Protokoll der Sitzung vom 29.04.2010

(Zurufe von der CDU: Sie ist doch da!)

Wo ist sie denn?

(Ministerin Aygül Özkan nimmt auf der Regierungsbank Platz)

Da ist sie! Sie saß in einer anderen Reihe.

(Unruhe)

Frau Kollegin, fahren Sie bitte fort!

Wer die Arbeitssuche erschwert, darf sich nicht wundern, wenn Flüchtlinge von Sozialhilfe leben müssen. Die hier geduldeten Ausländer brauchen vor allem das Recht, zu arbeiten.

Unser Asyl- und Aufenthaltsrecht ist darauf ausgerichtet, einem Flüchtling lange einen Job zu verwehren. Er muss von Sozialgeld leben, ob er will oder nicht. Das ist es, was dem Sozialsystem schadet und für die Betroffenen anschließend zum Bumerang wird.

(Beifall bei der SPD, bei den GRÜ- NEN und bei der LINKEN)

Die knapp 100 000 Geduldeten in Deutschland leben in einem Teufelskreis. Einerseits wird ihnen vorgeworfen, sie machten es sich auf Kosten der Deutschen bequem; dadurch werden sie zum Hassobjekt für Rechtsradikale. Andererseits verbietet man ihnen, wie jeder andere arbeiten zu gehen. Während des ersten Jahres in Deutschland dürfen sie nicht arbeiten; anschließend dürfen sie aufgrund der Vorrangregelung nur solche Jobs annehmen, die weder ein Deutscher noch ein EUBürger oder ein Nachfahre der ehemaligen Gastarbeiter haben will. Das ist doch so, meine Damen und Herren, als würde man jemanden fesseln und ihm dann vorwerfen, dass er nicht weglaufen kann.

Meine Damen und Herren, wir müssen im Bleiberecht dazu kommen, dass wir nicht immer neue Geduldete produzieren. Eine Aufenthaltserlaubnis muss erteilt werden können, wenn die Ausreise aus rechtlichen oder tatsächlichen Gründen unmöglich ist. Vor allem gilt dies in humanitären Fällen und für Kinder und Jugendliche. Wir brauchen

eine Regelung, die verhindert, dass immer wieder neue Altfälle geschaffen werden.

(Beifall bei der SPD, bei den GRÜ- NEN und bei der LINKEN)

Meine Damen und Herren, für die CDU-Fraktion erteile ich nun Frau Lorberg das Wort. Bitte!

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Lieber Herr Aller, Sie müssen sich vielleicht noch daran gewöhnen, aber dieser Themenbereich wird im Innenministerium bleiben, also auch bei uns Innenpolitkern.

(Heinrich Aller [SPD]: Schubladen- denken!)

Ich bin auch fest davon überzeugt, dass das so vollkommen richtig ist.

(Klaus-Peter Bachmann [SPD]: Den integrationspolitischen Ansatz der Rede haben Sie trotzdem gehört?)

- Lieber Herr Bachmann, wir sprechen an dieser Stelle von einem Bleiberecht und nicht von Integration.

(Kreszentia Flauger [LINKE]: Das ist für Sie ein Gegensatz!)

Das müssen wir hier jetzt vielleicht noch einmal ein Stück weit verdeutlichen. Wenn Sie jetzt zuhören könnten,

(Ursula Helmhold [GRÜNE]: Möglichst viele abschieben! Dann brauchen wir nicht so viele zu integrieren!)

auch Sie, Frau Helmhold, wäre ich Ihnen sehr dankbar.

(Zustimmung bei der CDU)

Wir haben über das Thema „Bleiberecht“ in diesem Haus wieder und wieder diskutiert. Man könnte tatsächlich sagen, dass alle Argumente der unterschiedlichen Positionen ausgetauscht sind. Aber nein, wir sprechen auch heute wieder über das Bleiberecht.

(Filiz Polat [GRÜNE]: Das ist die ab- schließende Beratung! Sie brauchen dazu ja nicht zu reden!)

Ich muss sagen, von den Vorrednern habe ich leider überhaupt nichts Neues gehört.

Seit 2006 haben insgesamt 2 362 Personen in Niedersachsen nach der Bleiberechtsregelung eine Aufenthaltserlaubnis erhalten. Ich denke, auch Sie, Frau Polat, müssen diese Zahl vielleicht einmal zur Kenntnis nehmen. Denn Sie haben eben auch gesagt, dass es faktisch überhaupt nicht möglich sei, dass Menschen, die eine Duldung haben, hier Arbeit bekommen. Wie kann es dann sein, dass diese Menschen ein Aufenthaltsrecht bekommen haben? - Gerade weil sie ihren Lebensunterhalt selber bestreiten können. Das ist eine elementare Erteilungsvoraussetzung, die wir auch beibehalten werden. Der wichtigste Bestandteil dieser Bleiberechtsregelung ist und bleibt nun einmal die Sicherung des Lebensunterhaltes durch die begünstigten Personen.

Im Rahmen der Altfallregelung sieht das etwas anders aus. Da haben 5 000 Menschen eine Aufenthaltserlaubnis erhalten, davon allerdings 75 % auf Probe. Das liegt daran, dass diese Menschen noch nicht in der Lage waren, ihren Lebensunterhalt eigenständig zu gewährleisten. Fakt ist aber auch, dass mit dieser Regelung nicht allen geduldeten Personen eine Aufenthaltsgenehmigung verschafft werden kann. Voraussetzung ist auch bei der Altfallregelung, dass die begünstigten Personen wirtschaftlich integriert sind.

