Meine Damen und Herren, wir kommen zunächst zur Einbringung des Antrages unter Tagesordnungspunkt 19. Dazu hat sich der Kollege Wenzel gemeldet. Bitte schön!
Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Wenn man sich die Website des Bundesumweltministeriums ansieht, findet man eine ganze Anzahl von Stellungnahmen zu den Sicherheitsanforderungen für die Endlagerung von hoch radioaktivem Abfall. Die Daten enden allerdings im Juli 2009. Danach findet sich nichts mehr. Eigentlich hätte das Ergebnis der Beratungen im Juli 2009 im Bundesanzeiger veröffentlicht werden müssen. Damit wären die Anforderungen rechtskräftig geworden.
Dagegen haben sich die unionsgeführten Bundesländer ausgesprochen und Mitsprache eingeklagt. Seitdem wird hinter verschlossenen Türen verhandelt. Schauplatz ist der sogenannte Bund-LänderHauptausschuss Atomkernenergie. Dort sind aber noch nicht einmal alle Länder vertreten, sondern offenbar nur Länder mit Atomkraftwerken oder anderen atomaren Anlagen.
Meine Damen und Herren, die radioaktive Strahlung des Atommülls aus dem Betrieb von Atomkraftwerken wird die Lebensdauer aller von Menschen errichteten Bauwerke um ein Vielfaches überdauern. Keine menschliche Generation vor uns war genötigt, eine technische Einrichtung zu
errichten, die 35 000 Generationen Sicherheit gewährleisten kann. Trotz allem heute verfügbaren technischen Wissen und trotz hoch entwickelter Ingenieurleistungen kann heute niemand garantieren, dass eine technische Einrichtung 1 Million Jahre überdauert. Jede Entscheidung zur Lagerung von Atommüll muss daher sicherstellen, dass künftige Generationen Fehler korrigieren können, die wir heute trotz des Standes von Wissenschaft und Technik nicht mit Sicherheit ausschließen können.
Daher, meine Damen und Herren, ist Rückholbarkeit als Grundprinzip der Risikovorsorge in den Sicherheitsanforderungen zu verankern.
Nach den Erfahrungen mit der Asse müssten die Sicherheitsanforderungen meines Erachtens verschärft werden. Die CDU/FDP-Landesregierung und die CDU/FDP-Bundesregierung haben unter Ausschluss der Öffentlichkeit das genaue Gegenteil getan. Sie haben die Sicherheitsanforderungen gesenkt. Auf Anregung der Länder wurde der Risikofaktor in Kapitel 6.2 gestrichen, der besagte, dass das Risiko eines schwerwiegenden Gesundheitsschadens bei maximal 10
-4 liegen darf. Im Kapitel 8.6 wurden Anforderungen an eine befristete Rückholbarkeit von 500 Jahren gestrichen. Die Möglichkeit einer behälterlosen Lagerung wurde vorgesehen. Auch Laugenzuflüsse wurden plötzlich zum Regelfall, nachdem in der Öffentlichkeit immer deutlicher wurde, dass es auch in Gorleben diverse Laugenzuflüsse gibt.
Meine Damen und Herren, die Öffentlichkeit und die Parlamente wurden bei der Diskussion der letzten neun Monate ausgeschlossen, aber die Atomindustrie war beteiligt. Dafür hat der ehemalige Atommanager Gerald Hennenhöfer, der heute als Abteilungsleiter von Herrn Röttgen fungiert, gesorgt. Das ist in meinen Augen ein unglaublicher Skandal.
Die Festlegung der Sicherheitsanforderungen für hoch radioaktiven Atommüll kann nicht durch Verwaltungsbeamte des Landes oder des Bundes erfolgen. Das ist eine hoch politische Angelegenheit. Die Definition dieser Kriterien entscheidet über Eignung oder Nichteignung bestimmter Lagerorte oder bestimmter Lagerverfahren. Es darf auch nicht sein, dass die Sicherheitsanforderun
Meine Damen und Herren, keine parlamentarische Demokratie darf es sich leisten, dass solche Dinge unter Ausschluss der Öffentlichkeit und unter Ausschluss des Parlaments entschieden werden. Da hilft es auch nicht, meine Damen und Herren, Herr Langspecht, Herr Bäumer, wenn die Koalition jetzt etwas nachgeschoben hat und in einem Schreiben an Herrn Bundesumweltminister Röttgen versucht hat, das eine oder andere wieder nachzubessern, um von dem Stand von März 2010 wieder wegzukommen.
Wir stehen bei der Definition der Sicherheitsanforderungen vor einer ähnlichen Herausforderung wie bei der Suche nach einem Endlagerstandort. Die Definition dieser Anforderung kann nur das Ergebnis eines prozeduralen demokratischen Entscheidungsprozesses sein. Wir haben es hier mit einer Anforderung zu tun, die keine Generation vor uns leisten musste.
