Protokoll der Sitzung vom 08.06.2010

(Klaus Rickert [FDP]: Na, na, na!)

Nach Ihrer damaligen Arbeitsverweigerung folgte dann auch ein juristischer Hammerschlag. Der EuGH hat eine Entscheidung getroffen, in der er festgelegt hat, dass es keine einseitige Tariftreueverpflichtung für Unternehmen bei öffentlichen Aufträgen geben darf, wenn dies bei sonstigen privaten Auftragsvergaben nicht verlangt wird. Deshalb handelt es sich bei dieser Regelung nach Ansicht des EuGH auch um eine Diskriminierung, eine Ungleichbehandlung. Daher ist uns das Gesetz an dieser Stelle ans Bein gelaufen. Das ist wohl wahr.

Meine Damen und Herren von CDU und FDP, trotzdem hätte man sich dann hilfsweise noch auf die weiteren Minimalforderungen unseres Antrags verständigen können. Da wollten die Damen und Herren der CDU aber wieder einmal überhaupt keine Vernunft annehmen. So war das damals. Deshalb stelle ich das hier einmal richtig. Sie wollten das, was wir mit unserem Antrag sonst noch eingebracht haben, überhaupt nicht akzeptieren und haben es konsequent abgelehnt.

(Beifall bei der SPD)

Dort ging es uns u. a. darum, tariffähige Gewerkschaften zu etablieren und die Tarifverträge solcher Gewerkschaften zu akzeptieren. Für Sie bestand die Problematik aber darin, dass dann auch die sogenannten christlichen Gewerkschaften, die Möchtegern-Gewerkschaften mit Billigtarifen, herausgefallen wären. Das wollten Sie nicht, und deshalb waren Sie dafür, das alles so zu belassen. Nicht einmal dazu hatten Sie, meine Damen und Herren der Noch-Regierungskoalition, damals die Kraft.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN - Heiner Schönecke [CDU]: Na, na, na!)

Stattdessen wurde dann mit dem Antrag von CDU und FDP die Lenor-Erklärung - windelweich gespült - beschlossen, mit der in der Praxis kein Mensch etwas anfangen kann. Man wolle Dumpinglöhnen und Wettbewerbsverzerrungen entgegenwirken, hieß es darin vollmundig. Die Realität, meine Damen und Herren - das sage ich hier insbesondere dem Handwerkspräsidenten -, sieht ganz anders und viel schlimmer aus. Nach wie vor ist festzustellen, dass Lohnbetrug auf unseren Baustellen zur Regel geworden ist, nachdem es keine wirksamen Möglichkeiten mehr gibt, diese Baustellen anständig zu kontrollieren. Deshalb

brauchen wir neue Regelungen, und deshalb müssen wir darüber reden. Der Antrag ist zielführend und eigentlich richtig.

Fragen Sie die Kreishandwerkerschaften und die Innungen und die Handwerksbetriebe! Sie müssten es doch eigentlich wissen, Herr Bley: Die Handwerksbetriebe wollen schon lange keine Angebote mehr abgeben, weil sie die Zeit sparen wollen, die Kalkulation zu betreiben, und dafür keine Arbeitskraft mehr einsetzen wollen, weil sie immer nur fünfter, siebter oder achter Sieger sind, während ihnen diejenigen, die mit Dumpinglöhnen kalkulieren, die Aufträge wegnehmen. Das wissen Sie! Die Ziele, die mit dem Antrag der Linken verfolgt werden, sind insofern richtig, weil sie in die richtige politische Stoßrichtung gehen.

(Beifall bei der SPD und bei der LINKEN)

Meine Damen und Herren, die Forderung, die sogenannten ILO-Kernarbeitsnormen mit einzubeziehen, müsste doch eigentlich auch Ihre uneingeschränkte Unterstützung und die der anderen Parteien finden. Wir jedenfalls wollen keine Produkte, an denen das Blut von Kinderhänden klebt. Wir wollen keine Produkte aus Zwangsarbeit. Wir wollen Produkte aus Ländern, in denen anständige Arbeitsbedingungen vorherrschen und in denen Kinderarbeit verboten ist. Darum unterstützen wir die Mindeststandards der ILO-Kernarbeitsnormen aus innerster Überzeugung. Das sage ich Ihnen aus innerster Überzeugung.

