Protokoll der Sitzung vom 01.07.2010

Es wird Zeit, dass das Kaputtkürzen des Staates durch Schwarz-Gelb beendet wird. Eine sich verschärfende soziale Krise, eine abgewirtschaftete Infrastruktur in den ausgebluteten Städten und Gemeinden - das sind Schulden, die diese Landesregierung der kommenden Generation aufbürdet. Ich nenne das unverantwortlich.

(Beifall bei der LINKEN - Björn Thüm- ler [CDU]: Wo leben Sie?)

Herr McAllister, auch wir schätzen das Ehrenamt hoch. Aber das Ehrenamt darf niemals, weder aus finanziellen noch aus anderen Motiven, der Ersatz für die Wahrnehmung sozialer Aufgaben durch die öffentliche Hand sein.

(Beifall bei der LINKEN und Zustim- mung von Ursula Helmhold [GRÜNE])

An dieser Stelle wüsste ich schon gerne einmal von Ihnen, welche Aufgaben Ihrer Meinung nach in öffentliche Hand gehören und deshalb auch von allen nach ihrer finanziellen Leistungskraft gemeinsam finanziert werden müssen. Wo liegen Ihre Grenzen für die Verschlankung des Staates? Wollen Sie ihn verhungern lassen, oder wollen Sie ihn angemessen ausstatten? - Auf diese wichtige politische Frage hätte ich gerne eine Antwort von Ihnen.

(Zustimmung bei der LINKEN)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Nirgends wird so deutlich wie in der Bildungs- und Wissenschaftspolitik, dass dieses Land nicht nur einen Personal-, sondern auch einen Politikwechsel braucht. Weit über 100 000 Menschen haben bereits das Volksbegehren für mehr und bessere Integrierte Gesamtschulen unterschrieben.

(Beifall bei der LINKEN und Zustim- mung bei den GRÜNEN)

Es wird Zeit, dass diese Regierung ihre Blockade gegen die Gesamtschule beendet, und es wird Zeit, dass in Niedersachsen wieder die volle Lehrmittelfreiheit eingeführt wird.

(Beifall bei der LINKEN)

Das Einkommen der Eltern darf nicht über die Bildungschancen und die Qualität der Schulbildung entscheiden.

Ich habe kürzlich ein Beispiel gehört, das zeigt, wie sehr sich die finanziellen Möglichkeiten der Eltern auf die Möglichkeiten der Kinder in der Schule auswirken. Sie kennen möglicherweise diese Übungshefte, die Kinder in der Schule benutzen, in

denen z. B. Rechenaufgaben stehen, die man ausrechnet, und die Lösungen trägt man dann ein. Kinder von Eltern, die sich das leisten können, haben solche Hefte in der Schule, und sie können diese Aufgaben direkt ausfüllen. Kinder von HartzIV-Eltern bekommen diese Hefte nur geliehen mit der Folge, dass sie die Aufgaben erst einmal abschreiben müssen und dann erst die Lösung hinschreiben können. Dies ist eine klare Benachteiligung. Das sind so die kleinen Dinge im Leben, die Sie gerne übersehen und die geändert gehören.

(Beifall bei der LINKEN - Zuruf von der CDU: Das stimmt doch gar nicht! - Weitere Zurufe von der CDU)

Meine Damen und Herren, das gegliederte Schulsystem sortiert sozial aus, schon Zehnjährige, und es muss durch eine integrierte und inklusive Bildung ersetzt werden.

(Beifall bei der LINKEN - Björn Thüm- ler [CDU]: Deswegen ist Bayern auch Vorreiter in Deutschland!)

Die Diskriminierung des jetzigen Schulsystems setzt sich in Niedersachsen sogar noch nach der Schule fort. Die Studienanfängerquote ist mit 34 % meilenweit vom Ziel 40 % entfernt, und in Niedersachsen sieht es noch schlechter aus.

(Zuruf von der CDU: Das liegt an Herrn Perli! - Heiterkeit bei der CDU)

Ich fordere Sie auf, mit uns gemeinsam dafür zu sorgen, dass der Zugang zu Bildung nicht mehr von der sozialen Herkunft abhängt. Stimmen Sie endlich der Abschaffung der Studiengebühren zu! Lassen Sie Ihre Ignoranz bei diesem Thema hinter sich!

(Beifall bei der LINKEN)

Gestern hätten Sie nach dem Hochschulgesetz die Auswertung zu den Auswirkungen der Studiengebühren in Niedersachsen vorlegen müssen. Das haben Sie aber nicht getan. Diesen Rechtsverstoß am Ende der Ära Wulff und zu Beginn der Ära McAllister sollten Sie schleunigst heilen und damit zeigen, dass Ihnen das Thema nicht egal ist.

