Zweiter Punkt: Studienbeiträge. Ich sage es noch einmal deutlich: Man kann nicht sagen, Studiengebühren seien per se gut. Man kann genauso wenig sagen, Studiengebühren seien per se schlecht. Es kommt darauf an, wie das System ausgehandelt worden ist. Hier in Niedersachsen ist es so: Wenn jemand studieren will und sich an einer Hochschule einschreibt, muss er 500 Euro Studiengebühren pro Semester zahlen. Er bekommt aber völlig unabhängig davon, was die Eltern verdienen, ob sie eine Sicherheit stellen, z. B. ein Haus, für die gesamte Zeit, in der er Studiengebühren zahlt, ein Darlehen von der NBank, das er mit 50 Euro im Monat über viele Jahre zurückzahlt, wenn er nach dem Studium beruflich tätig ist. Das ist also wirklich nicht der Punkt, an dem man sozial ausgrenzt.
Wir haben in Deutschland zu wenig Studierende aus bildungsfernen Schichten. Das war aber bis zum Jahr 2005 auch so, und bis dahin gab es in keinem deutschen Bundesland Studiengebühren! Das ist also nichts Neues, sondern das ist lange Tatbestand. Gerade bei bildungsfernen Schichten hilft der vorhin schon erwähnte Hochschulzugang ohne Abitur, weil in diesen Schichten normalerweise im Elternhaus nicht für die Aufnahme eines Studiums geworben wird, sondern der Wunsch nach einem Studium erst später aufkommt.
Die Familienkomponente im Zusammenhang mit Studiengebühren wurde hier schon erläutert. Dass im SPD-Antrag, den ich vorhin kurz gelesen habe, ein Studienguthaben vorgeschlagen wird, ist schon interessant. Das ist eine alte Idee, über die schon seit vielen Jahren diskutiert wird. Studienguthaben bedeutet - Zöllner-Idee -: Jeder Studierende hat ein Guthaben, und erst wenn das Guthaben aufgebraucht ist, sind Gebühren zu zahlen. Ich finde, das ist ein Schritt in die richtige Richtung vonseiten der SPD.
Den Vorschlag von Bündnis 90/Die Grünen und von anderer Stelle, BAföG-Empfänger von Studienbeiträgen zu befreien, finde ich zutiefst ungerecht und unsozial. Ich habe mich mit Minister Frankenberg aus Baden-Württemberg immer gestritten, weil er derartige Dinge machen wollte. Denn wenn jemand BAföG bekommt, dann erhält er am Anfang des Monats eine bestimmte Summe, ein paar hundert Euro, und die Miete und ist damit in einer viel komfortableren Situation als die jungen Leute, die aufgrund der Finanzsituation ihrer Eltern so gerade am BAföG vorbeischrammen. Jetzt wollen Sie diejenigen, die BAföG bekommen, auch noch von den Studiengebühren befreien, während die anderen die vollen Studiengebühren zahlen. Mit dem Geld, das durch Studiengebühren eingenommen wird, wird das Studium für alle besser. Also bezahlen diejenigen, die kein BAföG bekommen und Studiengebühren zahlen müssen, dann noch für die mit, die praktisch schon durch BAföG sozial berechtigt sind.
Die Mitwirkung der Studierenden bei der Verwendung der Studienbeiträge ist im vorliegenden Gesetz verstärkt worden. Das ist richtig. Es mussten ja auch erst Erfahrungen gesammelt werden. Man
kann messen, wie die Studiengebühren in Niedersachsen bis jetzt verwendet wurden, wie sich zum Beispiel die Betreuungsrelation verbessert hat. Die Studiengebühren sind konkret zur Verbesserung der Qualität der Lehre verwendet worden. Damit gibt es in Niedersachsen kein Billigstudium, sondern ein qualifizierteres Studium mit höherer Qualität der Lehre.
Ein dritter Punkt: Autonomie, Gruppenhochschule. Es ist schon interessant: In Sonntagsreden sind alle für Autonomie. Was heißt Autonomie? - An die Hochschulen müssen natürlich, da sie durch Steuergelder finanziert werden, ganz klare Anforderungen gestellt werden. Aber bei den Regelungen dafür, wie in den einzelnen Hochschulen etwas ausgehandelt wird, bin ich für möglichst viele Freiheitsgrade. Ich bin dafür - das werden wir hier im Landtag noch diskutieren -, wesentlich weiter zu gehen, als wir bisher gegangen sind.
