Protokoll der Sitzung vom 28.04.2010

keinen Sinn, hier vielleicht zu suggerieren, dass man tatsächlich so etwas will. Auch ich kenne die Haushaltslage in Bremen. Aber es ist schlichtweg nicht vorstellbar, dass hoheitliche Aufgaben auf private Sicherheitsunternehmen übertragen werden. Ich gehe fest davon aus, dass der Kollege Mäurer dies nie im Sinn gehabt hat.

Aber jeder hat seinen Stil. Wenn er erst noch einmal Gespräche führen will, um die Gewerkschaft von dem Inhalt zu überzeugen, dann kann ich das nachvollziehen. Inhaltlich ist völlig klar, dass das nichts damit zu tun hat. Ich bin ganz sicher, dass er in einem Jahr die Gewerkschaft zumindest davon überzeugt hat, dass sie dann ihre Auffassung gegenüber der Presse nicht mehr ganz so kräftig darstellen kann, weil die Praxis auch in den anderen Ländern, wo diese Vereinbarung schon längst abgeschlossen ist, gezeigt hat, dass keine hoheitlichen Aufgaben auf private Unternehmen übertragen worden sind.

(Zustimmung bei der CDU und bei der FDP)

Vielen Dank, Herr Minister. - Die nächste Zusatzfrage kommt von Herrn Bartling von der SPD-Fraktion.

Herr Schünemann, ich habe eine Frage zu dem Inhalt der vertraglichen Vereinbarung. Darin heißt es u. a., dass man mit den privaten Sicherheitsdiensten Lagebilder austauschen will. Meiner Kenntnis nach fließen in unsere Lagebilder z. B. auch Informationen des Staatsschutzes und des Verfassungsschutzes ein. Wie werden Sie sicherstellen, dass es trotz des Austausches von Lagebildern nicht zur Übertragung hoheitlicher Aufgaben oder zumindest zur Information von privaten Sicherheitsdiensten über sensible Daten kommt, womit dann dieser Verdacht, hoheitliche Aufgaben wahrzunehmen, doch gerechtfertigt wäre?

Herr Minister!

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich habe in meiner Antwort eingangs darauf hingewiesen, dass wir keine Lagebilder weitergeben, wenn diese irgendwelche sicherheitsrelevanten oder geheimen Informationen enthalten.

Das ist die Voraussetzung, und das ist mit diesem Vertrag sichergestellt. Das ist völlig klar. Auch aus datenschutzrechtlichen Gründen ist das überhaupt nicht machbar. Vielmehr handelt es sich um allgemeine Lagebilder. Ich hatte ein Beispiel genannt, nämlich Fußballspiele. Das gilt aber auch für andere Bereiche. In solchen Situationen tauscht man sich allgemein aus, welche Lagebilder vorherrschen. Dabei werden nur Informationen weitergegeben, deren Weitergabe sowohl aus sicherheitsbezogenen als auch aus datenschutzrechtlichen Gründen zu vertreten ist. Das ist vertraglich vereinbart. So sind die Polizeidirektionen angewiesen worden. In der Praxis - seit 2007 - ist das im Bereich der Polizeidirektion Hannover hervorragend umgesetzt worden.

(Zustimmung bei der CDU)

Vielen Dank, Herr Minister. - Meine Damen und Herren, Meldungen zu weiteren Zusatzfragen liegen mir nicht vor. Damit schließe ich die Besprechung der Dringlichen Anfragen.

Bevor wir zum nächsten Tagesordnungspunkt kommen, teile ich Ihnen mit, dass zu Punkt 19, den wir vorsorglich auf die Tagesordnung aufgenommen haben, bislang kein Antrag vorliegt, sodass die heutige Beratung dieses Punktes entfällt. Sollten die Fraktionen übereinkommen, heute noch einen anderen Punkt behandeln zu wollen, so bitte ich die Parlamentarischen Geschäftsführer um Mitteilung.

