Protokoll der Sitzung vom 01.07.2010

Entschuldigung, Frau Präsidentin. - Sehr geehrter Herr Ministerpräsident!

(Lachen bei der SPD)

Ich will es aber trotzdem auch mit dem „Sie“ ganz persönlich sagen: Wir haben mit Ihnen seit vielen Jahren, seit 2003, in der schwarz-gelben Landesregierung erfolgreich zusammengearbeitet. Ich darf hinzufügen: Das hat im wahrsten Sinne des Wortes Freude gemacht, meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Uns eint vor allen Dingen eines: Es ist der gemeinsame Wille, Politik in Niedersachsen zu gestalten. Das werden wir bis 2013 und weit darüber hinaus auch tun, meine sehr verehrten Damen und Herren.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU - Johanne Modder [SPD]: Eben nicht!)

Sehr geehrter Herr Kollege Schostok! Sehr geehrter Herr Kollege Wenzel! Der Herr Ministerpräsident hat gesagt, dass es ihm ausdrücklich auch um einen Wettbewerb der Ideen geht. Ich hätte mir gewünscht, dass in den Aussprachen von Grünen und SPD zur Regierungserklärung des Ministerpräsidenten heute etwas von diesem Wettbewerb der Ideen zu spüren gewesen wäre, meine sehr verehrten Damen und Herren.

(Beifall bei der FDP - Olaf Lies [SPD]: Dann hättet ihr mal damit anfangen müssen! - Unruhe - Glocke des Präsi- denten)

Die Sozialdemokraten in Niedersachsen haben trotz der Wechsel an der Fraktionsspitze und im Landesvorsitz nach wie vor keine Zukunftskonzepte für dieses Land.

(Lachen bei der SPD - Johanne Mod- der [SPD]: Oh nein, Herr Dürr!)

Ich will auf die Vorschläge von Herrn Schostok eingehen. Herr Schostok, es mag ja die - ich hätte fast gesagt - Gnade der späten Geburt sein; Sie sind ja erst seit dieser Wahlperiode im Niedersächsischen Landtag. Sie haben vom Konnexitätsprinzip gesprochen. Ich will Sie nur daran erinnern, dass CDU und FDP in der vergangenen Wahlperiode genau dieses Konnexitätsprinzip in die Landesverfassung geschrieben haben, und erst, nachdem wir Ihre Fraktion ein Dreivierteljahr durch das Parlament getrieben haben, meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU - Ursula Helmhold [GRÜNE]: Wie war das denn? War das denn einstimmig, Herr Dürr?)

Herr Kollege Schostok, Sie haben dann weiter von der Vermögensteuer und der Erhöhung des Spitzensteuersatzes und von der Regulierung der Finanzmärkte gesprochen.

(Johanne Modder [SPD]: Als FDP wä- re ich jetzt ganz vorsichtig!)

Ich will nur an eines erinnern:

(Olaf Lies [SPD]: Ja, an Guido Wes- terwelle!)

Es hat vor einiger Zeit, von 1998 bis 2005, einen niedersächsischen Bundeskanzler in einer rotgrünen Koalition gegeben.

(Dieter Möhrmann [SPD]: Das waren gute Zeiten! - Gegenruf von Reinhold Hilbers [CDU]: Nein, das waren sie nicht!)

In dieser rot-grünen Zeit ist der Spitzensteuersatz gesenkt worden, sind die Finanzmärkte massiv dereguliert worden, ist die Steuer auf Veräußerungsgewinne für große Unternehmen auf null gesetzt worden und ist die Rente mit 67, mit der Sie bis heute keinen Frieden gemacht haben, eingeführt worden. - Meine sehr verehrten Damen und Herren, meine lieben Kolleginnen und Kollegen, wer so geschichtsvergessen ist, der sollte sich hier ein bisschen ruhiger verhalten!

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Sehr geehrter Herr Kollege Wenzel, ich will auch auf Ihren Beitrag zum Wettbewerb der Ideen eingehen. Sie haben vor Kurzem ein Haushaltspapier, einen Vorschlag für den niedersächsischen Landeshaushalt vorgestellt. Beispielsweise wollen Sie 100 Stellen im Verfassungsschutz streichen. Vor dem Hintergrund der Angriffe auf eine jüdische Tanzgruppe und des Kaufs einer Gaststätte bei Stade durch die NPD halte ich es ausdrücklich für einen Fehler, darüber nachzudenken.

