Protokoll der Sitzung vom 30.04.2010

Das Oberlandesgericht Düsseldorf (OLG) hatte im Jahre 2007 entschieden, dass Grundstücksveräußerungen nach den Regeln des Vergaberechts auszuschreiben sind, wenn sie mit Bauverpflichtungen des Erwerbers verbunden sind. Dies gelte auch für Verpflichtungen aus städtebaulichen Planungen. Insoweit reiche für die Annahme eines nach Vergaberecht zu beurteilenden Bauauftrages (in der Gestalt einer Baukonzession) die Einflussnahme des Grundstücksveräußerers auf das gestalterische Baukonzept des Erwerbers im Sinne von Vorgaben aus. Das Gericht ging damit von einem Beschaffungsvorgang im Sinne des Vergaberechts aus. Diese Rechtsprechung hatte das OLG in weiteren Entscheidungen bekräftigt.

Der Bundesgesetzgeber trat dieser in der Vergabepraxis heftig kritisierten Rechtsprechung des OLG im Rahmen des Gesetzes zur Modernisierung des Vergaberechts, in Kraft getreten im April 2009, entgegen. Nach dem neugefassten § 99 des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB) wurde der für öffentliche Aufträge notwendige Beschaffungscharakter präzisiert. Danach

setzt ein öffentlicher Bauauftrag voraus, dass die Bauleistung durch einen Dritten (= Erwerber des Grundstücks) gemäß den Erfordernissen des Veräußerers des Grundstücks für diesen erfolgt und diesem unmittelbar wirtschaftlich zugute kommt.

Zuvor hatte das OLG im Oktober 2008 wegen der Kritik an seiner Rechtsprechung und der beabsichtigten Gesetzesänderung im GWB dem EuGH eine Vorlage zur Vorabentscheidung über den Bauauftragsbegriff zugeleitet.

In seinem Urteil vom 25. März 2010 hat der EuGH entschieden, dass bloße „städtebauliche Regelungszuständigkeiten“ des Veräußerers des Grundstücks „weder auf den Erhalt einer vertraglichen Leistung noch auf die Befriedigung des unmittelbaren wirtschaftlichen Interesses des öffentlichen Auftraggebers gerichtet“ sind. Dieses wirtschaftliche Interesse ergibt sich danach „eindeutig“, wenn der Veräußerer Eigentümer der Bauleistung oder des Bauwerks wird. Gleiches gilt, wenn dem Veräußerer des Grundstücks die Verfügungsbefugnis über das zu errichtende Bauwerk im Hinblick auf seine öffentliche Zweckbestimmung eingeräumt wird oder der Veräußerer wirtschaftliche Vorteile aus der zukünftigen Nutzung oder Veräußerung des Bauwerks ziehen kann, sich finanziell an der Erstellung des Bauwerks beteiligt oder Risiken im Falle eines wirtschaftlichen Fehlschlags des Bauwerks übernimmt. Der EuGH betont, dass es für die Annahme eines Bauauftrages nicht erforderlich sei, dass die Leistung die Form eines gegenständlichen oder körperlichen Objektes habe. Für die Annahme eines Bauauftrags sei eine einklagbare Bauverpflichtung erforderlich.

Außerdem führt der EuGH aus, dass eine Baukonzession voraussetze, dass der öffentliche Auftraggeber die Verfügungsbefugnis über das Grundstück besitzt. Anderenfalls könne eine Baukonzession nicht erteilt werden.

Dies vorausgeschickt, werden die Fragen namens der Landesregierung wie folgt beantwortet:

Zu 1: Die Entscheidung des EuGH ist zu begrüßen, da sie für Rechtsklarheit sorgt und die Diskussion um die Vergabepflichtigkeit von Grundstücksverkäufen mit damit in Zusammenhang stehenden Bauleistungen endgültig beendet hat. In diesem Zusammenhang ist es positiv zu bewerten, dass damit auch die Präzisierung des öffentlichen Auftragbegriffs im GWB durch den Bundesgesetzgeber vom EuGH inhaltlich als richtlinienkonform bestätigt worden ist.

