Protokoll der Sitzung vom 17.03.2010

Warum die Bundesministerin für Familie, Senioren, Frauen und Jugend erst prüfen und Unternehmen bitten möchte, genau aufzuschlüsseln, welchen Frauenanteil es auf welchen Ebenen gebe und wie er sich entwickle, ist wirklich nicht nachvollziehbar. Sie sagt, eine Frauenquote für Aufsichtsräte sei allenfalls sinnvoll, wenn alle anderen Instrumente zu wenig Wirkung zeigten.

(Ursula Helmhold [GRÜNE]: Da ist die Telekom ja weiter als die Frauenmi- nisterin!)

Wir sollten ihr vielleicht sagen, dass bereits alle anderen Instrumente versagt haben.

(Zustimmung bei der SPD)

Das erinnert mich nämlich leider sehr an die Arbeitsweise der Niedersächsischen Landesregierung, Themen wild entschlossen zu vertagen.

(Uwe Schwarz [SPD]: Sehr gut!)

Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, die Telekom ist entschlossener bei der Umsetzung von mehr Gleichstellung als die zuständige Bundesministerin. Denn wer wie die Ministerin unbeirrt auf die Freiwilligkeit der Wirtschaft setzt, der nimmt die Realitäten in den meisten Unternehmen nicht zur Kenntnis.

(Beifall bei der SPD)

Nach wie vor bleiben dort die Potenziale qualifizierter Frauen viel zu oft ungenutzt.

Gefreut hat mich, dass auch die Frauen-Union in der CDU konkrete Schritte zur Gleichberechtigung von Frauen in Führungspositionen fordert. Deren Vorsitzende Maria Böhmer sagte u. a. - liebe Kolleginnen und Kollegen von der CDU, hören Sie gut zu -: „Das Ziel muss sein, dass beide Geschlechter mit mindestens 40 % in Aufsichtsräten vertreten sind.“

(Ursula Helmhold [GRÜNE]: Hey, hey, hey!)

Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, wir sollten uns u. a. ein Beispiel an Frankreich nehmen. Die französische Nationalversammlung hat im Januar 2010 eine Gesetzesvorlage über eine Quotenregelung zum Ausgleich des Frauen- und Männeranteils in Aufsichts- und Verwaltungsräten und zur Gleichberechtigung am Arbeitsplatz in erster Lesung angenommen. Er sieht vor, dass binnen fünf Jahren Aufsichts- und Verwaltungsräte je zu 40 % mit Frauen besetzt werden müssen.

(Dörthe Weddige-Degenhard [SPD]: Hört, hört!)

Drei Jahre nach Inkrafttreten des Gesetzes muss der Frauenanteil in den betroffenen Gremien mindestens 20 % betragen. Nach sechs Jahren muss der Frauenanteil in den Führungsgremien 40 % erreicht haben. Ansonsten drohen Sanktionen. Bei Nichteinhaltung sind die Ernennungen ungültig.

Die Beratungen der Gremien sind dann gegenstandslos.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, dieser Gesetzesvorschlag könnte für Deutschland dramatische Folgen haben. Die Frauen warten hier nicht mehr lange auf ihren verdienten Erfolg, sondern gehen nach Frankreich. Wir haben eben gehört, dass wir in einem Europa ohne Grenzen leben - in diesem Fall im wahrsten Sinne des Wortes. Wir müssen uns also beeilen!

Meiner Meinung nach sollten wir aber hoffnungsvoll in die Zukunft schauen. Wer weiß? Vielleicht wird 2015 ein Antrag auf Gleichstellung von Männern und Frauen in Leitungsfunktionen notwendig sein, da die Männer die Quote nicht erfüllt haben. Eines verspreche ich - darauf können die Männer sich verlassen -: Die Frauen werden ihnen mit professioneller Hilfe zur Seite stehen - und die SPD dem Antrag der Grünen.

Danke schön.

(Starker Beifall bei der SPD, bei den GRÜNEN und bei der LINKEN)

Danke schön, Frau Groskurt. - Für die CDU-Fraktion Frau Kollegin Konrath, bitte!

