Protokoll der Sitzung vom 09.06.2010

(Lebhafter Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Wenn Sie schon über die Hinterlassenschaften von Ministerpräsident Christian Wulff in Niedersachsen sprechen, dann sollten Sie vielleicht einmal versuchen, eine etwas objektivierende Brille aufzusetzen und nicht sozusagen in Ihrem parteipolitischen Klein-Klein zu verharren. Sie haben dazu von Herrn Rickert schon etwas gehört.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Niedersachsen ist nämlich unter der Regentschaft von Ministerpräsident Christian Wulff - - -

(Wolfgang Jüttner [SPD]: Regent- schaft?)

- Sie können auch Präsidentschaft sagen, wie Sie wollen. Christian Wulff ist der regierende Ministerpräsident. Das mögen Sie vielleicht nicht wollen, aber das ist tatsächlich so.

(Ursula Helmhold [GRÜNE]: Wann ist er denn gekrönt worden? Christian I.!)

- Hören Sie einmal zu! - Unter Ministerpräsident Christian Wulff ist Niedersachsen im Vergleich der Bundesländer zu einem erfolgreichen Land geworden - und das nach Jahren der Stagnation unter Ihrer Verantwortung.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Niedersachsen ist wieder wer. Niedersachsen spielt in der Champions League im Konzert der deutschen Länder an führender Stelle mit. Niedersachsen liegt eben nicht nur hoch im Norden, sondern Niedersachsen liegt auch hoch im Kurs. Das ist vor allen Dingen auf Ministerpräsident Christian Wulff und seine Regierung zurückzuführen, die hier sieben Jahre erfolgreich gearbeitet haben.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Die Regierung hat nicht nur erfolgreich gearbeitet, sondern sie tut das immer noch. Ich sage das, weil hier gerade der unterschwellige Vorwurf zu hören

war: Sie regieren hier nicht mehr. - In diesem Zusammenhang erinnere ich Sie an die Zeit, als Gerhard Schröder Bundeskanzler werden wollte. Ich könnte Ihnen jetzt viele Artikel dazu vorlesen, die ich alle dabeihabe. Ich will Ihnen das aber ersparen, weil das Kriegsgeschichte von gestern betreffen würde. Sie sollten sich in dieser Frage aber durchaus an Ihre eigene Vergangenheit erinnern.

Herr Kollege, gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Nein. - Es kommt die Eigenschaft von Christian Wulff dazu, dass er den Mut hat, Unpopuläres zu wagen, anzusprechen und durchzusetzen. Zu seiner Hinterlassenschaft gehört auch die Erkenntnis, dass man, wenn man Politik richtig kommunizieren kann, die Menschen auf diesem Weg auch mitnehmen kann. Ich denke, dass das eine der größten Herausforderungen der letzten Jahre war.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Es hat sich gezeigt, dass unser Land reformierbar ist, wenn man den richtigen Ton anschlägt, dass Reformen machbar sind, wenn man sie wirklich umsetzt und auch mit den Menschen darüber spricht. Klaus Rickert hat gerade darauf verzichtet, die Bilanz in Gänze vorzutragen.

(Stefan Wenzel [GRÜNE]: Meinen Sie damit die Aufkündigung des Atom- konsenses? - Glocke des Präsiden- ten)

Auch ich verzichte darauf, das in Gänze vorzutragen. Aber auf einiges will ich gleichwohl hinweisen: Uns ist es gelungen, die Nettokreditaufnahme von 3 Milliarden Euro bis auf den fast erreichten Haushaltsausgleich abzusenken - Sie kennen die Hintergründe -, die Arbeitslosenquote, bei der wir Anfang 2003 im Ländervergleich noch auf Platz 9 lagen, zurückzuführen, sodass wir stabil auf Platz 5 liegen,

(Dr. Manfred Sohn [LINKE]: Ist sie ge- stiegen oder gesunken?)

mit der Verwaltungsreform die Anzahl der Gesetze zu halbieren und damit deutlich zu machen, dass auch Verwaltung reformierbar ist, die Bildungsausgaben sehr deutlich zu steigern und über eine Milliarde Euro mehr in den Bildungsetat einzustellen und

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

die Ganztagsschulen von 155 zu Ihrer Regierungszeit auf jetzt 1 000 Ganztagsschulen in der nächsten Schulzeit auszubauen. Ich nenne auch die Themen Integration, Sicherheit, VW als Erfolgsgeschichte für das Land Niedersachsen

(Beifall bei der CDU und bei der FDP - Glocke des Präsidenten)

und nicht zuletzt auch Themen, die sehr viel Fingerspitzengefühl im Zusammenwirken mit den Gewerkschaftsvertretern erfordert haben. Ich erinnere hier an die Umwandlung der Airbus-Standorte in Premium-AEROTEC-Standorte. Ein Glanzstück der Politik und ein Lehrstück, wie man das vernünftig gestaltet! Aber das alles ist nicht Ihr Verdienst, sondern das Verdienst von Christian Wulff und seiner Mannschaft!

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Herr Kollege, Sie müssen zum Schluss kommen.

