar nicht! - Wolfgang Jüttner [SPD]: Eben haben Sie ihn noch abgelehnt!)
Antrag erfüllt. Alle Bedingungen und alle Forderungen Ihrerseits befinden sich sozusagen auf dem Weg. Da das Kultusministerium und die Landesregierung all dies schon machen, sind Ihre Forderungen in Ihrem Antrag nur ein Nachklapp. Es passiert.
Liebe Ina Korter, was Ihre Anmerkungen zum Gegeneinander-Ausspielen angeht, will ich Folgendes anmerken: Wir haben dieses Unterstützungs- und Beratungssystem eingeführt. Das gilt für diesen Bereich. Zu diesem Unterstützungs- und Beratungssystem gehören, so wie Sie es auch gefordert und dargestellt haben, im Dreiklang die Schulpsychologen, die Beratungslehrkräfte und die Schulsozialarbeit in ihrer großen Ausformung. Das ist ein Teil des Unterstützungs- und Beratungssystems, das diese Landesregierung - bundesweit fast einmalig - neu eingeführt hat, aber nicht nur auf diesem Gebiet, sondern auch in Bezug auf die Unterstützung von Schulen, die nach Schulinspektionen Nachholbedarf haben.
Ich glaube, wir sind da auf einem sehr guten Weg. Dieser Weg wird jetzt durch die Ministerin und die Landesregierung vervollkommnet, indem wir das umsetzen, was Herr Poppe gefordert hat.
Als nächster Redner hat sich Herr Försterling von der FDP-Fraktion zu Wort gemeldet. Ich erteile Ihnen das Wort, Herr Försterling.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Das Thema ist wichtig und muss bearbeitet werden. Wir hätten es sicherlich gerne auch weiter gemeinsam bearbeitet. Aber nicht wir haben im Ausschuss auf eine Abstimmung gedrängt, sondern die Antragsteller wollten darüber abstimmen und nicht mehr gemeinsam an dem Thema arbeiten.
In der Tat zeigt sich - das ist hier angesprochen worden - bei all den schrecklichen Taten, die sich in der Vergangenheit ereignet haben, dass es keinen ausschließlichen Zusammenhang mit der Anzahl der Schulpsychologen pro Schüler gibt, sondern dass es - das hat Winnenden insbesondere gezeigt - eine Frage der systemischen Aufstellung von Schulpsychologie ist. Ich erinnere daran, dass der Amokläufer von Winnenden eben nicht mehr aktuell Schüler der Schule, sondern ein ehemaliger Schüler war. Das allein zeigt uns schon, wie wichtig es ist, dass die Schulpsychologie systemisch gut aufgestellt ist. Das ist sie meines Erachtens in Niedersachsen.
Es ist notwendig, dass wir dieses System vorhalten, um Problemsituationen bei Schülern zu erkennen, anzusprechen und zur Lösung beizutragen. Wir müssen beachten, dass sich Schüler meistens eben nicht freiwillig melden, wenn sie ein Problem haben. Es geht vielmehr darum, mit den Sozialpädagogen, den Sozialarbeitern, den Beratungslehrern und den anderen pädagogischen Mitarbeitern dafür Sorge zu tragen, dass Probleme möglicherweise gar nicht erst entstehen. Hier haben CDU und FDP bereits einiges auf den Weg gebracht, wie der Kollege Klare zutreffend ausgeführt hat.
Es geht aber auch darum, dass Lehrerinnen und Lehrer geschult werden, Problemsituationen zu erkennen, den Schüler anzusprechen, die Eltern einzubinden und schnell zu handeln. Das zeigt noch einmal recht deutlich, wie notwendig ein komplexes Hilfeleistungssystem ist.
Der Herr Kollege Klare hat eben auch zu Recht deutlich gemacht, dass wir im Kultusausschuss vonseiten der Landesregierung darüber unterrichtet worden sind, wie im Zuge der Neustrukturierung der Landesschulbehörde auch dieser Bereich neu aufgestellt werden soll.
