Protokoll der Sitzung vom 10.06.2010

fachlichen Niveau scheint mir dort gar nicht so dumm zu sein.

(Beifall bei der CDU)

Herzlichen Dank. - Weitere Wortmeldungen zu dieser Frage liegen mir nicht vor.

Es ist 16.20 Uhr. Ich stelle fest, dass die Fragestunde für diesen Tagungsabschnitt zu Ende ist. Sie kennen das Prozedere: Die Antworten der Landesregierung zu den Anfragen, die jetzt nicht mehr aufgerufen werden konnten, werden wie immer nach § 47 Abs. 6 unserer Geschäftsordnung zu Protokoll gegeben.

Ich rufe nun jetzt den Tagesordnungspunkt 32 auf:

Einzige (abschließende) Beratung: Kinderlärm ist Zukunftsmusik - Antrag der Fraktion der SPD - Drs. 16/1866 - Beschlussempfehlung des Ausschusses für Soziales, Frauen, Familie und Gesundheit - Drs. 16/2490

Die Beschlussempfehlung des Ausschusses lautet auf Annahme in geänderter Fassung.

Eine Berichterstattung ist nicht vorgesehen, sodass wir gleich zur Beratung kommen können.

(Unruhe)

Für die SPD-Fraktion hat sich Herr Kollege Brunotte zu Wort gemeldet, dem ich das Wort erteile, sobald es hier etwas ruhiger geworden ist. - Noch nicht! - Herr Brunotte, jetzt haben Sie das Wort!

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Kinderlärm ist Zukunftsmusik!

(Beifall bei der SPD)

Das ist eigentlich eine Selbstverständlichkeit, doch leider nur eigentlich. Immer wieder erleben wir in den letzten Monaten Klagen von Anwohnerinnen und Anwohnern gegen Kinderspielplätze, Krippen oder Kindergärten in Wohngebieten. Gerade haben wir ein Gespräch mit den Mehrgenerationenhäusern in Niedersachsen geführt. Selbst die Mehrgenerationenhäuser berichteten davon, dass es Klagen gab, um Mehrgenerationenhäuser zu verhindern. Anwohner suchen einen rechtlichen Weg, um sich ihr vermeintliches Recht auf Ruhe

vor Kindern und Jugendlichen vor Gericht zu erstreiten.

Kinder und Jugendliche gehören in die Mitte der Gesellschaft. So verwundert es nicht, dass die UNKinderrechtskonvention genau dies in Artikel 31 verankert und das Recht auf Spiel und altersgemäße Erholung definiert. Dieses Recht gehört in unsere Städte und Dörfer.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Mit dem vorliegenden Antrag möchten wir unsere Position zum Thema deutlich machen.

Zuerst zum Begriff „Kinderlärm“: Eine entrückte Gesellschaft muss das sein, die in Teilen mittlerweile so entfremdet von Kindern und Jugendlichen ist, dass sie den Begriff „Kinderlärm“ als Definition benutzt und prägt. Scheinbar ist das auch eine Form von Kommunikationsautismus.

„Kinderlärm ist Ausdruck von Lebensfreude, die sich artikulieren muss. Es ist das Schönste und Normalste, was es gibt. Kinder haben ein Recht auf freie Entwicklung und Spielen“.

Das hat der Vorsitzende der Kinderkommission des Deutschen Bundestages, Eckhard Pols, definiert.

Das Deutsche Kinderhilfswerk mahnt die Bundesländer, in ihrer eigenen Zuständigkeit mehr für die Rechte von Kindern zu tun. So sei eine Aufnahme von Kinderrechten in Grundgesetze und Verfassungen sinnvoll, um den durch spielende Kinder und Jugendliche erzeugten Lärm grundsätzlich zu privilegieren.

(Unruhe)

Herr Brunotte, ich möchte Sie unterbrechen. - Danke schön, jetzt können Sie fortfahren.

(Ronald Schminke [SPD]: Das ist Er- wachsenenlärm!)

Jetzt zur Bundesratsinitiative. Das Land RheinlandPfalz hat eine Bundesratsinitiative zum Thema „Kinderlärm: Kein Grund zur Klage“ eingebracht. Diese wurde am 5. März 2010 vom Bundesrat mehrheitlich beschlossen. Mit dieser Entschließung wird eine gesetzliche Grundlage gefordert, die Kinderlärm als sozialadäquates Geräusch defi

niert. Kinderlärm gehört zum menschlichen Zusammenleben dazu. So sollen Kindergärten in reinen Wohngebieten im Regelfall zulässig sein und Abwehransprüche auf Einzelfälle beschränkt bleiben.

(Zustimmung von Helge Limburg [GRÜNE])

Wir fordern, dass das Land Niedersachsen diese Bundesratsinitiative unterstützt und aufgreift. Niedersachsen braucht hier landeseigene Regelungen. Ein Ort dafür könnte z. B. die Niedersächsische Bauordnung sein.

