Protokoll der Sitzung vom 29.04.2010

Ich habe vorgestern hier gesagt, dass in Deutschland der Anteil derjenigen aus bildungsfernen Schichten, die studieren, über ganz viele Jahre konstant geblieben ist. Also gibt es keine einfache Antwort, um das zu ändern. Aber es ist auch ein Stück deutsche Mentalität. Ich denke, hier ist Werbung nötig.

In dieser BAföG-Novelle wurde gerade der Punkt „Zuverdienst von Studenten“ besser geregelt. Zuverdienst ist erleichtert worden. Es kann mehr hinzuverdient werden. Auch das ist also ein Punkt, wo man jetzt beim BAföG reagiert hat.

Danke schön.

Herzlichen Dank, Frau Ministerin Wanka. - Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe die Beratung.

Wir kommen zur Ausschussüberweisung. Zur federführenden Beratung soll der Antrag an den Ausschuss für Wissenschaft und Kultur überwiesen werden, zur Mitberatung an den Ausschuss für Haushalt und Finanzen. Höre ich Widerspruch? - Nein. Enthaltungen? - Auch keine. Dann ist es so beschlossen.

Ich rufe den Tagesordnungspunkt 25 auf:

Erste Beratung: Klimaschutz in Niedersachsen voranbringen durch Einführung eines flächendeckenden, systematischen Stoffstrommanagements - Antrag der Fraktion DIE LINKE - Drs. 16/2402

Zur Einbringung haben für die Fraktion DIE LINKE Sie, Herr Herzog, das Wort. Bitte schön!

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! In vielen Bereichen sind Projekte für die Energiewende und für mehr Klimaschutz immer noch von Modell- und Leuchtturmprojekten, von idealistischer Eigeninitiative oder vom Unternehmertum Einzelner geprägt. Das ist gut, reicht aber aus meiner Sicht nicht. Sich nach Kopenhagen zurückzulehnen und auf vermeintlich hohe eigene Zielmargen in ferner Zukunft zu verweisen, verkennt den Ernst der Lage und lässt vor allem Chancen ungenutzt.

(Beifall bei der LINKEN)

Deshalb brauchen wir nötigst die Umsetzung systematischer Ansätze im Klimaschutz, flächendeckender Ansätze, die zum Standard werden und trotzdem oder gerade deswegen genügend Flexibilität für Akteure und Praktiker lassen. Dafür müssen wir wie so oft das Rad nicht neu erfinden, sondern können auf vorhandenes Know-how aufbauen und Erfahrungen an niedersächsische Gegebenheiten anpassen. Genau dies bietet das sogenannte Stoffstrommanagement, ein Begriff, der zunächst etwas sperrig klingt, aber das Ziel und den Weg dorthin doch trefflich beschreibt.

Meine Damen und Herren, Klimaschutz muss immer auch und zunehmend auf vernünftiger Ressourcenwirtschaft fußen.

(Beifall bei der LINKEN)

Wir brauchen schlicht eine Revolution im Umgang mit Ressourcen, weg von der Wegwerfgesellschaft, deren Hauptproblem die verniedlichend so bezeichnete Entsorgung wird, und das nicht nur im Atombereich. „Es macht keinen Sinn, Energieträger mit viel Aufwand an Energie zu vernichten“, formuliert einer der Väter des Stoffstrommanagements immer wieder. Gemeint ist, systematisch alle Stoffströme regional zu erfassen. Das können neben Abfällen, Abwässern und Reststoffen auch Biomassen jedweder Art und andere Energieträger

sein. Das Ziel ist, sie möglichst effizient und mit hohen Synergieeffekten zusammenzubringen und zu nutzen und dabei ganz bewusst dezentrale Strukturen und im Idealfall geschlossene Kreisläufe zu entwickeln.

Wir müssen weg von der simplen Extrapolation von Steigerungs- und Wachstumsraten, hin zu verbrauchssenkenden, ortsbezogenen Strategien. Natürlich gibt es einige Ansätze. Es gibt Wettbewerbe, und Modellregionen wie Lüchow-Dannenberg geben sich ambitionierte Ziele vor. Sie wollen sich beispielsweise langfristig zu 100 % mit erneuerbaren Energien versorgen. Solche Ansätze dürfen aber selbstverständlich nicht kleinstaaterisch an Kreisgrenzen enden.