Zu 2: Das Urteil des Europäischen Gerichtshofs sichert kommunale Handlungsspielräume bei der Stadtentwicklung. Unsicherheiten bei der Nutzung des Instruments der städtebaulichen Verträge sind damit beseitigt worden. Diese Verträge dienen dazu, zügig Baurecht für wichtige Investitionen in den Städten und Gemeinden Niedersachsens zu schaffen und zeitnah umzusetzen. Diese Rechtsentwicklung stellt bestimmte Arten städtebaulicher Planungsweisen somit wieder auf eine gesicherte Basis und bewirkt beispielsweise Verfahrensbeschleunigungen und eine höhere Flexibilität bei der Durchführung von Investorenwettbewerben bei städtebaulichen Entwicklungsprojekten.

Zu 3: Öffentliche Ausschreibungen, die im Hinblick auf die Rechtsprechung des OLG Düsseldorf in die Wege geleitet worden sind, müssen im Hinblick auf die Selbstbindung der Verwaltung nach den in der Ausschreibung festgelegten Bedingungen für den Zuschlag zu Ende geführt werden.

Auswirkungen auf andere Bereiche der Gemeindewirtschaft ergeben sich nicht unmittelbar. Allerdings hat die Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs Anwendungssicherheit geschaffen, die sich positiv auf die zukünftigen Investitions- und Planungstätigkeiten der Kommunen auswirken wird. In Erwartung der Entscheidungsverkündung zunächst noch verschobene Maßnahmen können nun beschleunigt durchgeführt werden.

Anlage 10

Antwort

des Ministeriums für Soziales, Frauen, Familie, Gesundheit und Integration auf die Frage 11 des Abg. Uwe Schwarz, Markus Brinkmann, Marco Brunotte, Ulla Groskurt, Stefan Klein, Matthias Möhle, Petra Tiemann und Ulrich Watermann (SPD)

Kostenloses Mittagessen in Werkstätten für behinderte Menschen: Ignoriert die Landesregierung höchstrichterliche Rechtsprechung?

Behinderte Menschen, die ganztägig in einer betreuten Werkstatt arbeiten, haben Anspruch auf ein kostenloses Mittagessen. Das entschied das Bundessozialgericht (BSG) am 8. Dezember 2008 in einem Musterverfahren (Az: b8/9b SO 10/07 R). Als Begründung gab das BSG an, dass das Mittagessen zur Eingliederungshilfe zu zählen ist und deshalb von dessen Trägern bezahlt werden muss. Wörtlich heißt es in der Urteilsbegründung: „Integraler Bestandteil der Sachleistung ist auch ein dort anzubietendes

Mittagessen, weil es unter Berücksichtigung der Bedürfnisse der behinderten Menschen zur Sicherung des Maßnahmeerfolgs erforderlich ist. Die Maßnahme in einer Werkstatt für behinderte Menschen verfolgt nämlich konzeptionell auch das Ziel, die Persönlichkeit des behinderten Menschen weiterzuentwickeln. Damit ist ein ganzheitlicher Förderungsansatz verbunden, dem die Maßnahme Rechnung zu tragen hat“. Vermehrt gibt es Hinweise, dass in Niedersachsen diese höchstrichterliche Entscheidung nicht flächendeckend umgesetzt wird.

Wir fragen die Landesregierung:

1. Wie bewertet die Landesregierung das o. g. BSG-Urteil?

2. Welche Schritte hat die Landesregierung bislang realisiert, und welche Maßnahmen plant sie, damit das o. g. BSG-Urteil bis wann in Niedersachsen umgesetzt ist?

3. Wie ist der Umsetzungsstand des BSG-Urteils in anderen Bundesländern?

Schon vor der Entscheidung des Bundessozialgerichts am 9. Dezember 2008 zur Erstattung von Kosten für Mittagessen in Werkstätten für behinderte Menschen waren Mittagessen und Getränke für Werkstattbeschäftigte Bestandteil der zwischen Leistungsträger und Leistungserbringer der Eingliederungshilfe abgeschlossenen Leistungs- und Vergütungsvereinbarung2.

Die in einem Musterverfahren getroffene Entscheidung hat die bereits seit 1980 praktizierte Verfahrensweise in Niedersachsen bestätigt.

Die Regelung, dass das Mittagessen in Werkstätten Leistung der Eingliederungshilfe und nicht Hilfe zum Lebensunterhalt ist, hat in Abhängigkeit von der Einkommenssituation der behinderten Werkstattbeschäftigten folgende Konsequenzen:

Bei Bezug von Leistungen der Grundsicherung: Die Höhe der Grundsicherung nach dem Zwölften Buch Sozialgesetzbuch (SGB XII) vermindert sich um den Teil, der auf das von der Eingliederungshilfe finanzierte und in der Werkstatt angebotene Mittagessen entfällt, da ein Bedarf (zum Lebensun- terhalt) hierfür nicht mehr vorliegt.