Ich rufe nun die Tagesordnungspunkte 15 und 16 vereinbarungsgemäß zusammen auf:

Besprechung: Politik der Landesregierung für den ländlichen Raum - Große Anfrage der Fraktion DIE LINKE - Drs. 16/1966 - Antwort der Landesregierung - Drs. 16/2397

Erste Beratung: Landwirtschaft und ländlichen Raum in Niedersachsen stärken - Antrag der Fraktionen der CDU und der FDP - Drs. 16/2411

Zunächst wird die Große Anfrage beantwortet. Nach § 45 Abs. 5 unserer Geschäftsordnung wird zu Beginn der Besprechung einem der Fragesteller oder dem Fragesteller das Wort erteilt. Alsdann erhält es die Landesregierung. Danach kommen

wir zur Einbringung des unter Punkt 16 aufgeführten Antrages der Fraktionen der CDU und der FDP. Daran schließt sich die weitere Aussprache an.

Für die Fraktion, die die Anfrage gestellt hat, liegt mir die Wortmeldung der Abgeordneten Frau König von der Fraktion DIE LINKE vor. Ich bitte Frau König jetzt ans Mikrofon.

(Zustimmung bei der LINKEN)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Antworten auf die Große Anfrage zur Politik der Landesregierung für den ländlichen Raum sind dürftig. Teilweise neigen sie, wie auch die heutige Regierungserklärung, zur übertriebenen Selbstdarstellung.

(Beifall bei der LINKEN)

Auf jeden Fall wird hier ein Niedersachsen dargestellt, welches so nicht existiert. Immerhin gibt die Landesregierung zu, es gibt abgehängte Regionen, womit es auch Armut gibt. Armut stellt sich im ländlichen Raum ganz anders dar als in der Stadt. Armut stigmatisiert auf dem Lande. Beratungsstellen, Kleiderkammern und eine Tafel sind oft unerreichbar. Keines der dargelegten Programme ist zielgerichtet auf den ländlichen Raum ausgerichtet.

(Beifall bei der LINKEN)

Im ELER gibt es das Stichwort „Armutsbekämpfung“ erst gar nicht.

Machen wir es uns hier bewusst: Wenn wir von „abgehängten Regionen“ sprechen, sprechen wir von Menschen, von Schicksalen, von Menschen, die von vielem ausgeschlossen sind. Dazu trägt mit bei, dass die Erschließung ländlicher Räume mit leistungsfähigen Breitbandnetzen nicht flächendeckend erfolgen wird. Trotz Ankündigungen sagt die Landesregierung jetzt, es gibt auch künftig Lücken im ländlichen Raum. Hier rächt sich die vor Jahren stattgefundene Privatisierung der Telekommunikation besonders,

(Beifall bei der LINKEN - Jan- Christoph Oetjen [FDP]: Das Gegen- teil ist richtig, Frau Kollegin!)

weil private Anbieter halt nicht auf das Land gehen, wenn dort kein Reibach zu machen ist.

Auch sind die Bürgerinnen und Bürger auf Postämter angewiesen. Oftmals müssen dort Schriftstücke

unterzeichnet werden. Der mobile Postservice ist keine Alternative. In der Beantwortung der Großen Anfrage hinterfragt die Landesregierung unsere Informationsquellen zur Schließung der Postagenturen. Ganz einfach: Wir lesen die eingehende Post und damit die Schreiben der Deutschen Post AG. Nicht immer ist sofort eine Partnerfiliale gefunden. Und selbst wenn, was bedeutet das für die Menschen auf dem Dorf? - Die nächste Postservicestelle befindet sich in der nächsten Stadt, manchmal unerreichbar ohne Auto. Unerhört und unzumutbar für Bürgerinnen und Bürger!

(Beifall bei der LINKEN)

Abgehängt sind Menschen auch, weil der ÖPNV unzureichend vorhanden ist. Flexible Arbeitszeiten, das Arbeiten an Wochenenden und Feiertagen setzen einen bedarfsgerechten ÖPNV voraus. Hierzu in der Beantwortung der Anfrage davon zu sprechen, dass der bedarfsgerechte Erhalt weiterhin gesichert werden muss, ist einfach nur Schönmalerei.

(Beifall bei der LINKEN)

Ein bedarfsgerechter ÖPNV muss erst einmal geschaffen werden. Den motorisierten Individualverkehr langfristig als dominierenden Verkehrsträger zu akzeptieren, das ist nicht nur aus ökologischer Sicht ein absolut falscher Weg, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der LINKEN)

Den ÖPNV benötigen die Menschen auch, um einen Hausarzt zu erreichen. Dazu werden wir morgen in der Aktuellen Stunde Stellung nehmen, Missstände und vor allem Alternativen aufzeigen.