Und die Exzellenzklausel - ja, meine Güte! Ich möchte erreichen, dass alle Hochschulen in ihrer Grundordnung festlegen können, wie sie ihre interne Organisation gestalten wollen, wie groß beispielsweise der Senat sein soll, ob sie ein erweitertes Konzil wollen u. a. Alle diese Dinge gehen uns hier eigentlich nichts an, sondern darüber kann die einzelne Hochschule selbst entscheiden auf dem Boden der gesetzlichen Grundlagen. Hochschulen sind große „Tanker“, die nicht mehr durch ein Ministerium oder durch Ministerialbeamte im Detail zu steuern sind, sondern die Klugheit ist eigentlich bei denen, die die Hochschule vor Ort tragen. Wir müssen auch ein Stück weit Vertrauen in die Hochschule haben und nicht darauf bestehen, alles zu kontrollieren und jeden Punkt zu genehmigen.
Wenn es um die Ausgestaltung geht, nenne ich immer das Oppermann-Gesetz von 2002. Es hatte knapp über 70 Paragrafen. Von diesen Regelungen in über 70 Paragrafen waren sage und schreibe 32 abänderbar durch Verordnungsermächtigung. So viel zu dem jetzigen Aufschrei, wir würden das Parlament ausschalten! Das trifft in keiner Weise zu.
Noch eine letzte Richtigstellung zur Ausschreibung von Professuren: Wettbewerb bei der Besetzung von Professuren ist notwendig. In der Novelle - also nicht in dem bisherigen Gesetz, das jetzt geändert wird - wird in manchen Fällen von der Aus
schreibungspflicht abgewichen, nämlich dann, wenn der Wettbewerb schon vorher stattgefunden hat. Wenn jemand Leiter einer Nachwuchswissenschaftlergruppe wird, die von der DFG mit mehreren Millionen gefördert wird, dann geschieht das nach einer internationalen Auswahl mit Gutachten und Wettbewerb. Wenn jemand auf diesem Weg als der Exzellenteste ausgewählt wurde, dann erübrigt sich ein Scheinverfahren mit weiteren Gutachten zur Eignung für die Professur. Hier geht es wirklich nicht um ein Aushebeln des Wettbewerbs - den will ich auch - um die Professuren. Ich denke, das ist ein vernünftiger Schritt, der in dem Sinne - vielleicht ist das noch nicht überall bekannt - auch vom Wissenschaftsrat in seinen Empfehlungen angeregt wurde, wie man in Deutschland flexibler und besser bei der Besetzung der Professorenstellen vorgehen soll.
Meine Damen und Herren, ich meine, durch diese Novelle wird die Hochschule attraktiver für Studierende, und insgesamt werden unsere Hochschulen zukunftsfähiger.
Ich erteile der SPD-Fraktion nach § 71 Abs. 3 der Geschäftsordnung zusätzliche Redezeit. Drei Minuten, Frau Kollegin Dr. Andretta!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Frau Ministerin, ich finde, diese Geschichtsklitterung kann man hier nicht durchgehen lassen. Wenn CDU und FDP so tun, als ob sie die Offene Hochschule erfunden haben, dann haben sie ein schlechtes Gewissen, weil sie in den letzten Jahren alles getan haben, um sie zu verhindern.
Im NHG der SPD-Regierung hat es nicht die Regelung gegeben, wie sie heute beschlossen werden soll. Das war auch schlechterdings nicht möglich, Frau Wanka, weil die KMK-Beschlüsse jetzt erst gefasst worden sind. Aber das war der Beginn der Öffnung der Hochschulen für Meister, für Techniker, für Betriebswirte, für alle jene, die bis dahin keinen Zugang hatten. Sie auf dieser Seite des Hauses haben das hier immer bekämpft. Das zur Wahrheit!
Sie können es nicht wissen, Frau Ministerin, aber die Kolleginnen und Kollegen auf der rechten Seite des Hauses wissen es: Noch im Herbst haben wir den vierten oder fünften Antrag „Gesellen an die Hochschulen“ hier eingebracht. Wir haben uns für ein Berufsabitur nach dem Schweizer Modell für diejenigen eingesetzt, die eine berufliche Ausbildung, aber kein Abitur haben. Sie haben das abgelehnt. Sie haben entsprechende Anreizsysteme abgelehnt.