Wenn ich es richtig nachgelesen habe, wollen Sie die Grundsteuer erhöhen, was nur dazu führen würde, dass die Mieten in Niedersachsen und in Deutschland stiegen, was am Ende die kleinen und mittleren Einkommen belastete.

(Ursula Helmhold [GRÜNE]: Nein, die kleinen Mieten steigen auch nur klit- zeklein!)

Meine lieben Kolleginnen und Kollegen, auch an Ihrem Beispiel zur Haushaltskonsolidierung wird deutlich, dass das, was Sie auf der einen Seite sagen, nämlich soziale Gerechtigkeit in Deutschland zu pflegen, und das, was Sie auf der anderen Seite vorschlagen, nichts miteinander zu tun hat.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Deswegen ist es wichtig und richtig, dass SchwarzGelb Niedersachsen geradlinig und erfolgreich durch die vergangene Wirtschafts- und Finanzkrise geführt hat. Bei allen wichtigen Indikatoren steht Niedersachsen durch schwarz-gelbe Politik besser da als vorher. Wir haben ein Plus bei den Umsätzen der Unternehmen zu verzeichnen, es gibt ein Plus bei den Auftragseingängen, wir haben ein Plus bei den Gewerbeanmeldungen, bei den Bruttoverdiensten und bei den Arbeitsplätzen zu verzeichnen. Meine sehr verehrten Damen und Herren, unter Schwarz-Gelb gibt es in Niedersachsen die niedrigste Arbeitslosigkeit seit 1992, seit 18 Jahren. Das ist ausdrücklich ein Erfolg dieser Regierung.

(Starker Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Die Frage ist ja, was uns an dieser Stelle trägt. Was ist der Überbau dieser Landesregierung? Was hat uns in Niedersachsen erfolgreich gemacht? Was wird uns in Niedersachsen in den kommenden Jahren noch erfolgreicher machen? Unsere Antwort lautet: So viel wie möglich vor Ort und nur so viel wie nötig zentral. Das ist die Maßgabe dieser Landesregierung und dieser Regierungsfraktionen, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Schwarz-Gelb will, dass die richtigen Entscheidungen an der richtigen Stelle gefällt werden. Eine erfolgreiche schwarz-gelbe Politik der Bürgernähe wollen wir fortführen und ausbauen. Wir glauben weiterhin, dass die Menschen vor Ort besser wissen, wie ihre Zukunft besser gemacht werden kann. Wir glauben, dass es am Ende auch gerechter ist, die Entscheidungen, wo immer es möglich ist, von den Betroffenen vor Ort selbst fällen zu lassen. Unser Ziel ist es, den aktiven Bürger in den Mittelpunkt zu stellen. Es geht um Solidarität, es geht um Teilhabe und es geht am Ende auch konkret um Verantwortung. Im Kern geht es uns um Freiheit, aber nicht um Freiheit von Verantwortung, sondern um Freiheit zur Verantwortung. Es geht um eine Ethik der Verantwortung hier bei uns in Niedersachsen, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Wir wollen eben keine Gleichmacherei, sondern wir erkennen die Einzigartigkeit eines jeden Einzelnen an. Das spiegelt eben unsere Politik wieder.

Das gilt ausdrücklich für den ersten Bereich, über den ich sprechen möchte, nämlich für die Bildungspolitik. Hier wird das erfolgreiche Prinzip des Handelns und der Verantwortung vor Ort besonders deutlich.

CDU und FDP haben seit 2003 trotz und im Rahmen der Haushaltskonsolidierung 1 Milliarde Euro mehr für den Bildungsbereich, für Schulen und Hochschulen, zur Verfügung gestellt. Wir haben in der vergangenen Wahlperiode die eigenverantwortliche Schule eingeführt und sind mit ihr gut unterwegs. Wir wissen, dass die Schulleiter vor Ort als Entscheider gestärkt werden müssen, weil sie am besten wissen, was zu tun ist. Schule muss dort gemacht werden, wo die Pädagogen sind, und ausdrücklich nicht dort, wo verwaltet wird.

(Hans-Jürgen Klein [GRÜNE]: Wo die Kinder sind!)