Meine Damen und Herren, es liegt auf der Hand, dass den Kommunen bei der Umsetzung die zentrale Rolle zukommt. Aber - das sage ich als Kommunalpolitiker, der aus einem extrem struktur- und finanzschwachen ländlichen Raum kommt, ganz bewusst - wir brauchen die Landesebene, die einen verlässlichen Rahmen setzt. Eine Möglichkeit ist, den Kommunen das Stoffstrommanagement durch ein gut ausgestattetes Förderprogramm schmackhaft zu machen, begleitet durch eine entsprechende Kampagne, vor allem aber geführt durch ein Kompetenzzentrum, das initiiert, berät, vermittelt etc. Damit können dann die Kreativität und die profunde Ortskenntnis der Kommunen an solides Grundwissen gekoppelt werden.

Jeder von Ihnen kennt in seiner Umgebung suboptimale Projekte. Da konkurrieren Biogasanlagen um Biomasse, teilweise ohne die entstehende Wärme sinnvoll zu nutzen. Da entsorgt ein Großschlachtbetrieb seine wertvollen Abfälle teuer auswärts. Mein Landkreis z. B. verschwendet sein Biomassepotenzial aus der Grüngutsammlung und karrt es zur Kompostierung teilweise nach hinter Magdeburg.

Warum nicht lieber die Nutzung in einem ortsansässigen Betrieb, der Biomasseanlagen an heimischen Schulen beliefert oder sogar betreibt, z. B. in einem Contracting, das dann eben nicht - völlig konventionell und fossil - Vattenfall aus dem fernen Hamburg betreibt? Warum nicht eine Nahwärmeversorgung, die - ideal für die Verbrauchslastlinie - ein Schulzentrum mit der daneben liegenden Siedlung zusammenbringt?

(Beifall bei der LINKEN)

Meine Damen und Herren, Forschung und Wissenschaft verstehen wir oft aus einer überwiegend

technologischen Sicht und vergessen dabei nicht selten die soziologische und strukturelle Komponente. Deshalb fordern wir in unserem Antrag auch, in Niedersachsen wissenschaftliche Kapazitäten für die Weiterentwicklung des Stoffstrommanagements einzurichten.

Lassen Sie mich noch einen weiteren Aspekt bringen: Wer als Politiker an Schulen war, wird festgestellt haben, wie unterbelichtet bei vielen Schülerinnen und Schülern die Kenntnisse des örtlichen Gemeinwesens sind. Was Hänschen nicht lernt! Deshalb glauben wir, dass eine bewusste Prioritätensetzung auf Stoffströme auch in Lehrinhalten für die langfristige Perspektive sehr hilfreich ist. Ganzheitlich und an die konkreten örtlichen Gegebenheiten angepasst, lassen sich dabei Chemie, Physik, Biologie, Mathe und Ökonomie praxisnah vermitteln. Das wäre ein Unterricht, dessen Ausrichtung die Mentalität „Strom kommt aus der Steckdose“ verlässt und zu einem Verständnis elementarer Zusammenhänge kommt.

(Beifall bei der LINKEN)

Denn nur dann - da sind wir sicher - wird die Bereitschaft der zukünftigen Generationen noch wachsen, das nötige Tempo für die dringende Energie- und Verhaltenswende vorzulegen.

Meine Damen und Herren, solche guten Gesamtkonzepte fallen nicht vom Himmel. Aber es gibt Vorbilder. Dabei verstehen sich Kommunen, Gemeinden als Unternehmen, die Ressourcen aktiv nutzen. Dabei ist Verwaltung nicht nur Genehmigungsbehörde, sondern Initiator, Moderator und nicht zuletzt auch Mediator. Kooperation und Kommunikation treten an die Stelle von Weisungen und Hierarchie. Wichtige Know-how-Träger werden in verlässlichen Strukturen zusammengebracht. Ob die sich dann als Steuerungsgruppe, genossenschaftlich oder in einer GmbH organisieren, das wird flexibel entschieden.

Wertschöpfung vor Ort, Existenzsicherung, Arbeitsplatzsicherung und -zuwachs können damit im ländlichen Raum den verheerenden demografischen Wandel und Infrastrukturkahlschlag stoppen. In solch eine neu ausgerichtete, offene Planung bringen sich dann auch Bürgerinnen und Bürger gerne ein, mit Ideen, Engagement und nicht zuletzt auch finanziell.

All dies vermindert Planungshindernisse und schafft hohe örtliche Identifikation. Dass dabei die örtlichen Sparkassen und Volksbanken bei der Finanzierung helfen und sich auf entsprechende

Projekte spezialisieren - bis hin zu vielleicht sogar regional aufgelegten Energiefonds -, ist fast schon eine Binsenweisheit.