Auch in der Bildungspolitik hakt es in den ländlichen Regionen. Mehrfach heißt es in der Beantwortung, Schulstandorte sind in der Fläche zu sichern. Herr Minister Althusmann - ach, er ist nicht da -, wenn Sie zu dem Wort der Landesregierung stehen, dann senken Sie endlich die absoluten Hürden für die Gründung von Gesamtschulen, damit auch in der Fläche die Schulstandorte attraktiver werden.

(Beifall bei der LINKEN - Zuruf von der CDU: Quatsch!)

Meine Damen und Herren, mit der bisherigen Politik und dem Aussitzen von Problemen werden unsere Dörfer leer geräumt. Wer sich bei niedriger Entlohnung kein Auto leisten kann, ist gezwungen, in die Stadt zu ziehen. Die ältere Generation bleibt allein zurück, soziale Beziehungen und Bindungen

werden zerrissen. Das ist die soziale Kälte, die durch Ihre Politik, Herr Ministerpräsident Wulff, in unsere Dörfer einziehen wird. Die vagen Beschreibungen zu Siedlungsstrukturen im LandesRaumordnungsprogramm reichen lange nicht aus, um diese Probleme zu beheben. Wenn die Landesregierung erklärt, dass die Erhaltung der Dorfkerne künftig einen Schwerpunkt bilden soll, dann ist das nur das Eingeständnis bisheriger Versäumnisse.

(Beifall bei der LINKEN)

Notwendig ist z. B. ein Dorferneuerungsprogramm, das zielgerichtet so zu gestalten ist, dass auch einkommensschwächere Bevölkerungsgruppen wie z. B. junge Familien mit Kindern dieses Programm in Anspruch nehmen können.

Vor allem müssen Menschen, die in der ländlichen Region leben, dort auch Arbeit finden. Im Rahmen der regionalen Wirtschaftsstrukturpolitik wurden keine Förderungsmaßnahmen konzipiert, die ausschließlich die Förderung der Entwicklung im ländlichen Raum im Fokus haben. Vielleicht sollte da einmal überprüft werden, inwieweit die genannten strukturschwachen Regionen Niedersachsens überhaupt von der Politik profitieren, und dann sollten dringend Anpassungen vorgenommen werden.

(Beifall bei der LINKEN)

Ich höre jetzt schon wieder, durch den Bau eines Schlachthofes werden doch jetzt Arbeitsplätze in der Region Celle geschaffen. Meine Damen und Herren, es gilt, in Niedersachsen Arbeitsplätze zu schaffen, die mit der Umwelt und der Natur im Gleichklang stehen. Unser Antrag zum Stoffstrommanagement zeigt auf, es geht auch anders. Bitte denken Sie auch einmal an den Tourismus in Niedersachsen! Die Landesregierung setzt auf Wachstum und Exportsteigerung in der Landwirtschaft. Das zukünftige System der Agrarförderung soll so ausschauen wie jetzt. Das ist doch komplett weltfremd.

(Beifall bei der LINKEN)

Alle wissen, dass mit der Erweiterung der EU der Kampf um Mittel voll entbrannt ist. Die Landesregierung zieht jedoch noch nicht einmal in Betracht, dass die Mittel gekürzt werden könnten. Fakt ist: Es kann und es wird nicht so bleiben. Die zukünftige Agrarförderung muss sozial und umweltgerecht ausgestaltet werden. Dazu hat die Linke Vorschläge. Diese werden wir bei der Ausschussberatung

des Antrags der Fraktionen der CDU und der FDP einbringen.

(Jan-Christoph Oetjen [FDP]: Da sind wir einmal gespannt!)

- Das können Sie auch sein.

Auch die Antwort zur Direktvermarktung zeigt, dass der Schwerpunkt auf Export gelegt wird. Bei der Tierhaltung bedeutet das den weiteren Bau von Großställen. Die Möglichkeiten der Gemeinden zur Steuerung sind eingeschränkt. Der Bürgerwille zählt gar nicht mehr. Das hat auch die Anhörung im Agrarausschuss deutlich gezeigt.

Die Nominierung der neuen Agrarministerin lässt auf nichts Gutes hoffen. Das muss in diesem Zusammenhang einfach einmal gesagt werden. Das Motto der Fraktionen der CDU und der FDP „Landwirt, wachse oder weiche!“ lehnen wir, die Fraktion DIE LINKE, deutlich ab.

(Beifall bei der LINKEN)