Protokoll der Sitzung vom 19.08.2010

Dass das nicht länger als fünf Minuten dauert, setze ich voraus. Frau Modder, Sie haben das Wort.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen und meine Fraktion beantragen nach § 66 Abs. 1 unserer Geschäftsordnung die Erweiterung der Tagesordnung um den Punkt: „Aufforderung an den Ministerpräsidenten, dafür Sorge zu tragen, dass Landwirtschaftsministerin Grotelüschen ihr Amt ruhen lässt“.

Gestatten Sie mir bitte, zunächst ein persönliches Wort an die Landwirtschaftsministerin Frau Grotelüschen zu richten.

Das tut mir leid. Es ist vom Grundsatz her so, dass ich Ihnen nur zur verfahrensmäßigen Behandlung, aber nicht für weitere persönliche Erklärungen das Wort geben darf. Dafür müssen Sie sich extra melden, Frau Modder.

Nach der gestrigen Aktuellen Stunde, in der wiederum neue Erkenntnisse über die Verstrickung der Ministerin Grotelüschen in der sogenannten Putenmastaffäre bekannt geworden sind, die nicht entkräftet wurden,

(Zuruf von der CDU: Unterstellung!)

hatten wir erneut eine Sondersitzung des Landwirtschaftsausschusses beantragt. Die Sitzung sollte gleich im Anschluss an die Plenarberatungen stattfinden. Dies wurde von Ihnen, meine Damen und Herren von CDU und FDP, jedoch blockiert.

(Karl-Heinrich Langspecht [CDU]: Weil wir nächste Woche sowieso eine Sitzung haben!)

Die Ministerin selbst hatte viermal die Gelegenheit, an der Aufklärung der Putenmastaffäre mitzuwirken, nämlich bei der Ausschusssitzung am vergangenen Freitag und gestern in der Aktuellen Stunde sowie bei der zweimal beantragten und von Ihren Parteifreunden blockierten zeitnahen Sondersitzung des Landwirtschaftsausschusses.

(Karl-Heinrich Langspecht [CDU]: Sie hätten eine Dringliche Anfrage bean- tragen können!)

Viermal hat sie diese Gelegenheit in den Wind geschlagen.

(Björn Thümler [CDU]: So ein Unfug, Unfug und dummes Zeug!)

Seit der Ausstrahlung der Sendung „Report“ aus Mainz am Montag vergangener Woche versucht Frau Ministerin Grotelüschen, den Menschen Sand in die Augen zu streuen. Die bislang bekannten und von Medien recherchierten Zusammenhänge hat sie immer erst dann eingestanden, als es nicht mehr zu leugnen war.

Ministerin Grotelüschen sagte in der „Report“Sendung am 9. August - ich zitiere -:

„Ich habe mit den Mecklenburger Betrieben persönlich oder auch als Familie, als Betrieb nichts zu tun.“

(Zuruf von den GRÜNEN: Hört, hört!)

Ich halte fest: Ministerin Grotelüschen hat persönlich mit den Betrieben in Mecklenburg-Vorpommern zu tun, weil sie als Prokuristin eines Tochterunternehmens der Firma ihres Mannes seit 1995 am Aufbau der Putenmasterzeugergemeinschaft unmittelbar beteiligt war.

(Zurufe von der CDU: War!)

Ministerin Grotelüschen sagte auf einer Pressekonferenz am 12. August - ich zitiere -:

„Es gibt keine intensiven Geschäftsbeziehungen zwischen der Firma meines Mannes und den zwei beschuldigten Höfen.“

Ich halte fest: Es gibt intensive Geschäftsbeziehungen zwischen der Firma ihres Mannes und den beschuldigten Höfen, wie der Gesellschaftsvertrag der Erzeugergemeinschaft belegt. Die Firma ihres Mannes nimmt über ein engmaschiges Kontrollnetz unmittelbar Einfluss auf die Arbeit der Putenmäster.

Ministerin Grotelüschen sagte auf derselben Pressekonferenz - ich zitiere -:

„Ich habe alle Geschäftstätigkeiten mit meinem Amtsantritt als Ministerin abgegeben. Ich habe alle Verbindungen gekappt.“

Ich halte fest: Frau Ministerin Grotelüschen hat mitnichten alle Verbindungen gekappt. Sie hat augenscheinlich Kenntnisse, die sie als Ministerin erlangte, entgegen ihrer Amtspflicht an ihren Mann weitergegeben, um Probleme vom Familienunternehmen abzuwenden. Mehr noch: Von ihrem privaten Faxgerät wurden vorgefertigte eidesstattliche Versicherungen an mindestens einen der beschuldigten Betriebe abgesandt.

(Björn Thümler [CDU]: Das ist doch Unfug! - Christian Dürr [FDP]: Das hatten wir gestern alles schon, Frau Modder!)

Ich fasse zusammen: Frau Ministerin Grotelüschen hat mindestens dreimal hintereinander der Öffentlichkeit die Unwahrheit gesagt.

