Protokoll der Sitzung vom 17.03.2010

- Ich kann im Moment nur die Fakten benennen.

(Wolfgang Jüttner [SPD]: Ist in Ord- nung!)

Es liegen keine weiteren Wortmeldungen vor. Damit erkläre ich diesen Tagesordnungspunkt für erledigt.

(Enno Hagenah [GRÜNE]: Das The- ma kommt auf Wiedervorlage!)

Ich rufe nun den Tagesordnungspunkt 15 c auf:

Welche Rolle spielte Innenminister Uwe Schünemann beim Einbürgerungsverfahren von Jannine Menger-Hamilton? - Antrag der Fraktion DIE LINKE - Drs. 16/2329

Frau Flauger von der Fraktion DIE LINKE wird dazu sprechen.

(Unruhe)

- Frau Flauger, ich erteile Ihnen noch nicht das Wort, weil wir noch ein bisschen für Sortierung sorgen wollen. Herr Tanke, setzen Sie sich bitte hin! - Frau Flauger, Sie haben das Wort. Bitte schön!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Heute haben wir dort hinten in der Loge Jannine MengerHamilton zu Gast;

(Beifall bei der LINKEN)

31 Jahre, Vater Brite, Mutter Italienerin, nach dem Abitur Studium der Religionswissenschaften, bis 2007 Mitglied der SPD und Landesvorsitzende der Jusos, seit Juni 2007 Mitglied der Linken.

Im Oktober 2007 hat sie die Einbürgerung beantragt. Seitdem - seit zweieinhalb Jahren! - zieht sich die Sache endlos hin. Glaubt man Innenminister Schünemann und seinem Ministerium, dann liegen die Ursachen dafür allein bei der Region Hannover, die formal für die Entscheidung zuständig ist. Aber die Realität sieht anders aus. Schauen wir uns einmal an, wann, wie oft und vor allem wie massiv Schünemann und sein Apparat versucht haben, diese Einbürgerung zu verhindern.

Nachdem der Innenminister im Februar zunächst behauptet hatte, mit der Angelegenheit gar nicht befasst gewesen zu sein, hat sich schnell gezeigt, dass er es mindestens zweimal doch war: das erste Mal im Mai 2008, als ihn nach einer Landtagsdebatte über die Einbürgerung meines Kollegen Perli der Verfassungsschutzpräsident über Frau Menger-Hamiltons Einbürgerungsantrag informiert hat. So, wie ich diesen Minister kennengelernt habe, glaube ich nicht, dass er nur mit einem höflichen Danke reagiert und weiter nichts dazu gesagt hat. Er wird klar inhaltlich Stellung genommen haben.

(Heinz Rolfes [CDU]: Das ist eine Un- terstellung!)

Das zweite Mal wurde im September 2008 - so hört man - in der Morgenrunde des Innenministeriums über den Fall Menger-Hamilton gesprochen. Es heißt, es habe dazu unterschiedliche Auffassungen zwischen der Ausländerabteilung und dem Verfassungsschutz gegeben. Was war die Reaktion von Herrn Schünemann dazu? - Jedenfalls hat

er die Differenzen offensichtlich nicht so geklärt, dass eine Einbürgerung erfolgen konnte.

(Heinz Rolfes [CDU]: Das ist doch Unsinn! Das ist schlimm!)

Auf einem Schreiben der Einbürgerungsakte steht die Notiz: „Ist mit der Hausleitung des MI abgestimmt“, wobei „MI“ Innenministerium heißt und die Hausleitung dort sitzt.

(Wolfgang Jüttner [SPD]: So ist es!)

Sie waren also gar nicht mit der Angelegenheit befasst, Herr Schünemann? - Sie sollten froh sein, dass Sie nicht Pinocchio heißen, sonst würden Sie mit Ihrer Nase da drüben bei den Hammelsprungtüren anstoßen.

(Beifall bei der LINKEN - Heinz Rolfes [CDU]: Das ist unglaublich! Wozu erdreisten Sie sich eigentlich?)

Weil man Ihnen offensichtlich nicht glauben kann, was Sie sagen, haben wir Akteneinsicht beantragt. Ich bin schon gespannt, was sich da noch an Abgründen politischer Unkultur auftun wird.

Eines ist aber schon jetzt klar: Auch wenn man eine mehrmonatige Untätigkeit der Region Hannover kritisieren kann, sitzt der Hauptverursacher dieses Skandals hier auf der Regierungsbank und versucht, sich schlanken Fußes aus dieser unangenehmen Sache herauszuschleichen.

(Beifall bei der LINKEN - Reinhold Coenen [CDU]: Das stimmt nicht! - Heinz Rolfes [CDU]: Das ist eine un- glaubliche Behauptung!)