Aus meiner Sicht waren das sehr zufriedenstellende Ausführungen, in denen auch die künftige regionale Verteilung dargelegt worden ist. Es sollen
mehrere Schulpsychologen pro Standort eingesetzt werden, weil es insbesondere wichtig ist, dass an einem Standort oder an einer Außenstelle nicht nur ein Schulpsychologe tätig ist; denn Probleme treten ja nicht nur dann auf, wenn dieser Schulpsychologe an seinem Standort gerade erreichbar ist. Deswegen ist es ganz wichtig, im Zuge der Neustrukturierung auf eine entsprechende Größe vor Ort zu achten, um Vertretungsregelungen zu ermöglichen, damit Schulen immer dann, wenn ein konkretes Problem ansteht, die Erreichbarkeit eines Psychologen sicherstellen können.
Der Herr Kollege Klare hat auch zu Recht ausgeführt, dass in diesem Jahr wie in jedem Jahr bei den Haushaltsberatungen sicherlich auch wieder über die Zahl der Schulpsychologen diskutiert wird. Das Thema gehört in die Haushaltsberatungen. Dann werden wir
uns sicherlich noch einmal mit diesem Thema auseinandersetzen. Aber heute werden wir diesen Antrag ablehnen.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Schulpsychologinnen und Schulpsychologen sind für Schulen und für Einzelpersonen ein unverzichtbarer Bestandteil unseres Beratungs- und Unterstützungsangebots in Niedersachsen. Dabei wird die schulpsychologische Arbeit noch stärker als bisher präventiv wirken. Dies lässt sich u. a. dadurch erreichen, dass nutzbare Erfahrungen aus der Einzelfallbearbeitung regelmäßig in die Arbeit mit Schulen und in die Fort- und Weiterbildung der Lehrkräfte eingebracht werden. Das geschieht z. B. umfassend bei der insgesamt zwei Jahre dauernden Weiterbildung von Lehrkräften zu Beratungslehrerinnen und Beratungslehrern.
Schulpsychologie hat auch bereits den landesweiten Aufbau notfallpsychologischer Kompetenz vorangetrieben, deren Bedarf an vielen im schulischen Alltag vorkommenden kleinen Krisen festzumachen ist.
Der Aufgabenbereich der Schulpsychologie umfasst ferner die Koordination und die Unterstützung von Maßnahmen zur schulischen Gewaltprävention. Prävention ist das Entscheidende in diesem Zusammenhang, meine Damen und Herren. Wir haben gestern den „Tag der Zivilcourage“ in Niedersachsen begangen. In allen Schulen landesweit wurden Projekte vorgestellt, in denen gezeigt wird, wie man wirklich präventiv gegen Gewalt vorgehen und Zivilcourage zeigen kann. Ich war in den Schulen und kann Ihnen nur eines sagen: Es hat mich unglaublich beeindruckt, mit welchem Engagement unsere Schulen, unsere Schulpsychologen, aber auch die Beratungslehrer und die Beratungslehrerinnen mit den Schülerinnen und Schülern gemeinsam genau diese Maßnahmen angegangen sind mit den Buddy-Projekten, mit dem Ziel „Hinschauen, nicht wegschauen“, sich um den anderen zu kümmern. Wenn man das umfassend betrachtet, machen wir in Niedersachsen wirklich sehr viel, und das läuft ausgesprochen positiv.
Die Rahmenbedingungen für die Schulpsychologie werden sich mit der Neuorganisation der Landesschulbehörde deutlich verbessern. Aber fest steht, dass die schulpsychologische Beratung keine Aufsichtsfunktion im Sinne einer Kontrolle ausübt. Sie ist vielmehr Bestandteil des Beratungs- und Unterstützungssystems für Arbeitspsychologinnen und Arbeitspsychologen. Für Arbeitsmediziner gilt dies ebenso. Auch für die Suchtberater sind besondere fachspezifische Grundsätze zu beachten. Das alles gehört in einen großen Zusammenhang.
