Hohe Erwartungen waren in den Bildungsgipfel im Dezember 2009 gesetzt worden. Verbindliche Finanzierungsschritte und konkrete Bildungsprojekte sollten nach dem enttäuschenden Gipfel 2008 vereinbart werden. Das wichtigste Ziel lautete,
Ideen zu entwickeln, wie die Ausgaben für Bildung und Forschung bis 2015 auf 10 % des Bruttoinlandsproduktes gesteigert werden können. Dieses Ziel ist verfehlt und auf den Juni 2010 vertagt worden. Dies heißt gleichzeitig: wieder ein halbes Jahr verlorene Zeit für die Bildung in unserem Land.
Um ein fragwürdiges Steuerpaket im Bundesrat durchzusetzen, billigte die Bundeskanzlerin dubiose Rechentricks bei der Erreichung des 10-%Ziels. Dieser Kuhhandel mit den Ländern resultierte dann in Steuergeschenken für Hoteliers. Fehlanzeige jedoch bei verbindlichen Vereinbarungen für die Bildung. Das war das magere Ergebnis, meine Damen und Herren.
Mit Rechentricks versuchten Bund und Länder unter den Augen ihrer hilflos zuschauenden Bildungsminister, sich ihrer Selbstverpflichtung zu entledigen. In der Bildungsausgabestatistik taucht jetzt erstmals auch ein Pensionszuschlag auf alle Lehrer- und Professorengehälter in Höhe von 42 % auf. Das macht in der Gesamtsumme 4,8 Milliarden Euro.
Hinzu kommen mindestens 10 Milliarden Euro kalkulatorische Unterbringungskosten für Schul- und Hochschulgrundstücke. Das hat eine Strategiegruppe mit Vertretern aus Kanzleramt, Bundesministerien und Staatskanzleien vereinbart. Übrigens wurde auf unsere Anfrage hin mitgeteilt, dass Niedersachsen dort personell nicht vertreten sei. Schade eigentlich!
Schauen wir nach Niedersachsen - vielleicht vertreibt die niedersächsische Antwort auf unsere Anfrage ja den Nebel um den Bildungsgipfel. Doch weit gefehlt hat jeder, der solches erwartet hat. Nebulös und unkonkret ist auch die Antwort darauf, wie sich Niedersachsen an der Anhebung der Aufwendungen für Bildung und Forschung auf 10 % des Bruttoinlandsprodukts beteiligen wird. Vielleicht kann die neue Ministerin, Professor Wanka, gleich etwas konkreter werden.
„Das Land Niedersachsen wird einen unter Berücksichtigung der haushaltswirtschaftlichen Rahmenbedingungen quantitativ angemessenen
Bildungs- und Wissenschaftspolitik in Niedersachsen finden unter Vorbehalt statt. Vor allem sollte Wissenschaftsministerin Wanka wissen: Finanzminister Möllring ist hier der Chef im Ring.
Ebenso allgemein gehalten ist auch die Antwort auf die Frage nach den Bereichen, in denen eventuell zusätzliche Mittel eingesetzt werden sollen. So heißt es:
„Die Länder sehen vorrangigen Bedarf in den Bereichen frühkindliche Bildung, Schule, Berufsausbildung, Hochschule und Weiterbildung.“
Zu den vagen Antworten gehört auch die zu den Studienabbrechern und zu Maßnahmen zur Verhinderung des Studienabbruchs: Maßnahmen und Kostenschätzungen - Fehlanzeige! Lediglich der Verweis auf einzelne Titelgruppen im Landeshaushalt und der Verweis auf eine weitere Große Anfrage meiner Fraktion sind die lapidaren Antworten.
Die Anstrengungen, das Studium positiv zu begleiten und zu einem erfolgreichen Abschluss zu bringen, müssen deutlich erhöht werden. Dazu gehört auch eine vernünftige Studienabbrecherstatistik für Niedersachsen. Und wir benötigen dringend einen Pakt für gute Lehre, wie ihn meine Fraktion schon länger fordert.
Er soll den Hochschulpakt zum Ausbau der Studienplätze sowie die Exzellenzinitiative als dritter gemeinsamer Bund-Länder-Pakt ergänzen und müsste 3 Milliarden Euro umfassen. Dies entspricht den Mehrkosten für eine angemessene Betreuung der Studierenden nach der BolognaReform, wie sie auch vom Wissenschaftsrat beziffert werden.
Meine Damen und Herren, das Kooperationsverbot von Bund und Ländern erweist sich für die Bildungspolitik zusehends als Hemmschuh. Ebenso wird sich die sogenannte Schuldenbremse als nachteilig für notwendige Bildungsinvestitionen und als Nachteil für künftige Generationen erweisen.
Gerade in der Bildung darf die Zusammenarbeit nicht auf Katastrophen- und Krisenzeiten beschränkt werden.
Wir müssen vielmehr über eine nachhaltige Mischfinanzierung von Bund und Ländern sprechen. Das von der Union 2008 durchgesetzte Kooperationsverbot für Bund und Länder für weite Bildungsbereiche in Artikel 104 b des Grundgesetzes war ein dramatischer Fehler in diesem Zusammenhang.