Ich denke, dass wir alle uns freuen sollten, wenn ein Niedersachse am 30. Juni Bundespräsident der Bundesrepublik Deutschland wird, und ihm, aber auch dem Amt mit dem nötigen Respekt gegenübertreten sollten.

Vielen Dank.

(Starker, nicht enden wollender Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Meine Damen und Herren, für die SPD-Fraktion erteile ich nun Herrn Kollegen Jüttner das Wort. Bitte!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Wulff hinterlässt verdammt viele Baustellen. Darauf ist hier hingewiesen worden, und ich muss das nicht wiederholen. Aber ich erinnere Sie an die Regierungserklärung hier im Hause am 28. April, als Herr Wulff unter dem Titel „Niedersachsen 2020“ den Eindruck erweckt hat, als ginge es ihm irgendwo um das Land. Eine Regierungserklärung mit derartig vielen Banalitäten haben wir hier selten erlebt.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Da war schon deutlich, dass Herr Wulff mit den Belangen des Landes Niedersachsen abgeschlossen hat. Herr Wulff, in der Tat haben Sie mit Ihrer Entscheidung in der letzten Woche mit den Belangen des Landes Niedersachsen abgeschlossen und Ihr Ausstiegsszenario vollendet. So oder so, Herr Wulff, aus Niedersachsen sind Sie weg! Das müsste Ihnen doch wohl klar sein.

(Lebhafter Beifall bei der SPD, bei den GRÜNEN und bei der LINKEN)

Herr McAllister, Sie sollten Ihrem Vorgänger im Amte ruhig schon einmal sagen, dass Sie für den 30. Juni, wenn wir in Berlin sind, bereits den Schlüsseldienst bestellt haben. Davon gehe ich doch aus. Oder nicht? - Doch!

Meine Damen und Herren, eines ist doch klar: Ein Ministerpräsident, der darauf gedrängt hat, dass die Haushaltsklausur verschoben wird,

(Hans-Christian Biallas [CDU]: Das hat er doch gar nicht! Das ist doch Unsinn!)

macht deutlich, dass er mit den Banalitäten dieses Landes, nämlich einer dramatischen Finanzkrise, der Bildungskatastrophe und dem Atomklo Niedersachsen, nicht mehr in Berührung kommen will.

(Lebhafter Beifall bei der SPD, bei den GRÜNEN und bei der LINKEN)

Herr Wulff, Sie möchten in Zukunft ein Amt ausfüllen, in dem das Wort Verantwortungsethik einen großen Stellenwert hat. Welchen Beitrag haben Sie in der letzten Woche gemeinsam mit Ihrer Parteivorsitzenden zum Thema Verantwortungsethik abgeliefert?

Herr Köhler ist zurückgetreten. Dafür gab es gute Gründe. Trotzdem hat es uns alle überrascht. Er ist vor allem deshalb zurückgetreten, weil er deutlich dokumentieren wollte, dass er zwar eine große Zustimmung in der Bevölkerung hat, dass er aber in der Berliner Käseglocke keinerlei Resonanz findet. Sein Rücktritt ist ein dramatischer Hinweis an die politische Elite und die Medienelite in Berlin.

Meine Damen und Herren, das kann man richtig finden oder auch nicht. Aber sofort danach so zu tun, als sei nichts gewesen und als ginge es business as usual weiter - was ist das für ein Signal gegenüber der Bevölkerung, die sich mit diesem Rücktritt schwertut! Hier wäre es doch notwendig gewesen, innezuhalten und nicht nur nach wenigen Stunden festzustellen: Wir haben eine Mehrheit in der Bundesversammlung, wir brauchen

keinen Kandidaten, der Deutschland nützt, sondern nehmen einen Kandidaten, der uns aus parteiinternen Gründen in den Kram passt.

(Starker Beifall bei der SPD, bei den GRÜNEN und bei der LINKEN)

Wie man sich das zentrale Amt in Deutschland, das Amt des Bundespräsidenten, so zur Parteienbeute macht, das ist das Hauptproblem der letzten Woche. Das werden Frau Merkel und Sie übrigens auch nicht los, das muss Ihnen an dieser Stelle klar sein. Da ist es nach dem Prinzip gegangen: Wer hilft uns, wen wollen wir wegbeißen, was macht uns die wenigsten Folgeprobleme?

Ich sage Ihnen eines: Die Zustimmung in der Bevölkerung für Herrn Gauck hat sehr viel mit dessen Persönlichkeit zu tun. Die Zustimmung hat aber auch sehr viel mit dieser jämmerlichen Art und Weise der Kandidatenfindung in der letzten Woche zu tun.

(Starker Beifall bei der SPD, bei den GRÜNEN und bei der LINKEN)

In der griechischen Philosophie gibt es das schöne Wort der Katharsis. Das heißt Reinigung. Da wird auf offener Bühne eine äußerst komplizierte Situation aufgelöst. Das tut den Hauptbetroffenen übrigens auch kräftig weh. Ich kann der deutschen Demokratie nur wünschen, dass die Katharsis am 30. Juni vollzogen wird, indem die Bundesversammlung Herrn Gauck zum Bundespräsidenten wählt.

Herzlichen Dank.

(Starker, nicht enden wollender Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN - Karl-Heinz Klare [CDU]: Jüttners Ab- schiedsrede!)