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Der Anteil weiblicher Führungskräfte in deutschen Chefetagen ist verschwindend gering. Frau Groskurt hat die Zahlen eben schon genannt. In den 200 größten Unternehmen liegt der Frauenanteil in den Vorständen bei 2,5 %. In den Aufsichtsräten beträgt er 10 %, wobei darunter viele Arbeitnehmervertreterinnen sind. Damit können wir uns nicht zufriedengeben. Darüber sind wir uns selbstverständlich alle einig.

(Beifall bei der CDU, bei der FDP und bei den GRÜNEN)

Im Übrigen ist das Ganze keine niedersächsische Besonderheit, wie Sie von den Grünen in Ihrem Antrag feststellen, sondern ein gesamtdeutsches Defizit. So sieht es auch die Bundestagsfraktion von Bündnis 90/Die Grünen in ihrem Antrag zum gleichen Thema vom 24. Februar 2010 - Drucksache 17/797 -, dessen Inhalt und Formulierungen Sie übernommen und auf Niedersachsen übertragen haben.

Bevor die wenigen Frauen im Vorstand eines Unternehmens oder eines Aufsichtsrates ankommen, müssen sie viele Hindernisse aus dem Weg räumen. Viele machen die Erfahrung, aus dem unteren Management nicht weiter aufsteigen zu können. Wir wissen: Der Karriereknick tritt für viele berufstätige Frauen mit der Geburt eines Kindes ein. Kinderbetreuung wird noch immer überwiegend von Frauen geleistet, auch wenn sich inzwischen immer mehr Eltern die Kindererziehungsarbeit teilen und das Elternjahr besondere Anreize schafft, wenn beide Elternteile eine berufliche Auszeit nehmen.

Aufgabe der Politik ist es, auf die weitere Verbesserung der Rahmenbedingungen hinzuarbeiten, die es Eltern ermöglichen, sich partnerschaftlich um ihre Kinder zu kümmern, ohne Nachteile in ihrer beruflichen Entwicklung zu erfahren.

Verstärkt müssen Unternehmen gefördert werden, die Kinderbetreuungseinrichtungen schaffen, um Beruf und Familie zu vereinbaren.

(Beifall bei der CDU - Heinz Rolfes [CDU]: Sehr gut! Genauso ist es!)

Hier ist Kreativität gefragt. Unternehmen und Kommunen könnten in diesem Bereich viel stärker kooperieren und gemeinsam intelligente Lösungen finden.

Wir unterstützen ausdrücklich den Anspruch Ihres Antrags nach einer angemessenen Beteiligung von Frauen in Vorständen und Aufsichtsräten in Unternehmen. Wir setzen dabei auf freiwillige Schritte der Unternehmen;

(Wolfgang Jüttner [SPD]: Das hat sich ja bewährt!)

denn die Frauen von heute sind so gut ausgebildet wie keine Frauengeneration vor ihnen. In ganz Europa fand in den vergangenen Jahrzehnten eine Feminisierung bei den Studenten statt. Aufgrund des demografischen Wandels und des zu erwartenden Fachkräftemangels wären Unternehmen ökonomisch unklug, wenn sie das hervorragende Potenzial von Frauen nicht nutzten, um im Wettbewerb mitzuhalten.

Die Deutsche Telekom macht es mit ihrer freiwilligen Selbstverpflichtung vor. Bis 2015 sollen 30 % der oberen und mittleren Führungspositionen mit Frauen besetzt werden. Auch bei der Neueinstellung von Managern soll diese Regel gelten. Ich bin überzeugt: Dieser Vorstoß wird Signalwirkung zeigen. Weitere Unternehmen werden folgen. Die

Telekom kommt mit der Selbstverpflichtung einer gesetzlichen Regelung zuvor und positioniert sich als Vorreiter der Förderung von Frauen im eigenen Unternehmen.