Bei begrenztem Einkommen: Sofern das gesamte Einkommen (Erwerbseinkommen, Renten, Unter- halt, sonstiges Einkommen) des behinderten Menschen die Einkommensgrenze nach § 85 SGB XII nicht übersteigt, ist die Aufbringung der Mittel für die Verpflegung nicht zumutbar.

2 s. Ziffer 3.3.3 der Regelleistungsbeschreibung vom 29.09.2008 sowie der Rahmenleistungsbeschreibungen vom 10.09.2002 und 16.12.2005 gem. § 5 Fortführungsvereinbarung zu den Landesrahmenverträgen (FFV LRV)

Hinweise für hiervon abweichende Verfahrensweisen zulasten behinderter Menschen liegen der Landesregierung nicht vor.

Dies vorausgeschickt, beantworte ich die Fragen namens der Landesregierung wie folgt:

Zu 1: Die genannte Entscheidung des Bundessozialgerichtes vom 9. Dezember 2008 steht in Einklang mit der in Niedersachsen seit 1980 praktizierten Verfahrensweise.

Zu 2: Entsprechende Regelungen wurden in Niedersachsen bereits vor der Entscheidung des Bundessozialgerichtes vereinbart und angewandt. Weitere Maßnahmen sind nicht erforderlich.

Zu 3: Die Bundesarbeitsgemeinschaft der überörtlichen Träger der Sozialhilfe (BAGüS) teilte auf Nachfrage mit, dass nach ihrer Kenntnis alle überörtlichen Träger der Sozialhilfe wie beschrieben verfahren.

Anlage 11

Antwort

des Ministeriums für Wissenschaft und Kultur auf die Frage 12 der Abg. Dr. Gabriele Andretta und Daniela Behrens (SPD)

Steht das geplante ethnologische Landesmuseum in Göttingen vor dem Aus?

Das Institut für Ethnologie der Universität Göttingen verfügt über Kunst- und Kulturschätze außereuropäischer Völker, die weltweit einzigartig sind. Vor allem zwei Sammlungen, die der Göttinger Naturforscher Johann Friedrich Blumenbach (1752 bis 1840) erwerben konnte, genießen in der Fachwelt überaus hohes Ansehen und bilden das Herzstück der völkerkundlichen Sammlung der Georgia Augusta: zum einen die aus europäisch noch unbeeinflussten Kulturdokumenten der arktischen Regionen von Sibirien und Alaska bestehende Baron-vonAsch-Sammlung, zum anderen die auf den berühmten englischen Kapitän James Cook und seine wissenschaftlichen Begleiter Georg und Johann Reinhold Forster zurückgehende Südseesammlung. Die kostbaren Sammlungsgegenstände sind in dem während der 1930erJahre gebauten Institutsgebäude am Göttinger Theaterplatz untergebracht, das in keiner Weise den heutigen Ansprüchen und dem immensen Wert der Sammlungen entspricht. Die Landesregierung hat daher Ende 2007 das Wahlversprechen gegeben, in Göttingen ein neues ethnologisches Landesmuseum zu errichten, um die Sammlungen zu bewahren und mit völkerkundlichen Beständen aus anderen Landesmuseen zu ergänzen. Als geeigneter Standort wurde die 1877 erbaute Zoologie neben dem Göttinger Bahnhof ausgewählt, und es

wurden Planungskosten in Höhe von 50 000 Euro in den Haushalt 2008 eingestellt. Im Rahmen der Beratungen zum Haushalt 2010 hat der Kulturminister erneut versichert, dass an den Plänen für ein ethnologisches Landesmuseum in Göttingen festgehalten und nach dem Umzug der Zoologie auf das Gelände des Nordcampus der Universität mit dem Umbau und Ausbau des Gebäudes am Bahnhof begonnen werde. Auch der Ministerpräsident hat bei seinem Besuch in Göttingen im Juni 2009 erklärt, die langjährigen Pläne, ein Landesmuseum für Ethnologie in Göttingen zu errichten, gehörten „in die Kategorie dessen, was verwirklicht werden muss“ (Göttinger Tageblatt vom 27. Juni 2009).