(Lebhafter Beifall bei der SPD und bei der LINKEN)

Meine Damen und Herren, trotz großer Übereinstimmung in der Zielsetzung sehen wir dennoch für die Ausschussberatung noch an einigen Stellen Diskussionsbedarf. Die Forderung nach Mindestlohn bei öffentlichen Aufträgen verstößt nach unserer Einschätzung eindeutig gegen geltendes EURecht, weil nur solche Normen verlangt werden dürfen, die auch für alle anderen Arbeitnehmer gelten.

(Dr. Manfred Sohn [LINKE]: Das sind eure Berliner Genossen!)

Den Mindestlohn müssten wir schon in einem eigenständigen Gesetz, das für sämtliche Arbeitnehmer gilt, regeln, meine Damen und Herren und liebe Kolleginnen und Kollegen.

Ferner ist die Aushebelung von Tarifverträgen mit der Einführung eines Mindestlohns nicht möglich, weil dem das Grundgesetz und hier explizit Arti

kel 9 Abs. 3 GG, der Koalitionsfreiheit bedeutet, entgegenwirkt. Wir sind aber gerne bereit, diese Dinge mit Ihnen im Ausschuss zu besprechen, um an der einen oder anderen Stelle vielleicht noch vernünftige Lösungen zu finden.

Der Ansatz Ihres Antrages ist richtig. Er geht in die richtige Richtung. Dazu stehen wir. Deshalb wollen wir ihn auch positiv begleiten.

Schönen Dank.

(Lebhafter Beifall bei der SPD, bei den GRÜNEN und bei der LINKEN)

Herr Schminke, möchten Sie noch eine Frage beantworten?

Das machen wir im Ausschuss.

Nein, das ist offenkundig nicht der Fall. - Herr Schminke hat recht: Das kann man auf die Ausschussberatung verschieben.

Für die Fraktion der Grünen: Herr Kollege Hagenah, bitte!

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Unser Niedersächsisches Landesvergabegesetz ist wahrlich kein Glanzstück. Deswegen ist es gut, dass wir heute mit dem Gesetzentwurf der Linken wieder in eine neue Runde eintreten, um zu versuchen, es zu verbessern. Das ist nötig, Herr Kollege Bley.

Letztendlich ist es ein ungeliebtes Kind der FDP. Wir wissen sehr wohl, dass wir es wohl schon gar nicht mehr hätten, wenn die CDU die Abschaffung damals, vor zwei Jahren, nicht verhindert hätte. Doch genau diese Gemengelage hat dazu geführt, dass die Novellierung 2008, nach dem Urteil des EuGH, nur halbherzig ausgefallen ist. Weiterhin schließt das Gesetz lohndumpinggefährdete Bereiche wie den ÖPNV aus und benachteiligt kleine und mittlere Betriebe im Land, für die eine Hürde von 30 000 Euro Vergabewert meistens zu hoch ist.

Deswegen ist es richtig, dass die Linke das Thema neu aufgreift. Die Forderung nach einem niedrigeren Schwellenwert und nach der Aufnahme des ÖPNV und von Dienstleistungen und anständigen

Löhnen unterstützen wir Grüne. Aber die allzu detaillierten Ausformulierungen in Ihrem Gesetzentwurf, Frau Weisser-Roelle, bergen leider auch das Risiko von zu viel Bürokratie und Nachweispflichten. Da müssen wir noch einmal genau gucken. Gut gemeint ist nicht in jedem Punkt gut gemacht.

Auch der auf den ersten Blick charmante Weg, quasi einen niedersächsischen Mindestlohn von 8,50 Euro einzuführen, hat seine Tücken. Wir haben es gerade gehört: Das EuGH-Urteil steht davor. Lesen Sie es noch einmal nach!

Es wurde gerade kritisiert, dass öffentliches Bauen und öffentliches Wirtschaften diskriminierend mit höheren Tarifen belegt würde, wenn wir diesen Mindestlohn nur in der Vergabe einführen würden. Wir müssten den Mindestlohn also - daran geht kein Weg vorbei; darin sind wir uns ja auch einig - auf Bundesebene einführen. Dann wäre diese Regelung vom EuGH nicht angreifbar und würde für alle Branchen und für jede Art von Geschäften gelten.