(Beifall bei der LINKEN)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Ministerpräsident, Ihre Regierung hat in den vergangenen Jahren den Ruf Niedersachsens als weltoffenes und tolerantes Land nachhaltig beschädigt.

(Beifall bei der LINKEN - Was! bei der CDU)

Sie haben Niedersachsen in das Abschiebeland Nummer eins der Bundesrepublik verwandelt. Ihr Innenminister Schünemann hat Zwangskontrollen vor Moscheen durchgeführt. Das war nicht nur widerlich, das war auch falsch!

(Beifall bei der LINKEN)

Sie haben kriminalisiert, statt zu integrieren. Den Schaden und den Vertrauensverlust werden wir gemeinsam noch lange zu tragen haben.

(Oh ja! bei der CDU - Zuruf von der CDU: Wir haben breite Schultern!)

Kehren Sie um, und folgen Sie dem Antrag der Linken, die Residenzpflicht abzuschaffen - als einen ersten Schritt zu einer Flüchtlings- und Integrationspolitik, die diesen Namen auch verdient hat! Außerdem wird es Zeit, dass Herr Minister Schünemann seine Nase aus Einwanderungsakten von Mitgliedern der Linken herausnimmt und dass ein umfassendes Konzept gegen Neonazis vorgelegt wird, das die Realitäten im Land wahrnimmt.

(Beifall bei der LINKEN - Zurufe von der CDU)

Herr McAllister, gestern hat der von Ihnen ja geschätzte neue Bundespräsident

(Frauke Heiligenstadt [SPD]: Mit Ihrer Hilfe!)

in seiner Antrittsrede gesagt - ich zitiere -:

„Wir alle, … ob die Linke, die Sozialdemokraten, die Grünen, die Liberalen, die Christsozialen, die Christdemokraten, tragen gemeinsam Verantwortung für unser Land, für unser Gemeinwesen, für unsere Demokratie.“

(Zuruf von der CDU: Sie werden dem nicht gerecht!)

Diese zutreffende Feststellung sollte für Sie Grund genug sein, den Innenminister anzuweisen, die Beobachtung der Linken endlich einzustellen und Demokratie und Verantwortung über parteipolitische Motive zu stellen.

(Beifall bei der LINKEN - Zurufe von der CDU und von der SPD)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr McAllister, Sie haben ausgeführt, dass der Koaliti

onsvertrag vom Februar 2008 unverändert auch für die kommenden Jahre gilt. Nun haben wir zur Kenntnis nehmen müssen, dass Sie in der vorhergehenden Legislaturperiode im Koalitionsvertrag stehen hatten, dass Sie keine Studiengebühren einführen wollten. Sie haben es dann doch getan.

(Zuruf von der CDU: Das stimmt doch gar nicht!)

Sie haben in diesem Koalitionsvertrag stehen, dass die durch den Schülerzahlenrückgang frei werdenden Lehrkräfte im Schulwesen verbleiben sollen. Daran wollen Sie sich aber jetzt nicht mehr halten. Wenn Sie auf der Basis dieser Logik Kontinuität versprechen, dann, so fürchte ich, wird die Kontinuität im Brechen von Versprechen bestehen.

(Beifall bei der LINKEN - Hans- Christian Biallas [CDU]: Das ist eine schwere Beleidigung!)

Herr Präsident, weil ich an dieser Stelle zum Thema Umwelt komme: Ich wünsche dem Umweltminister Hans-Heinrich Sander auch im Namen meiner Fraktion gute Besserung und persönlich alles Gute.

(Beifall bei der LINKEN, bei der SPD und bei den GRÜNEN sowie Zustim- mung bei der CDU und bei der FDP)

Meine Damen und Herren, lassen Sie mich zum Abschluss noch eine Einladung aussprechen. Herr McAllister, es wird Zeit, dass ein Niedersächsischer Ministerpräsident an den Protesten gegen den Castortransport im Herbst teilnimmt.

(Beifall bei der LINKEN - Oh! bei der CDU)

Kommen Sie mit, stellen Sie sich an die Seite der Menschen im Landkreis Lüchow-Dannenberg - - -

(Jens Nacke [CDU]: Fahren Sie wie- der mit dem Bus hin?)

- Sie können auch gerne mit dem Bus fahren.

(Zurufe von der CDU)

Sie haben das Thema Atommülllager angesprochen, Herr McAllister. Ich fordere Sie auf: Beenden Sie den Gorleben-Wahn! Steigen sie endlich aus der Atomenergie aus! Sie wissen doch genau, dass Sie Wind- und Sonnenenergie umso mehr verhindern, je länger Sie die AKWs laufen lassen.