Protokoll der Sitzung vom 17.03.2010

Herzlichen Dank. - Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Ich schließe die Beratung.

Wir kommen zur Ausschussüberweisung.

Federführend soll sich der Ausschuss für Soziales, Frauen, Familie und Gesundheit mit dem Antrag auseinandersetzen und mitberatend der Ausschuss für Haushalt und Finanzen. Gibt es Gegenstimmen oder Stimmenthaltungen? - Das ist nicht der Fall. Dann haben Sie so beschlossen.

(Unruhe)

Ich rufe jetzt den Tagesordnungspunkt 24 auf:

Erste Beratung: Frauenquote für Aufsichtsräte börsennotierter Aktiengesellschaften - jetzt einführen! - Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen - Drs. 16/2295

Einbringen möchte den Antrag von der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen Frau Kollegin Twesten.

(Unruhe)

- Bitte warten Sie, bis es etwas ruhiger geworden ist. - Bitte schön!

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich will es gleich zu Beginn sagen: Die Einführung von Quoten bei der Besetzung von Stellen oder Mandaten kann nie Selbstzweck sein. Es geht nicht um die Auslegung von Regelungsvorstellungen. Quoten bei der Gleichstellung von Männern und Frauen kann man im Kern auf folgende Fragestellung reduzieren: Will man eine gleiche Repräsentanz von Frauen und Männern in bestimmten Ebenen, oder will man sie nicht?

Wer A sagt - ich will die gleiche Repräsentanz von Männern und Frauen -, der oder die muss auch B sagen. Und B heißt: Einführung einer Quote. Anderenfalls werden wir dieses Ziel nicht erreichen. Darum geht es in unserem Antrag. Wir wollen nicht auf den gleichstellungspolitischen Sankt-Nimmerleins-Tag warten. Geduld ist kein nachwachsender Rohstoff; irgendwann ist er erschöpft. Denn seit Jahren, wenn nicht seit Jahrzehnten wird über die niedrige Zahl von Frauen in Führungspositionen diskutiert. Ebenso lange wurden Quotenregelungen verhindert. Deshalb fordern wir in unserem

Antrag: Das Land soll sich für eine Quotierungsregelung im Aktiengesetz einsetzen.

Ein solches Engagement klingt nur dann glaubwürdig, wenn man dort, wo man ohne gesetzliche Vorgaben frei handeln kann, diese Möglichkeit auch ausschöpft. Das Land ist Gesellschafter bei verschiedenen Aktiengesellschaften. Gesellschafter haben das Recht auf die Benennung von Mitgliedern in Aufsichtsräten. Die Aufsichtsräte wiederum berufen Vorstände. Wir fordern in unserem Antrag, dass das Land seinen direkten Einfluss auch nutzt. Die Erfahrungen, die Realität zeigen doch: Ohne eine Quote werden wir die Zahl von Frauen in den Entscheidungsebenen der Wirtschaft nicht erhöhen. Von allein ändert sich nichts - die Politik ist gefordert.

(Beifall bei den GRÜNEN und Zu- stimmung bei der SPD und bei der LINKEN)

In der Politik ist das nur über die Quote gegangen, und es wird auch in der Wirtschaft nicht ohne Quote gehen.

Die Deutschland AG ist eine Männergesellschaft. Es gilt das Motto des Kölner Klüngels im wahren Wortsinn: „Mann kennt sich, Mann hilft sich.“

(Reinhold Coenen [CDU]: Unver- schämtheit!)

- Realität! - Insbesondere dort, wo in Unternehmen Entscheidungen mit Breitenwirkung getroffen und hohe Einkommen erzielt werden, sind Frauen kaum noch zu finden. So sitzt in den 100 größten Unternehmen in nur einem Vorstand eine Frau, bei den Top 200 sind es gerade 11. Das entspricht 1 %. Solche Ergebnisse zeigen: Von Gleichstellung kann in Spitzenpositionen der Wirtschaft nicht einmal im Ansatz gesprochen werden.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Die meisten Studien sprechen bei einem europäischen Vergleich eine deutliche Sprache: Was sich Deutschland in Sachen Gleichberechtigung in Arbeit und Wirtschaft immer noch leistet, ist der beste Weg, sich international ins Abseits zu katapultieren. Weil es so wenig Frauen in Spitzenpositionen gibt, will ich mich hier auf einen Mann berufen. Olaf Henkel, früherer BDI-Chef, spricht von einem „Armutszeugnis für die deutsche Wirtschaft“.