Dass freiwillige Initiativen von Unternehmen zum Erfolg führen, zeigt der Daimler-Konzern, der bereits 2006 angekündigt hatte, bis 2020 jede fünfte Führungsposition mit einer Frau zu besetzen. Mentoringprogramme, transparente Stellenbesetzungen, flexible Arbeitszeiten und eine betriebliche Kleinkindbetreuung wurden umgesetzt. Ergebnis: Inzwischen steigt die Zahl der leitenden Angestellten im Konzern, die Frauen sind.

Unternehmen müssen Strategien entwickeln, qualifizierte Fachkräfte zu fördern und an sich zu binden.

(Zustimmung von Gudrun Pieper [CDU])

Attraktiv für Frauen und Männer mit Kindern oder Kinderwunsch sind Arbeitgeber, die familienorientierte Strukturen in ihrem Unternehmen umsetzen. Dazu gehören Teilzeitmodelle für beide Geschlechter und betriebliche Angebote der Kinderbetreuung.

Mit der verstärkten Förderung einer familienfreundlichen Unternehmenskultur ist nach meiner Überzeugung auch eine Veränderung in den Köpfen zu erzielen. Frauen mit Familie haben es in unserer Arbeitswelt schwer, als Vorstand zu arbeiten, wenn eine Arbeitswoche in dieser Position 70 bis 80 Stunden umfasst und Familien- bzw. Pflegezeiten von Eltern als Handicap für das berufliche Fortkommen gelten. Die Arbeitsorganisation in diesem Bereich umzustrukturieren und Teilzeitarbeit auch für die Vorstandsarbeit von Männern und Frauen vorzusehen, ist ein guter Ansatz für mehr Geschlechtergerechtigkeit.

(Beifall bei der CDU)

Männer und Frauen könnten Familienzeiten wahrnehmen und gleichzeitig ihre Karriere sichern.

Ingenieure besetzen in Deutschland oftmals Vorstandspositionen. Insofern ist es wichtig, junge Frauen und Mädchen früh für technische Berufe und Innovationen zu begeistern. In den Ingenieurwissenschaften sind Studentinnen und Doktorandinnen noch rar gesät. Die Technik-Expo zum Anfassen soll Kinder und Jugendliche motivieren, sich stärker für die MINT-Fächer oder ein Ingenieursstudium zu interessieren. Zu nennen sind hier auch die Verbesserung der Unterrichtungsversor

gung in den MINT-Fächern, der Ausbau von Kooperationsprojekten zwischen Schulen und Unternehmen, die Intensivierung der Berufsorientierung über gewerblich-technische Berufe und der Ausbau des Ganztagsschulangebots.

Eine gesetzliche Regelung für Niedersachsen zu schaffen, wie es die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen fordert, halte ich nicht für zielführend.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Eine gesetzlich verankerte Quote greift zu kurz. Sie setzt bei den Symptomen an, ohne die Ursachen zu verändern. Vielmehr müssen die bestehenden Anstrengungen der Politik in Zusammenarbeit mit der Wirtschaft verstärkt und ausgebaut werden, damit es gelingt, die Rahmenbedingungen zu verändern und Frauen und Männern gleiche Chancen auf dem Arbeitsmarkt und in den Führungsetagen zu eröffnen.

Lassen Sie uns gemeinsam die vielfältigen Bemühungen der Landesregierung unterstützen!

Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Danke schön, Frau Kollegin Konrath. - Frau Twesten von der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen möchte mit einer Kurzintervention anderthalb Minuten auf Frau Konrath eingehen. Bitte schön!

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Verehrte Frau Konrath, ich möchte mir erlauben, auf einige Ihrer Anmerkungen etwas genauer einzugehen. Ich beginne mit den Rahmenbedingungen, die Sie eben eingefordert haben. Sie sind an der Quelle. Die Rahmenbedingungen zu verändern, bedeutet, mehr Geld in die Kinderbetreuung zu geben. Fangen Sie endlich damit an!

(Heinz Rolfes [CDU]: Das machen wir doch schon die ganze Zeit!)