Meine Damen und Herren, Frau Lesemann hat es eben gesagt: Aufgrund der Wirtschaftskrise - - -

Frau Kollegin, gestatten Sie eine Zwischenfrage von Frau Polat?

Nein, danke. - Aufgrund der Wirtschaftskrise war die Integration in den Arbeitsmarkt für diese Personengruppe in den letzten Jahren sehr schwer. Darum haben sich die Innenminister von Bund und Ländern im Dezember 2009 darauf verständigt, in der gesetzlichen Altfallregelung eine Übergangslösung zu schaffen und damit den Menschen, die wirtschaftlich noch nicht völlig integriert sind, erneut eine Perspektive gegeben. Jedoch muss auch hier in Zukunft sichergestellt werden, dass der Lebensunterhalt eigenständig bestritten werden kann. Ich denke, das ist sehr wichtig.

Dass Ihre Forderungen, liebe Kolleginnen und Kollegen von der Opposition, viel weit reichender sind, ist uns allen klar. Warum sind Sie dann nicht

ganz ehrlich und schreiben einen Antrag mit der Überschrift „Bleiberecht für alle“? Dann würden wir nämlich nicht ständig an dieser Sache herumdiskutieren müssen; dann würde das, was Ihre Motivation beinhaltet, hier endlich einmal auf den Tisch kommen. Das tun Sie aber nicht, weil Sie genau wissen, dass Sie dafür in der Bevölkerung keinen Rückhalt bekommen würden.

Meine Damen und Herren, ein dauerhaftes Bleiberecht ist keine Belohnung für diejenigen, die es verstanden haben, ihren Aufenthalt hier über Jahre hinauszuziehen, ohne die erforderlichen Integrationsleistungen im sozialen wie auch im wirtschaftlichen Bereich zu erbringen.

(Filiz Polat [GRÜNE]: Dieser Textbau- stein fehlte noch in Ihrer Rede!)

Frau Polat, das wäre eine Ungerechtigkeit denen gegenüber, die zurück in ihre Heimat gehen, wenn ihre Asylanträge abgelehnt wurden, und denen gegenüber, die, weil sie ihren Lebensunterhalt selber bestreiten können, hier bleiben dürfen. Wo sehen Sie eine Gerechtigkeit, wenn man einfach sagt, nach fünf Jahren setzt automatisch eine Bleiberechtsregelung für die ein, die es geschafft haben, so lange zu bleiben?

(Zustimmung bei der CDU)

Frau Polat, wir dürfen nicht vergessen - mir kommt es so vor, dass Sie das immer wieder ausblenden; denn Sie erwähnen das nie -, dass wir hier von einer Personengruppe sprechen, die über Jahre vollziehbar zur Ausreise verpflichtet gewesen ist. Natürlich suchen auch wir nach Lösungen für die Menschen, gerade auch um im humanitären Bereich etwas zu erreichen. Aber es geht nicht zum Nulltarif. Es geht auch nicht, wenn sich jemand nicht bemüht, den Lebensunterhalt eigenständig zu sichern.

(Filiz Polat [GRÜNE]: Haben Sie Ihre eigene Beschlussempfehlung gar nicht gelesen?)

Frau Polat, diese Sonntagsreden sind manchmal auch etwas nervig. Das muss ich einmal ganz ehrlich sagen. Sie und auch die SPD waren lange genug an verschiedenen Stellen in Regierungsverantwortung. Warum haben Sie das alles damals nicht umgesetzt und tragen diese Forderungen erst jetzt, aus der Opposition heraus, wieder und wieder vor?

(Zustimmung bei der CDU)

Ich bin mir sicher: Auch wenn Sie irgendwann - wer weiß wann - einmal in Regierungsverantwortung kommen, werden Sie das nicht umsetzen können, weil das, was Sie da ständig fordern, für unsere Gesamtgesellschaft einfach überhaupt nicht leistbar ist.

(Beifall bei der CDU)

Lassen Sie mich noch ganz kurz etwas zur Situation von alten und kranken Menschen sagen.

(Glocke des Präsidenten)

Sie wissen, dass pflegebedürftige alte Menschen ein Bleiberecht bekommen können, wenn der Lebensunterhalt durch Dritte gesichert ist, beispielsweise durch andere Familienangehörige.

(Filiz Polat [GRÜNE]: Wenn Sie die nicht mit abschieben!)

Anders verhält es sich bei Krankheiten; denn die werden grundsätzlich im Rahmen der Asylanträge festgestellt. Auch sie können, wenn ein längerer Aufenthalt vorliegt und sich eine schlimme Krankheit herausgestellt hat, über Asylfolgeanträge festgestellt werden und dann zu einem Abschiebehindernis führen.

Einen besonderen Blick richten wir auf Kinder und Jugendliche, wie hier schon gesagt wurde. Wir sind sehr froh, dass der Innenminister hierzu einen Vorstoß unternommen hat. Er will erreichen, dass für Kinder und Jugendliche eine gesetzliche Neuregelung geschaffen wird, die ihnen losgelöst von dem Aufenthaltstitel der Eltern die Möglichkeit gibt, ein eigenständiges Aufenthaltsrecht eingeräumt zu bekommen.