Die Aufgaben von Schulpsychologie, Arbeitsschutz und Gesundheitsmanagement werden wir daher künftig in einem eigenen Fachdezernat zusammenfassen. Von dort aus wird auch die Steuerung der Fachkräfte erfolgen. Die Schulpsychologie soll an allen Standorten vertreten sein, an denen ein Dezernent für Grund-, Haupt-, Real- und Förderschulen arbeitet. Für mich ist ganz wichtig - der Kollege Försterling hat bereits darauf hingewiesen -, dass an den einzelnen Standorten nicht nur jeweils ein Schulpsychologe tätig ist, sondern mehrere Schulpsychologinnen und Schulpsychologen zur Verfügung stehen, damit sie sich vertreten können und auch in einen fachlichen Austausch miteinander kommen.
Ich glaube, dass wir mit der neuen Organisationsform die Rahmenbedingungen für die Schulpsychologie in Niedersachsen spürbar und nachhaltig verbessern werden. Wir haben für das Haushaltsjahr 2011 zunächst 51 Vollzeiteinheiten zur Verfügung. Aber ich kann Ihnen sagen: Es ist Wunsch und Wille dieser Landesregierung, diese Zahl entsprechend der inhaltlichen Anforderung und auch nach Maßgabe des Landeshaushalts schrittweise zu erhöhen.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, zu diesem Tagesordnungspunkt liegen keine weiteren Wortmeldungen vor.
Wer der Beschlussempfehlung des Ausschusses zustimmen und damit den Antrag der Fraktion der SPD in der Drs. 16/1510 ablehnen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. - Die Gegenprobe! - Das Erste war die Mehrheit. Der Beschlussempfehlung des Ausschusses ist gefolgt worden.
Zweite Beratung: Fördern statt Sitzenbleiben - Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen - Drs. 16/1647 - Beschlussempfehlung des Kultusausschusses - Drs. 16/2265
Damit treten wir in die Beratung ein. Den Antrag wird Frau Korter von der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen einbringen. Sie haben jetzt das Wort.
einige Male gesprochen. Trotzdem bleibt es so: Jahr für Jahr bleiben in Niedersachsen 22 000 Schülerinnen und Schüler sitzen und müssen ein ganzes Jahr wiederholen. 22 000 Schülerinnen und Schüler machen die demütigende Erfahrung, versagt zu haben.
Der pädagogische Nutzen dieser Maßnahme ist längst widerlegt. Sitzenbleiben, meine Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen, ist eine pädagogische Bankrotterklärung, sonst nichts, und sie ist auch noch außerordentlich teuer.
56 Millionen Euro werden nach Berechnungen Professor Klemms in Niedersachsen jährlich dafür ausgegeben. Viel Geld, das besser in gezielte Fördermaßnahmen investiert werden sollte. Im Auftrag der Bertelsmann-Stiftung hat Professor Dr. Klemm 2009 seine Studie mit dem Titel „Klassenwiederholungen - teuer und unwirksam“ erstellt, die er auf Antrag unserer Grünen-Fraktion am 29. Januar 2010 im Kultusausschuss des Niedersächsischen Landtages erläuterte. Er machte uns dort deutlich, dass mindestens 25 % aller Schülerinnen und Schüler, die im Jahre 2003 15 Jahre alt waren, schon mindestens einmal sitzengeblieben sind.
Zur fragwürdigen Wirksamkeit des Sitzenbleibens hat Professor Klemm aus einer Untersuchung von 60 internationalen Studien von Tietze und Rossbach zitiert. Ich möchte das kurz zitieren:
„Über alle Studien hinweg zeigen sich im Durchschnitt Vorteile der versetzten Schüler im Vergleich zu den nicht versetzten... Besonders ausgeprägt sind die Unterschiede bei den Schulleistungen. Der Vergleich sitzengebliebener Kinder mit gleich leistungsschwachen, aber versetzten Schülern zum gleichen Alterszeitpunkt ergibt deutliche Leistungsunterschiede zuungunsten der Sitzenbleiber“.