Sie muss folgenden Anforderungen genügen: Sie muss Sicherheit für 35 000 Generationen gewährleisten. Sie muss eine hohe Fehlertoleranz aufweisen, weil wir wissen, dass menschliches Handeln immer fehlerbehaftet ist. Sie muss Planungssicherheit über viele Legislaturperioden hinweg gewähren. Und sie muss demokratisch legitimiert sein.
Meine Damen und Herren, die von Ihnen vorbereitete Entscheidung in der morgigen Sitzung des Bund-Länder-Ausschusses für Atomkernenergie hätte eine extrem kurze Halbwertszeit. Sie könnte durch ein Gericht gekippt werden. Spätestens mit einer neuen Mehrheit im Bundestag wäre sie Geschichte. Von daher fordere ich Sie heute auf, diese morgige Entscheidung auszusetzen und hierzu keine Entscheidung ohne das Parlament zu treffen.
Würden Sie es dennoch tun, müssten Sie am Ende doch wieder von vorn anfangen. Das wäre eine Form von Politik, die im Umgang mit Atomenergie an Verantwortungslosigkeit nicht zu überbieten ist. Deshalb fordern wir die Vertagung der für morgen geplanten Entscheidung.
Die Entwürfe der Sicherheitsanforderungen für die Endlagerung hoch radioaktiver Abfälle, die derzeit beraten werden, sind dem Landtag zur Beschlussfassung vorzulegen. Wir wollen zudem feststellen, dass eine Senkung der Sicherheitsanforderungen für die Endlagerung von Atommüll, wie sie in dem Entwurf von März 2010 - den können wir Ihnen gern schriftlich zur Verfügung stellen - zum Ausdruck kommt, völlig unverantwortlich ist. Das Gegenteil ist notwendig! Wir wollen eine Verankerung der dauerhaften Kontrolle und Rückholbarkeit von Atommüll, um den Erfahrungen mit dem Versuchs- und Forschungsendlager Asse II gerecht zu werden. Die behälterlose Bohrlochendlagerung ist abzulehnen, da sie jegliche Rückholbarkeit verhindert.
Bezeichnend ist auch, dass das Bundesumweltministerium behauptet, dass alle Forschungsfragen zur Eignung von Salz beantwortet sind. Das steht aber im krassen Widerspruch beispielsweise zu den Aussagen einer Reihe von Zeugen, die im Untersuchungsausschuss Asse auf Forschungslücken hingewiesen haben und die nicht unbedingt in dem Geruch stehen, den Atomkraftgegnern nahe zu stehen; ich erinnere an Herrn zur Horst, Herrn Brewitz und Herrn Besenecker.
Offen ist, wie mit dem Abbruch von Forschungsvorhaben verfahren wurde, die noch bis Anfang der 90er-Jahre von den Genehmigungsbehörden, dem BMU, dem BMFT und der Reaktorsicherheitskommission für unverzichtbar erklärt wurden. Die Asse sollte Sicherheit für alle Zeiten gewähren. Wir alle hier wissen: Damit war es nach zehn Jahren vorbei.
Meine Damen und Herren, wir beraten außerdem den Antrag zur Stilllegung von Krümmel. Wir haben bereits zweimal hier im Plenum darüber diskutiert. Er wurde in den Ausschuss zurücküberwiesen. Dort haben wir auf der Basis des Beitrags von Herrn Heiner Schönecke, CDU, erneut über einen Beschlusstext verhandelt. Leider konnte sich die Mehrheit im Ausschuss nicht mit dem Vorschlag von Herrn Schönecke anfreunden. Wir haben daher den Beschlusstext aus dem Landkreis Harburg, auf den Herr Schönecke Bezug nahm und der im Kreistag von Harburg einstimmig - bei einer Enthaltung - verabschiedet wurde, hier zur Beschlussfassung vorgelegt. Ich bitte dringend darum, dass wir auf dieser Grundlage zu einer Ent
Vielen Dank, Herr Präsident. - Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen! Ich komme gleich zum Problem des Reaktors Krümmel, das Sie ja in eine sehr weichgespülte und leicht bittstellende Variante eines Antrages verpackt haben. Wir sind aber keine Bittsteller und machen Ihnen deshalb gemeinsam mit Grünen und Linken das Angebot, die Resolution des Kreistages Harburg und der Stadt Winsen hier in einem Antrag 1 : 1 zu übernehmen.
Wir machen dieses Angebot auch, um Ihnen von CDU und FDP die Möglichkeit zu geben, sich mit den in der Region lebenden Abgeordneten Ihrer Parteien solidarisch zu erklären; denn es kann ja wohl nicht falsch sein, was der stellvertretende Landrat Böhlke und der stellvertretende Landrat Schönecke sowie der stellvertretende Bürgermeister Wiese beschlossen haben. Es kann nicht so falsch sein, dass Sie sich deren Meinung keinesfalls anschließen könnten.