Fünfmal hat der Verfassungsschutz der Region Hannover schriftlich seine Bedenken und Einwände in einem Formular mitgeteilt, in dem angekreuzt war: Es liegen Untersagungsgründe vor. - Vergeblich sucht man aber nach konkreten Angaben darüber, was Frau Menger-Hamilton gegen unsere freiheitliche demokratische Grundordnung treibt. Dass Sie Mitglied der Linken ist und stellvertretende Kreisschatzmeisterin wurde, reicht Herrn Schünemann aber schon. So lässt er der Region Hannover schreiben:

„Es kann kein Interesse daran bestehen, eine Person einzubürgern, die Mitglied einer Partei ist, zu deren Grundlage der Marxismus und dessen Förderung gehören.“

Da ist keine Rede von der gesetzlich vorgeschriebenen Einzelfallbetrachtung aufgrund konkreten

Verhaltens. Solche Differenzierungen haben im schwarz-weißen Weltbild des Innenministers keinen Platz. Da muss gegen Links geklotzt und nicht gekleckert werden - in einer Heftigkeit, die rational nicht mehr zu erklären ist.

(Beifall bei der LINKEN und bei den GRÜNEN)

Das Innenministerium schrieb der Region Hannover: Ich gehe davon aus, dass eine Einbürgerung nicht vor einer abschließenden Abstimmung erfolgt. - Die übergeordnete Stelle fordert also deutlich eine Abstimmung ein; sie will keine eigenständige Entscheidung der örtlichen Behörde. Diese Freiheit hat das Ministerium der Region Hannover erst dann ganz plötzlich zugestanden, als die Sache öffentlich und damit peinlich wurde.

(Jan-Christoph Oetjen [FDP]: Das ist sachlich nicht richtig!)

Meine Damen und Herren, wir reden hier nicht nur über den Fall Jannine Menger-Hamilton. Auch der Syrer Aram Ali wird ohne konkrete Gründe allein wegen seiner Mitgliedschaft in der SDAJ nicht eingebürgert. Auch meinen Fraktionskollegen Perli hätte Herr Schünemann am liebsten nicht eingebürgert. Herr Perli kann nur froh sein, dass seine Heimatbehörde vergessen hat, vorher die Regelanfrage beim Verfassungsschutz zu stellen.

(Editha Lorberg [CDU]: Traurig ge- nug!)

Der Wahnsinn hat also Methode.

Mit Unterstützung des Ministerpräsidenten und bei Bedarf auch an Gesetzen vorbei betreibt Innenminister Schünemann seine Jagd auf alles, was ihm zu links ist.

(Reinhold Coenen [CDU]: Das ist un- geheuerlich!)

Das ist ein rechtsstaatlicher Skandal und eine niederträchtige Art der politischen Auseinandersetzung!

(Beifall bei der LINKEN - Heinz Rolfes [CDU]: Das ist eine Unverschämtheit!)

Ich zitiere den Armeerechtsberater Joseph Welch, der im Untersuchungsausschuss kurz vor Josef McCarthys politischem Ende zu ihm sagte:

„Have you no sense of decency, Sir, at long last? Have you left no sense of decency?”

Ich übersetze das und frage Sie, Herr Schünemann: Haben Sie immer noch kein Gespür für Anstand, Sir? Haben Sie überhaupt keinen Sinn für Anstand mehr?

(Lebhafter Beifall bei der LINKEN - Heinz Rolfes [CDU]: Das ist unglaub- lich!)

Die nächste Wortmeldung kommt von Herrn Briese von der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen. Bitte schön, Herr Briese!

Vielen Dank. - Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Derzeit fühlt man sich in Niedersachsen in längst vergangene Zeiten zurückversetzt, in die Zeiten des alten Adenauer, der mit seiner Westbindung, wie ich finde, zwar eine ganz gute Politik gemacht hat, der aber auch ein alter Kommunistenfresser war. Seinerzeit führten alle sozialdemokratischen Wege nach Moskau. Sozialdemokraten waren eigentlich alles sichelschwingende Kommunisten, die man niemals an die Macht kommen lassen dürfte.

Irgendwann hat sich die CDU entspannt und hat dazugelernt, und im Übrigen auch die SPD. Man machte dann gemeinsame politische Sache. Das war nicht erst im Jahre 2005, sondern schon im Jahre 1966. Ich erinnere an die erste Große Koalition. Es gab allerdings noch ein kleines und, wie ich finde, schlecht gemachtes Revival der Kommunistenjagd. Das geschah unter einem sogenannten Pfarrer Hintze mit der Kampagne von den stinkenden roten Socken. Das war eine schlechte und billig gemachte Kopie der alten Kommunistenjagd, denn die Sowjetunion war längst abgewickelt - Kohl saß damals mit Jelzin schon in der Sauna -, und die DDR war zum Glück im Orkus der Geschichte verschwunden.

Was haben wir aber heute im neuen Jahrtausend? Wir haben Uwe Schünemann, der gerne einmal Aufsätze über Verantwortungs- und Gesinnungsehtik schreibt, aber Max Weber irgendwie nicht richtig verstanden hat.

(Beifall bei den GRÜNEN, bei der SPD und bei der LINKEN - Wolfgang Jüttner [SPD]: Ich glaube nicht, dass er es versucht hat!)

Der größte Gesinnungsethiker in diesem Hause sitzt auf der Regierungsbank auf dem Stuhl des

Innenministers. Es ist der amtierende Innenminister.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der LINKEN)