In einem Gespräch der Universitätsleitung mit Bundes- und Landtagsabgeordneten der Region berichtete der Präsident, dass das Land von den Plänen, ein ethnologisches Landesmuseum am Standort der alten Zoologie einzurichten, Abstand genommen habe und ein Neubau am Standort der Ethnologie am Theaterplatz favorisiert werde. Dort sollen die Sammlungen der Universität untergebracht und der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden. Von einem Landesmuseum war nicht mehr die Rede.

Wir fragen die Landesregierung:

1. Trifft es zu, dass die Landesregierung nicht mehr den Plan verfolgt, in Göttingen ein ethnologisches Landesmuseum zu errichten? a) Wenn ja, wie begründet sie den Bruch des im November 2007 gegebenen Wahlversprechens? b) Wenn nein, hält sie am Standort der Zoologie am Göttinger Bahnhof fest, oder favorisiert sie nun den Standort am Theaterplatz?

2. Wie sehen die bisherigen Kostenplanungen für ein ethnologisches Landesmuseum in Göttingen aus, differenziert nach Höhe der Umbaukosten und Unterhaltung der Sammlungen (Personal für Leitung, Museumspädagogik, Auf- sicht) ?

Die Sammlungen des Instituts für Ethnologie der Stiftung Universität Göttingen zählen zu den herausragenden in Deutschland. Insbesondere die Sammlung Cook/Forster sowie die des Barons von Asch aus dem späten 18. Jahrhundert sind zu nennen. Um eine besucherorientierte Präsentation dieser einmaligen Konvolute zu ermöglichen, haben sich die Stiftung Universität Göttingen und die Landesregierung gemeinsam darauf verständigt, die Sammlungen in einem dem Institut für Ethnologie zugeordneten Landesmuseum auszustellen. Dazu werden unterschiedliche Standorte auf ihre Machbarkeit und Realisierungsmöglichkeit geprüft.

Dies vorausgeschickt, werden die Fragen namens der Landesregierung wie folgt beantwortet:

Zu 1 und 2: Seitens der Landesregierung wird das Vorhaben einer angemessenen musealen Präsen

tation der herausragenden ethnologischen Sammlungen in Göttingen intensiv weiterverfolgt. Derzeit werden mehrere Varianten der Realisierung geprüft. Demzufolge können zum jetzigen Zeitpunkt auch noch keine detaillierten Angaben zu den entstehenden Investitions- und laufenden Kosten gemacht werden.

Anlage 12

Antwort

des Ministeriums für Wissenschaft und Kultur auf die Frage 13 der Abg. Dr. Gabriele Andretta, Daniela Behrens, Dr. Silke Lesemann, Matthias Möhle, Jutta Rübke, Stefan Schostok und Wolfgang Wulf (SPD)

Werden die Abiturienten des Doppeljahrganges 2011 in ihren Chancen auf einen Medizinstudienplatz benachteiligt?

Seit 2009 verlassen die doppelten Abiturjahrgänge die Schulen. Den Anfang machte das Saarland, dieses Jahr folgt Hamburg, 2011 Bayern und Niedersachsen, 2012 BadenWürttemberg und Hessen, 2013 NordrheinWestfalen. Um sich auf den Ansturm auf die Hochschulen vorzubereiten, haben sich Bund und Länder im Hochschulpakt 2020 darauf geeinigt, 275 000 zusätzliche Studienplätze zu schaffen. Trotz dieser Maßnahme werden Engpässe befürchtet, insbesondere in der Humanmedizin, da hier kein Ausbau der Aufnahmekapazitäten vorgesehen ist. Die Kultusministerkonferenz hat daher im Interesse der Absolventen der doppelten Abiturjahrgänge beschlossen, Verhandlungen mit dem Bund außerhalb des Hochschulpaktes 2020 über die Auflage eines gemeinsam, hälftig vom Bund und den sich beteiligenden Ländern finanzierten Sonderprogramms zum temporären Ausbau der Aufnahmekapazitäten in der Human- und Zahnmedizin (gegebenenfalls einschließlich der Tiermedizin) in den Jahren 2011 bis 2016 aufzunehmen. Angestrebt wird eine Kapazitätssteigerung um 10 %. Die Entscheidung über die Teilnahme an dem Sonderprogramm ist den Ländern freigestellt.