(Helge Limburg [GRÜNE]: Aha!)

Es habe sich in den vergangenen Jahren verdammt wenig getan. Wenn sich nichts ändere,

dann müsse der Gesetzgeber nachhelfen. - Genau das wollen wir tun, als Gesetzgeber und auch als Miteigentümerinnen von Unternehmen. Ich meine, wir sind nur dann glaubwürdig - und Glaubwürdigkeit gehört in der Politik zu den wertvollsten Gütern - und können glaubwürdige Gleichstellungspolitik nur dann machen, wenn wir unser eigenes Verhalten unseren Ansprüchen anpassen. Das Land, Herr Bode

(Minister Jörg Bode spricht an der Regierungsbank mit Karin Bertholdes- Sandrock [CDU])

- Herr, Bode, bitte hören Sie mir einmal zu! -,

(Hans-Werner Schwarz [FDP]: Er wird von einer Frau in Beschlag genom- men! - Gegenruf von Ursula Helmhold [GRÜNE]: Und er ist Kavalier!)

wirbt ja mit seiner Imagekampagne für ein innovatives Niedersachsen. Schade, dass Herr Wulff nicht da ist. Ich bin sicher, die Innovation, dass mehr Frauen Verantwortung auf Führungsebenen übernehmen, ist längst überfällig. Herr Wulff, Herr Bode, wäre es nicht eine wunderschöne Beschreibung für unser Bundesland, wenn es hieße, bei uns wirtschaften die Frauen?

(Zustimmung bei den GRÜNEN)

Auch Männer würden davon profitieren. Viele Studien zeigen: Unternehmen, die Frauen in den Aufsichtsräten haben, wirtschaften erfolgreicher. Unser Antrag fördert nicht nur die Frauen, er fördert auch die Wirtschaft - die Wirtschaft in Niedersachsen.

Vielen Dank.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Herzlichen Dank, Frau Twesten. - Für die SPDFraktion spricht Frau Kollegin Groskurt. Bitte schön!

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Der Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen kommt der Meinung der SPDFraktion sehr entgegen. Wir werden ihn unterstützen.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Allerdings würden wir den Antrag aus unserer Sicht noch um einige notwendige Aspekte erweitern wollen. Dazu verweise ich auf den Antrag der SPD-Fraktion aus der 15. Wahlperiode „Erwerbspersonenpotenziale besser ausschöpfen - mehr Frauen in die Chefetagen“.

Wir bekräftigen unsere Forderung nach einer Gleichstellung von Frauen im Erwerbsleben. Dies ist trotz vieler Appelle durch freiwillige Maßnahmen nicht erreicht worden. Die Gleichstellung in Deutschland braucht neue Impulse. Es müssen klare gesetzliche Regelungen für Verbindlichkeit sorgen, damit Chancengleichheit im Erwerbsleben hergestellt werden kann. Da unterstütze ich Frau Twesten ausdrücklich. Handlungsbedarf gibt es vor allem bei dem Ziel der gleichen Entlohnung für gleiche bzw. gleichwertige Arbeit von Frauen und Männern sowie der Durchsetzung tatsächlicher Chancengleichheit auf dem Arbeitsmarkt und einer deutlichen Erhöhung des Frauenanteils in Aufsichtsräten, wie in Ihrem Antrag gefordert, in Vorständen, aber auch in Leitungspositionen in Wirtschaft, Forschung und Lehre.