Wir müssen die Schulleiter entsprechend dafür qualifizieren. Deswegen ist es meiner Fraktion und der Regierung besonders wichtig, dass wir die Führungsakademie für Schulleiter auf den Weg bringen. Wir wollen die Schulleiter - das hat der Herr Kultusminister bereits angekündigt - von Bürokratie entlasten, und wir wollen gerade auch dabei gemeinsam mit den Schulträgern, gemeinsam mit den Kommunen, nach Lösungen suchen, wie wir Verwaltungsaufgaben finanzieren und wie

wir Schulleiter von Bürokratie entlasten. In der Schulpolitik steht für uns die Pädagogik im Vordergrund. Qualität in der Schule wird am Ende durch Menschen gemacht und nicht durch Verwaltungsvorschriften.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Das wird an so wichtigen Projekten wie beispielsweise der Bildung für nachhaltige Entwicklung deutlich, die die Landesregierung und dieser Kultusminister ausdrücklich unterstützen. Das sind Projekte, die das Selbstbewusstsein der Schülerinnen und Schüler stärken, die die Schülerinnen und Schüler auf einen guten Weg zur Teilhabe an der Gesellschaft bringen. Das ist unser Weg in der Bildungspolitik, meine Damen und Herren.

Die soziale Durchlässigkeit - sie ist von Herrn Schostok vorhin erwähnt worden - und die Aufstiegschancen des Bildungssystems liegen uns ebenfalls am Herzen. Denn eines ist richtig, und das sage ich an dieser Stelle mit aller Ernsthaftigkeit, weil dies ein Punkt ist, an dem wir alle zusammen arbeiten müssen: Die Aufstiegschancen eines jungen Menschen in Deutschland hängen nach wie vor zu stark vom Elternhaus ab. Daran haben übrigens auch SPD-Vorgängerregierungen nichts geändert. Das will ich an dieser Stelle anfügen. Aber wir wissen aus Studien auch - da lohnt es sich eben, genauer hinzuschauen, Herr Schostok -, dass es dabei unerheblich ist, ob das dreigliedrige Schulsystem oder eine Gesamtschule besucht wurde. Entscheidend für den sozialen Aufstieg und für die sozialen Chancen eines jeden jungen Menschen ist ein Schulabschluss, meine sehr verehrten Damen und Herren. Deswegen hat Schwarz-Gelb in Niedersachsen seit 2003 die Anzahl der Schulabbrecher um ein Drittel reduziert. Auch das ist unser Erfolg; auch das muss hier deutlich gesagt werden.

(Starker Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Das wird uns auch gelingen, wenn wir den Weg der Vor-Ort-Entscheidung konsequent weitergehen. Zur Ehrlichkeit gehört auch dazu: Wir müssen zur Vor-Ort-Entscheidung, zur Individualität vor Ort, nicht nur kommen, weil wir das politisch wollen, sondern weil wir es inhaltlich müssen. Ein Grund - das ist hier vorhin angesprochen worden - ist der demografische Wandel. Wir haben es gerade im Grundschulbereich mit stark sinkenden Schülerzahlen zu tun. Das erfordert neue schulpolitische Kreativität insbesondere im ländlichen Raum. Wir setzen auf flexible Lösungen, und wir

wollen, dass die Kommunen, die Schulträger vor Ort, entscheiden. Von diesem Gedanken ist diese Landesregierung getragen, meine sehr verehrten Damen und Herren.

Aber wenn ich mir genau anhöre, was Sie vorhin gesagt haben, so ist das das komplette Gegenteil von dem, was wir wollen. Sie, meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen, wollen die Gleichmacherei aus Hannover; wir wollen, dass die Politiker, die Räte, die Schulträger vor Ort entscheiden, weil sie besser wissen, was zu tun ist, als wir hier in Hannover.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Ich würde mich ausdrücklich freuen, wenn die alte Schulstrukturdebatte, von der dieses Parlament - ich gehöre ihm seit 2003 an - in der Bildungspolitik leider immer wieder geprägt wurde, jetzt ad acta gelegt werden könnte.

(Wolfgang Wulf [SPD]: Nein!)

Liebe Kolleginnen und Kollegen von SPD und Grünen, ich reiche Ihnen an dieser Stelle ausdrücklich die Hand.

Das ist sehr schön, Herr Kollege Dürr

(Wolfgang Jüttner [SPD]: Erst das Messer weglegen!)