(Beifall bei der SPD und Zustimmung bei den GRÜNEN)

Bei aller Selbstverständlichkeit, die wir bei diesem Thema für uns im Niedersächsischen Landtag feststellen, kann es auch anders sein. Im Mai 2010 erklärte Leonhard Kuckart, Vorsitzender der Senioren-Union Nordrhein-Westfalen:

„Auch Kinderlärm macht krank. Es darf nicht sein, dass der Wert eines Kindes höher angesetzt wird als der eines alten Menschen.“

Meine sehr geehrten Damen und Herren, wir wollen kein Gegeneinander der Generationen. Senioren gehören genauso in unsere Städte und Dörfer in Niedersachsen wie Kinder. Nur wenn alle miteinander leben, erhalten wir attraktive Wohngebiete. Nur so können wir den demografischen Wandel in positive Bahnen lenken.

Hier ist Berlin Vorreiter. Als erstes Bundesland hat Berlin dem Lärm von Kindern per Gesetz ausdrücklich Schutz eingeräumt. Von Kindern verursachte Geräusche seien „künftig auch juristisch als sozial adäquat und damit zumutbar zu beurteilen“, teilte der Umweltsenat mit. Eine entsprechende Änderung des Landes-Immissionsschutzgesetzes trat in Kraft. Davon profitieren Kindertagesstätten und Freizeiteinrichtungen für Kinder und Jugendliche. Die zuständige Senatorin, Katrin Lompscher - eine Linke -, erklärte:

„Kinder, die in einem städtischen Umfeld gesund aufwachsen, können das nicht geräuschlos. Kinderlärm - ob auf Spielplätzen, in der Wohnung oder Kita - gehört zur kindlichen Entfaltung und Entwicklung dazu.“

Dem können wir nur zustimmen.

(Beifall bei der SPD, bei den GRÜ- NEN und bei der LINKEN)

Sehr geehrte Frau Özkan, zeigen Sie mit der Novelle der Niedersächsischen Bauordnung, dass Kinder in Niedersachsen willkommen sind! Wir sind sehr gespannt auf Ihren Entwurf, auf den wir mittlerweile seit fast drei Jahren warten müssen. Wir hoffen, dass auch der Bereich „Kinder und Jugendliche“ in ihm Berücksichtigung finden wird, angelehnt an das, was die Berliner beschlossen haben.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, zusammen mit CDU und FDP konnten wir eine gemeinsame Beschlussempfehlung erarbeiten. Darüber freuen wir uns. In den nächsten Wochen wird sich zeigen müssen, wie und vor allem wie schnell die Niedersächsische Landesregierung den Beschluss umsetzen kann. Wir lassen uns hier sehr gerne positiv überraschen. Zusammen wollen wir ein familien- und kinderfreundliches Niedersachsen schaffen. Wir freuen uns über eine breite Zustimmung.

Vielen Dank.

(Lebhafter Beifall bei der SPD sowie Zustimmung bei den GRÜNEN und bei der LINKEN)

Herzlichen Dank, Herr Kollege Brunotte. - Nun haben Sie, Frau Kollegin Mundlos, für die CDUFraktion zum selben Tagesordnungspunkt das Wort.

(Ronald Schminke [SPD]: Warum noch? Wir sind uns doch einig!)

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Kinder sind unsere Zukunft. Wer wollte das bestreiten?

Kinder genießen einen besonderen Schutz. Wir haben die Verfassung geändert und in ihr den Kinderschutz ausdrücklich verankert. Dass Kinder Platz zum Lernen und Sich-Entwickeln benötigen und dabei nicht leise in irgendeiner Ecke sitzen können und dürfen, weiß jeder, der sich noch daran erinnern kann, selber einmal Kind gewesen zu sein.

(Vizepräsident Hans Werner Schwarz übernimmt den Vorsitz)

Da wirkt es schon eigenartig, wenn man feststellt, dass es immer häufiger Gerichtsurteile gibt, die

veranlassen, dass Kinder hinter Lärmschutzwällen versteckt werden müssen, dass Kitas umziehen müssen oder gar nicht eingerichtet werden dürfen. Beispiele gibt es leider viel zu viele. Ich nenne nur zwei:

Für den beantragten und genehmigten Bau einer Kindertagesstätteneinrichtung für die Kita „SterniPark“ in Hamburg-Othmarschen ordnet das Verwaltungsgericht den Bau 56 m langer und 3 m hoher Lärmschutzwälle an. Das Oberwaltungsgericht bestätigt diese Entscheidung. Die Begründung ist haarsträubend: Die Baugenehmigung für die Kita habe die Rechte der Nachbarn verletzt.

Nun könnte man meinen: Das ist Hamburg, das sind die großen Städte. - Aber leider gibt es so etwas auch in Niedersachsen:

Westerstede möchte auf einem städtischen Grundstück neben einem Sportzentrum die Kindertagesstätte „Jahnallee“ errichten. Die Inbetriebnahme war für den 1. September 2010 geplant. Dann kam es zu Klagen, dann kam es zu Beschwerden. Inzwischen ist nicht mehr abzusehen, wann und ob überhaupt es eine Genehmigung dafür geben wird. Die Sache liegt jetzt beim Oberverwaltungsgericht Lüneburg.

Da entstehen Kosten für die Stadt. Aber viel gravierender sind die Auswirkungen auf die Eltern und Kinder, die auf Betreuung angewiesen sind, und auch die Wirkung auf unsere Gesellschaft insgesamt. Solche Fälle gibt es leider viel zu viele.