Ihre große Sorge, dass diejenigen, die kein Bafög bekommen, die knapp daran vorbeischrammen, keine Befreiung bekommen: Wenn Sie hier Ihr schlechtes Gewissen plagt - was ich ehrenwert finde -, dann schaffen Sie doch die Studiengebühren ab! Dann haben auch die keine zu zahlen.
Ich erteile der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen zusätzliche Redezeit. Zwei Minuten, Frau Dr. Heinen-Kljajić, bitte!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Sehr geehrte Frau Wanka, Ihre Argumentation in Sachen Studiengebühren ist uns hier nicht neu, wir hören sie seit vielen Jahren. Trotzdem trägt sie nicht; denn sie blendet einen großen Teil der Realität aus. Sie sagen: Ohne Studiengebühren - vor ihrer Einführung - habe es keine höhere Studierneigung als heute gegeben. Deshalb sei eine Korrelation zwischen der Einführung der Studiengebühren und der Studierneigung nicht herzustellen.
Frau Ministerin, ich glaube, hierbei lügen Sie sich selbst in die Tasche; denn ich bin mir sicher, dass Sie es besser wissen. Das Problem ist doch: Weil die Kosten des Studiums auch ohne Studienge
bühren schon so hoch waren, hat bereits vor Einführung der Studiengebühren ein Großteil derer, die keine akademischen Eltern hatten, kein Studium aufgenommen.
Jeder Zweite, der vor Einführung der Studiengebühren Abitur machte und keine akademischen Eltern hatte, hat kein Studium aufgenommen - das können Sie in den Sozialerhebungen nachlesen -; denn es gab schlicht und ergreifend die Überlegung: Das rentiert sich nicht. Es ist sinnvoller, direkt in den Beruf zu gehen. Da verdiene ich mehr und habe hinterher keine BAföG-Schulden. - So erfolgreich BAföG auch war, auch das hat es traurigerweise nicht geschafft, diese Verhältnisse wirklich umzukehren.
Jetzt wird an der Stelle argumentiert: Weil das so ist, können wir noch Gebühren drauflegen, das Studium also noch einmal teurer machen. Das hat überhaupt nichts mit Studierneigung zu tun. - Frau Ministerin, damit können Sie niemanden wirklich überzeugen.
Dass die Zahlen im Moment so aussehen, dass die absolute Zahl der Studierenden nicht absinkt, hat schlicht etwas mit der Demografie zu tun: In absoluten Zahlen haben wir derzeit mehr Absolventen.
Auch bezüglich der Inanspruchnahme des Studienbeitragsdarlehens bitte ich Sie, sich die Zahlen anzuschauen. Ich glaube, im Moment haben wir den Spitzenwert einer Inanspruchnahme von 6 % erreicht. Wenn man sich vor Augen hält, dass schon fast jeder dritte Studierende BAföG erhält, kann man sich wohl vorstellen, wie hoch die Hürde ist, dieses Darlehen aufzunehmen. Ob da die Befreiung von Zinsen für kinderreiche Familien wirklich ein Instrument ist, Kinder aus eher bildungsfernen Schichten an eine Hochschule zu locken, darf wohl bezweifelt werden.
Ich erteile der FDP-Fraktion ebenfalls nach § 71 Abs. 3 unserer Geschäftsordnung zwei Minuten zusätzliche Redezeit. Der Kollege Professor Zielke hat jetzt das Wort. Bitte!
Ich möchte nicht über Studienbeiträge reden. Ich möchte erstens betonen, dass ich Frau Ministerin ausgesprochen dankbar bin, dass sie etwas klar
gestellt hat, was bisher nicht ganz so deutlich geworden war: Autonomie der Hochschulen bedeutet, dass die Kompetenz - auch die Entscheidungskompetenz - dorthin gelegt wird, wo die Fachkompetenz liegt. Das heißt, dass die Hochschulen in ihren eigenen Dingen, die genuin sie betreffen, stärker entscheiden können sollen, als das bisher der Fall ist.
Zweitens kann man Ihnen ebenfalls nur beipflichten, Frau Ministerin, dass die Berufung von Professoren viel komplizierter ist, als Herr Perli das dargestellt hat. Für Spitzenprofessuren sind mittlerweile auf internationalen Kongressen hoch bezahlte Headhunter unterwegs. Wenn Sie in diesem internationalen Wettbewerb mithalten wollen, dann müssen Sie schnell handeln. Dann können Sie nicht auf bürokratische, öffentliche Ausschreibungen warten, Rücksicht nehmen