In diesem Antrag - er ist wirklich harmlos, vollkommen harmlos; Frau Körtner, auch Sie können zustimmen - geht es nur um die Zuverlässigkeit des Betreibers, die in den Räten - auch von den Mitgliedern der CDU - einstimmig angezweifelt wird. Insofern müssen wir heute auch nicht über den Reaktor selbst reden, der in den vergangenen 10 Jahren 82 meldepflichtige Ereignisse provoziert hat. Wir brauchen auch nicht darüber zu reden, dass dieser Reaktor möglicherweise für schwerwiegende Erkrankungen in der Region verantwortlich sein kann. Wir brauchen auch nicht darüber zu reden - weil es Ihnen ohnehin nicht gefällt, solche
schwierigen Themen anzufassen -, dass im Reaktorkern Metallspäne sein werden, die die Hüllrohre der Brennelemente beschädigen könnten. Beschädigte Brennelementhüllrohre können dazu führen, dass Plutonium austritt. Mit all diesen schwierigen Sicherheitsfragen wollen wir Sie heute gar nicht behelligen.
Stimmen Sie dem Antrag, der Ihnen vorliegt, zu! Geben Sie Ihren Mitgliedern in den Räten in der Region um Krümmel das Gefühl, dass sie bei Ihnen richtig aufgehoben sind!
Liebe Kolleginnen und Kollegen von CDU und FDP, heute verlangen wir ebenfalls, dass Sie Ihre Verantwortung ernst nehmen und sich gemeinsam mit uns dafür einsetzen, dass vor der Verabschiedung von Sicherheitskriterien für Endlager der Landtag von Niedersachsen beteiligt wird. Wir erwarten von Ihnen, dass Sie bei diesem Thema die Augen endlich aufmachen. Lassen Sie keinesfalls zu, dass morgen irgendwelche Beschlüsse zum Nachteil Niedersachsens gefasst werden dürfen! Denn, Kolleginnen und Kollegen, es kann doch nicht sein, dass wir gestern länger als eine halbe Stunde lang über eine zeitgemäße Anpassung der Störfallverordnung ausgiebig mit Herrn Busemann diskutieren, aber dann, wenn es um das noch viel schwierigere Thema der Endlagerung und der Sicherheit geht, ausschließlich Beamte des Bundes und der Länder in irgendeinem Hinterzimmer Standards festlegen können. Das darf nicht sein!
Kolleginnen und Kollegen, man hat ja manchmal den Eindruck, dass inzwischen an den Betrieb einer Pommesbude schärfere Maßstäbe angelegt werden als an ein Endlager.
(Karl-Heinrich Langspecht [CDU]: Die Leier kennen wir schon! - Heinz Rol- fes [CDU]: Das ist nur noch peinlich!)
Wir erwarten, dass Sie endlich den 2008 aufgestellten Kriterien für Endlager zustimmen, die Sie bisher blockiert haben. Wir fordern, dass ein Endlager mindestens 500 Jahre lang offen gehalten wird und nicht, wie es Ihr Minister Sander anders
behauptet hat. Wir fordern, dass Laugenzutritte ausgeschlossen werden müssen. Wir erwarten, dass die behälterlose Endlagerung entschieden abgelehnt wird. Wir fordern zudem, die Rückholbarkeit der Abfälle sicherzustellen.
Kurzum: Wir erwarten, dass Endlagerstandards offen diskutiert werden und hier in diesem Landtag darüber abgestimmt werden kann.
Werte Kolleginnen und Kollegen, seit vielen Jahren versuchen Sie, uns hinters Licht zu führen. Damit muss endgültig Schluss sein! Denn wenn Sie nichts zu verbergen haben, gibt es keinen Grund, freiwillig auf Länderrechte zu verzichten.
Bundesumweltminister Gabriel hat Ihnen 2008 Standards vorgegeben, die die sichere Lagerung wärmeentwickelnder hoch radioaktiver Abfälle ermöglichen sollten. Wie man aus dem BMU hört, waren es gerade die Beteiligten aus Niedersachsen, die sich für die Abschwächung dieser Kriterien stark gemacht haben. Nun waren es dieselben Personen, die nochmals versuchten, diese Kriterien zu verwässern.
Hätte das Fernsehmagazin „Kontraste“ den Skandal nicht aufgedeckt, hätten Sie es uns nicht gesagt. Sie hätten uns nicht gesagt, dass Sie ein Endlager so planen wollen, dass eine Rückholung von Abfällen gar nicht vorgesehen ist. Sie hätten uns dreist verschwiegen, dass man weiter an der behälterlosen direkten Einlagerung verglaster Abfälle festhält. Und Sie hätten uns verschwiegen, dass Sie ein Endlager nur für die Dauer der Einlagerung offenhalten wollen.