Meine Damen und Herren von den Regierungsfraktionen, nehmen Sie sich ein Beispiel am ehemaligen Außenminister Kinkel und an Frau Bildungsministerin Schavan. Sie teilen mittlerweile unsere Ansicht und stellen das Kooperationsverbot infrage.
Daran, dass sie 2006 maßgeblich an dessen Errichtung beteiligt war, mag sich Frau Schavan jetzt natürlich nicht mehr erinnern. Aber die späte Erleuchtung Schavans sollte auch bei Ihnen zum Umdenken führen. Einsicht ist der erste Schritt zur Besserung. Setzen Sie sich für eine Rücknahme des Kooperationsverbotes ein! Denn allein von einer zu späten Erkenntnis haben Studierende, Schülerinnen und Schüler nichts.
Die SPD-Landtagsfraktion hält die Zurücknahme des Kooperationsverbots von Bund und Ländern in der Bildungspolitik für dringender denn je. Wir fordern eine Öffnung im Grundgesetz, damit Bund und Länder in allen Bildungsbereichen direkt und konstruktiv zusammenarbeiten können. Bei einer Änderung der Rahmenbedingungen wird man nicht immer gleich eine Verfassungsänderung erreichen. Nur eine grundsätzliche Kooperationsnorm für die Bildung kann dies leisten. Die Grundgesetzänderung muss kommen, und wir werden hierzu eine Initiative ergreifen. Lösen wir endlich die Bildungsbremse! Das Kooperationsverbot muss vom Tisch!
Herzlichen Dank, Frau Dr. Lesemann. - Nun spricht für die Landesregierung Frau Ministerin Wanka. Bitte schön!
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren Abgeordnete! Verehrte Gäste! Der Titel der Großen Anfrage „Aufstieg durch Bildung?“ ist am Schluss mit einem Fragezeichen versehen. Eigentlich führt dieses Fragezeichen in die Irre. Denn es ist notwendig, dass in der Bundesrepublik Deutschland für jeden Einzelnen ein bestmöglicher Start ins Leben und Aufstieg durch Bildung möglich ist. Das gehört zu den zentralen Zukunftsaufgaben, zur staatlichen Zukunftsvorsorge. Das muss der Staat leisten.
Wie wichtig Bildung ist, ist gerade in der Wirtschafts- und Finanzkrise noch einmal bestätigt worden. Denn weltweit - auch in China und anderen Ländern - sind unter dem Eindruck der Krise erhebliche Investitionen in den Bildungsbereich getätigt worden.
In Deutschland haben wir ein föderales System. Das heißt, eines der wenigen Gebiete, auf dem eine Landesregierung und Landtagsabgeordnete gestalten können, ist der Bereich der Bildung. Nun gibt es dazu immer wieder Umfragen. In den neuen Bundesländern gibt es dabei ganz dramatische Ergebnisse: Fast 70 % meinen, die Bildungspolitik soll die Bundesregierung bestimmen. Aber trotz aller Umfragen muss man feststellen: Wenn man Leistung und Wettbewerb will, dann ist das föderale System dafür die beste Möglichkeit.
Wenn man sich die PISA-Ergebnisse anschaut, dann sieht man die gesamte Bandbreite, die sich durch diesen Wettbewerb ergeben hat. Trotzdem muss deutlich gesagt werden, dass Bildungs- und Wissenschaftspolitik in Deutschland mehr sein müssen als die Summe von 16 Bildungs- und Wis
senschaftspolitiken. Die Bundesrepublik Deutschland will nach außen ausstrahlen. Deswegen ist es wichtig, dass wir in den Ländern Gestaltungsspielraum haben, dass sich Kreativität entfalten kann. Aber es ist auch notwendig, dass sich die Länder koordinieren und sich auf gemeinsame Ziele festlegen - durch Selbstverpflichtung oder andere Mechanismen. Das kann zum Teil in der KMK geschehen - lieber Kollege Stratmann, dort haben wir das versucht -; das kann auch in der Runde der Ministerpräsidenten geschehen. Es ist aber auch sehr gut - und das hat an dieser Stelle entgegen Ihrer gerade getroffenen Äußerungen funktioniert - bei einem Bildungsgipfel möglich, bei dem alle Ministerpräsidenten mit der Kanzlerin über das Konzept der nächsten Jahre diskutieren.
Wenn Sie hier versuchen, die Berechnungen anzugreifen, dann muss ich sagen: Der Vorsitzende der Finanzministerkonferenz ist der SPD-Senator Nußbaum, unter dessen Regie diese Dinge ablaufen.
(Zustimmung bei der CDU und bei der FDP - Wolfgang Jüttner [SPD]: Ach, der ist schuld! - Björn Thümler [CDU]: Typisch!)
Ich würde gerne zuerst zu Ende sprechen. Danach können Sie dann fragen. - Oder wie ist das bei Ihnen?
(Christian Dürr [FDP]: Herr Jüttner hat noch jede Möglichkeit! - Karl-Heinz Klare [CDU]: Er stellt auch immer so viele schwierige Fragen!)