Meine Damen und Herren, wir würden uns freuen, wenn Sie mit uns diese strukturpolitische Chance im Sinne vor allem des ländlichen Raumes und natürlich auch des Klimaschutzes vorantreiben würden.

Vielen Dank.

(Beifall bei der LINKEN)

Danke schön, Herr Herzog. - Für die FDP-Fraktion spricht Herr Dr. Hocker. Bitte!

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wenn sich die Fraktion der Linken neuerdings auf ihre Fahnen schreiben will, sich dem Thema Klimaschutz und Reduzierung der CO2-Emissionen durch eigene Vorschläge zu nähern,

(Kreszentia Flauger [LINKE]: Das steht schon lange auf unseren Fah- nen!)

anstatt lediglich gegen die Verlängerung von Restlaufzeiten unserer Kernkraftwerke zu demonstrieren und damit gerade nicht für Klimafreundlichkeit einzustehen, wäre das grundsätzlich ein Schritt in die richtige Richtung.

(Beifall bei der FDP)

Aber schauen wir uns den Antrag doch einmal etwas genauer an! Die Kommunen sollen also die zentrale Rolle bei dem Management von Stoffströmen einnehmen, ein sogenanntes Stoffstrommanagement planen, einführen und steuern. Anstatt auf Freiwilligkeit zu setzen und Anreize für unsere Kommunen zu mehr Energieeffizienz zu schaffen, wie es die Landesregierung mit ihren Maßnahmen getan hat, über die uns vor einigen Wochen im Umweltausschuss eindrucksvoll berichtet wurde, setzt die Linke mit ihrem Antrag auf Behörden, Verwaltung und auf noch mehr Bürokratie.

(Kurt Herzog [LINKE]: Sie haben we- nig verstanden!)

Herr Herzog, denn anders, als es in RheinlandPfalz diskutiert und umgesetzt wird - darauf beziehen Sie sich ja auch -, wo Kommunen als Modera

tor etwa des Effizienznetzwerks Umwelt und Energie oder im Rahmen von PPP-Modellen ein Informationsportal betreiben, wiehert mich aus den Zeilen Ihres Antrags der Amtsschimmel geradezu an, wenn Sie von den Kommunen die flächendeckende Einführung von zielführenden Strukturen und Maßnahmen zur systematischen Erfassung von Stoffströmen verlangen wollen.

Herr Dr. Hocker, gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Nein, jetzt nicht. - Das bedeutet wieder einmal Melde-, Erfassungs- und Dokumentationspflichten für unsere mittelständischen Unternehmen und Kommunen im Land. Ich sehe den verpflichtenden Stoffstrommanager in jedem niedersächsischen Unternehmen schon förmlich vor mir, inklusive verpflichtender Stoffstrom- und Energiestromberichtsbögen, die von dem Stoffstrombeauftragten im Unternehmen täglich ausgefüllt und an die Kommune weitergeleitet werden müssen.

(Kurt Herzog [LINKE]: Das ist falsch!)

Selbstverständlich erfolgt bei verspäteter oder unvollständiger Meldung die Verhängung eines Ordnungsgeldes.

Meine Damen und Herren, „von der Wiege bis zur Bahre: Formulare, Formulare“, das hat ein deutscher Liedermacher einmal getextet. Statt darauf zu setzen, privates Engagement zu fördern und Freiwilligkeit zu unterstützen, fordern Sie die flächendeckende Einführung von Maßnahmen auf kommunaler Ebene, die, wie immer, mit einem Rattenschwanz an Bürokratie, Verwaltung und behördlicher Aktivität verbunden ist.

(Dr. Manfred Sohn [LINKE]: Was für ein Bild haben Sie denn von unseren Kommunen?)

Unsere Umsetzung einer verbesserten Energieeffizienz sieht schlanker und erfolgreicher aus. Angefangen bei der Unterstützung der energetischen Verbesserung des Gebäudebestands in den Kommunen über das Programm zur Förderung einer effizienten kommunalen Straßenbeleuchtung bis zu Anreizen zu Energieeinsparungen vermeiden wir gerade ein bürokratisches Monster, wie Sie es mit Ihrem Antrag unweigerlich hervorrufen würden. Stattdessen entfachen wir auf kommunaler Ebene eine Bewegung der Energieeffizienz, die

auf der Basis von Erkenntnis, Freiwilligkeit und dezentralen Strukturen zustande kommt und keiner dirigistischen Verwaltung bedarf.

Mein Tipp: Weniger Verwaltung und Papierkram, stattdessen Anreize schaffen und stimulieren. - Lieber Herr Herzog, das gilt übrigens nicht nur für das Thema Energieeffizienz.