In dem Punkt müssen wir nachbessern, um die Regelung rechtskonform zu gestalten. Es nutzt uns kein Beschluss für ein Gesetz, das am Ende wieder vor dem EuGH scheitern würde.

Vielen Dank.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Danke schön, Herr Kollege Hagenah. - Nun spricht für die FDP-Fraktion Frau König. Bitte!

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Schon bei der letzten Novellierung des Landesvergabegesetzes im Dezember 2008 versuchte die Linksfraktion, diesem Gesetz ihren eigenen Stempel aufzudrücken - ohne Erfolg. Sie werden auch diesmal kein Glück haben - vom Zeitpunkt des Beschlusses bis heute hat sich nämlich nichts verändert, außer dass wir inzwischen wissen, dass es läuft, und zwar rund!

Sogar zu Vergaben innerhalb des Konjunkturpaketes - zur Erinnerung: dort wurde die Vergabesumme modifiziert, wodurch Vergaben schneller umsetzbar gemacht wurden - wurden uns keinerlei Beanstandungen zugetragen.

Herr Schminke, Sie wollten uns laut Ihrer Aussage im Dezemberplenum 2008 alle Missstände aufzeigen. Ich zitiere:

„Sie werden erleben, dass wir Ihnen immer dann, wenn die Missstände auftreten, zeigen, wo es langgeht.“

Wo bitte sind Ihre Beispiele?

(Ronald Schminke [SPD]: Das haben wir doch gemacht! Lesen Sie mal die Niederschriften!)

- Darüber haben wir bisher nichts gehört. - Ziel der Änderung war es, Arbeitsplätze zu sichern. Warum sollten wir daher die Wertgrenzen auf 10 000 Euro herabsetzen? Der bürokratische Aufwand allein verbietet dies schon.

Sicherlich haben sich Ihre Forderungen seit dem Zeitpunkt in einem Punkt verändert: Sie fordern heute einen gesetzlichen Mindestlohn von 8,50 Euro statt damals 8 Euro. Wir warten noch ein paar Jahre ab; denn dieser Betrag wird sicherlich noch weiter ansteigen.

(Johanne Modder [SPD]: Richtig!)

Sie haben aber vergessen, dass es vor dem EuGH gescheitert ist, den Mindestlohn in einem solchen Gesetz abzubilden, und dass wir deswegen ein neues Gesetz vorlegen mussten. Aber, meine Damen und Herren, man kann einen Mindestlohn nicht einfach nach eigenem Gutdünken festsetzen. Hier werden unter Einhaltung von Regeln vernünftige Aufträge vergeben und damit heimische Arbeitsplätze gesichert, und zwar nach Angebot und Nachfrage. In Niedersachsen wird nur das geregelt, was andernfalls zu möglichen Verdrängungen mit negativen Effekten führen könnte, und zwar ohne die soziale Marktwirtschaft zu erdrücken.

Nach Ihren Ausführungen soll der Staat alles regeln. Der Staat hat aber genügend andere Aufgaben. Wozu haben wir denn Arbeitgeberverbände und Gewerkschaften? Es gibt aber kein neues Argument, den ÖPNV und die Dienstleistungen aufzunehmen. Die Situation ist heute noch genauso wie vor zwei Jahren. Das wird von den Unternehmen bestätigt. Um die Unternehmen aber sollte es hier doch wohl gehen. Schließlich schaffen sie die Arbeitsplätze.

Die §§ 3 a bis 3 c sind schlicht unnötig. Sie vergessen bei Ihren Forderungen immer wieder, dass wir eine VOB und eine VOL haben. Jede öffentliche Hand hat sich daran zu halten. Sie sollten sich einmal mit diesen Paragrafen auseinandersetzen!

Dann brauchen Sie sich nicht mehr so viele Gedanken über das Landesvergabegesetz zu machen.

Lassen Sie mich zuletzt noch etwas zu Ihrer Präambel sagen. Wer schon hier mit Ausdrücken wie Lohndumping, Ausbeutung und Umweltfrevel um sich wirft, sollte sich lieber gar nicht zu Wort melden.

(Beifall bei der FDP)

Diese Art der Denunzierung unserer Wirtschaft zeigt, wes Geistes Kind Sie sind.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU - Zurufe von der SPD)