Vor diesem Hintergrund unserer Forderungen stelle ich zu Ihrem Punkt 1 fest: Wir wollen die Situation der Frauen auf dem Arbeitsmarkt grundsätzlich verbessern. Das Ganze wie in Ihrem Antrag ausschließlich auf die Besetzung von Positionen in niedersächsischen börsennotierten Aktiengesellschaften zu begrenzen, finden wir zu kurz gegriffen. Frauen sind auf jeder Ebene in Leitungsfunktionen unterrepräsentiert. Die Forderung nach angemessener Berücksichtigung in Fach- und Leitungspositionen muss also viel früher beginnen. Der Berufsweg muss von Beginn an durchgegendert werden, wie es so schön heißt. Eine Quote muss von Anfang an berücksichtigt werden.

Zu Punkt 2: Hier habe ich ein kleines Problem. In Aufsichtsräten sind überwiegend Personen kraft ihres Amtes. Beispielsweise ist der Ministerpräsident praktisch automatisch im Aufsichtsrat von VW. Das bedeutet, dass wir auch hier viel früher damit beginnen müssen, auf die Quote zu achten. Da reicht es nicht, den börsennotierten Aktiengesellschaften mit Sanktionen zu drohen. Vielmehr muss, wenn ich Ihren Antrag mit dem Zeitpunkt zugrunde lege, ab wann es besser werden soll, nach 2012 eine Frau Ministerpräsidentin sein!

(Zustimmung bei der SPD)

Dafür muss dann aber wohl die Opposition sorgen. Nach den Erfahrungen, die wir bisher mit der Koalition gemacht haben, wird das sonst nämlich nichts.

(Ulf Thiele [CDU]: Frau Griefahn! - Gegenruf von Minister Jörg Bode: Olaf Lies hat keine Chance!)

Oder wie wollen Sie dieses Problem lösen, liebe Fraktion Bündnis 90/Die Grünen?

Zu Punkt 3: Die Idee der Einrichtung einer deutschlandweiten zentralen Datenbank ist gut. Auch hier bitte ich aber um eine Erweiterung auf Leitungsfunktionen auf allen Ebenen. Dabei könnten bereits bestehende Datenbanken ausgebaut und genutzt werden.

Die Nutzung bestehender Datenbanken können wir auch dem Telekom-Chef vorschlagen, damit er seinem erklärten Ziel, bis 2015 30 % Frauen im Top- und Mittelmanagement zu haben, schneller näherkommt. Die Telekom hat es verstanden. Sie will ihr Topmanagement mit mehr Frauen besetzen, weil sie nämlich erkannt hat: Das ist einfach besser für den Erfolg!

Auch Telekom-Personalvorstand Thomas Sattelberger hat es verstanden, wenn er erklärt, die Frauenquote sei die Antwort auf die mittelfristige Entwicklung des Arbeits- und Talentmarktes. Bereits heute seien beispielsweise rund 60 % der Absolventen von wirtschaftswissenschaftlichen Studiengängen an deutschen Hochschulen Frauen. Weiter sagt er:

„Dennoch hindert eine ,gläserne Decke‘ offensichtlich zu viele weibliche Talente an ihrem Weg nach oben. Mit der Frauenquote werden wir diese Decke durchbrechen.“

Er hat es wirklich verstanden.

Der Frauenanteil in deutschen Unternehmen ist vor allem in den Chefetagen sehr gering. So gibt es derzeit - Frau Twesten hat die Zahlen eben schon eingeführt; ich erweitere das noch ein bisschen - 2,5 % weibliche Vorstandsmitglieder und knapp 10 % weibliche Aufsichtsräte, von denen der große Teil aber über die Gewerkschaften entsandt wird.

(Zuruf von der SPD: Die Finanzkrise ist eine Männerkrise!)

Warum die Bundesministerin für Familie, Senioren, Frauen und Jugend erst prüfen und Unternehmen bitten möchte, genau aufzuschlüsseln, welchen Frauenanteil es auf welchen Ebenen gebe und wie er sich entwickle, ist wirklich nicht nachvollziehbar. Sie sagt, eine Frauenquote für Aufsichtsräte sei allenfalls sinnvoll, wenn alle anderen Instrumente zu wenig Wirkung zeigten.