(Björn Thümler [CDU]: Das ist ja noch größerer Unfug!)

Allein diese Tatsache und die Verweigerungshaltung der Ministerin, die Vorwürfe hier im Parlament aufzuklären, verbunden mit dem Versuch, über eine trickreiche Inszenierung die Öffentlichkeit und das Parlament hinters Licht zu führen, kann nur eine Konsequenz haben: Die Ministerin muss ihr Amt ruhen lassen.

(Beifall bei der SPD, bei den GRÜ- NEN und bei der LINKEN - Ulf Thiele [CDU]: Solch ein konstruierter Unsinn, das ist hanebüchen! - Björn Thümler [CDU]: Ungeheuerlich, was Sie da machen!)

- Dass Sie nicht verstehen, dass wir Ihnen, da Sie diese Angelegenheit verdattelt haben, eine Brücke bauen, dafür kann ich nichts.

Da sie selber zu dieser Erkenntnis augenscheinlich nicht fähig ist und weiterhin jeder ehrlichen Aufklärung aus dem Wege geht, beantragen wir, dass Sie, Herr Ministerpräsident McAllister, dafür Sorge tragen, dass Frau Ministerin Grotelüschen bis zur Aufklärung aller Vorwürfe ihr Amt ruhen lässt.

(Ulf Thiele [CDU]: Frau Modder, das war daneben!)

Meine Damen und Herren, auch wir - ich glaube, da sind wir uns in diesem Hause sehr einig - verurteilen die an die Ministerin gerichtete Morddrohung auf das Schärfste.

(Beifall bei der SPD, bei den GRÜ- NEN und bei der LINKEN)

Wir alle haben, glaube ich, ein großes Interesse daran, dass diese Vorwürfe und dieser unglaubliche Vorgang möglichst schnell geklärt werden.

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Starker Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN und Zustimmung bei der LINKEN)

Herzlichen Dank, Frau Modder. In den letzten zwei Sätzen haben Sie Ihre persönliche Bemerkung noch untergebracht. Das ist uns aufgefallen; das wollte ich zumindest noch sagen.

Zur Geschäftsordnung spricht Frau Helmhold. Ich lese die Verfahrensvorschrift nicht noch einmal vor.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Seit zehn Tagen stehen massive Vorwürfe im Raum,

(Bernhard Busemann [CDU]: Welche denn? Bringen Sie einmal Substanz!)

die eine Interessenkollision bei Ministerin Grotelüschen betreffen, was ihr Amt als Ministerin und oberste Tierschützerin des Landes und ihre Tätigkeit als Massentierhaltungslobbyistin sowie familiäre Verflechtungen zu einem entsprechenden Großbetrieb angeht.

Seit zehn Tagen haben wir der Ministerin vielfältige Gelegenheiten gegeben, diese Vorwürfe auszuräumen - Frau Modder hat das bereits dargestellt -: im Agrarausschuss, mit der Beantragung einer Sondersitzung des Ausschusses, gestern in der Aktuellen Stunde und gestern - nach der unbefriedigenden Aktuellen Stunde - mit der nochmaligen Beantragung einer Sondersitzung.

Sie hat diese Chancen nicht genutzt, und die Koalitionsfraktionen haben ihr diese Chancen durch die Ablehnung unserer Anträge auch nicht gegeben.

(Beifall bei der SPD, bei den GRÜ- NEN und bei der LINKEN)

Insbesondere in der Aktuellen Stunde ist nichts geklärt worden. Was wusste die Ministerin? Welche Kenntnis hatte sie von den Haltungsbedingungen bei den Lohnmästern? Kannte sie die eidesstattlichen Versicherungen der Mäster? Hat die Ministerin dafür gesorgt, dass diese an „Report Mainz“ gingen? Wieso konnte in diesen eidesstattlichen Erklärungen auf Details des Films eingegangen werden, obwohl dieser noch gar nicht ausgestrahlt worden war? - Die Ministerin allerdings hatte ihn zu diesem Zeitpunkt bereits gesehen.

Wir haben darauf keine Antworten erhalten. Es gab keine Erklärung der Ministerin. Stattdessen erklären sich der Pressesprecher und der Ehegatte der Ministerin.

Dieses Vermeidungsverhalten muss ein Ende haben. Herr Ministerpräsident McAllister, Ihre Landwirtschaftsministerin hat ein Riesenglaubwürdigkeitsproblem - und damit auch Sie. Sie hat uns hier und der Öffentlichkeit nicht deutlich gemacht, ob sie ihr Amt an den Interessen der Massengeflügelhalter oder an konsequentem Tierschutz orientiert.

Es ist Ihre Verantwortlichkeit, Herr Ministerpräsident, dass alle Vorwürfe rund um die Ministerin ausgeräumt werden, sofern sie ausgeräumt werden können, und dass sie sich endlich dezidiert zu den Vorwürfen äußert. Damit dies möglichst unbefangen möglich ist, stellen Sie sie so lange von

ihrem Amt frei! Sonst wird es noch weiter geschädigt.

Herzlichen Dank.