Protokoll der Sitzung vom 07.09.2010

- Zeigen Sie uns ruhig Ihren schwarzen oder gelben Faden, meine Damen und Herren! Es gibt keine neuen Ideen, nichts wird herausgearbeitet.

Ich will einmal über die Herausforderungen und Bedarfe Niedersachsens reden; denn darum geht es in der Realität.

Finanzen, die Handlungsfähigkeit der Kommunen und der Verwaltung, die Wirtschaft, die Wissenschaft, die Bildung und die Arbeitsplätze, Umwelt- und Klimapolitik und - ganz aktuell - das Thema der Energiewende - Sie weichen bei allen Aussagen aus. Es gibt dazu von Ihnen keine klare Perspektive. Man hört nur von Baustellen im Kabinett.

In der Bildungs- und Schulpolitik warten die Schulträger, die Eltern und die Schüler auf den Durchbruch, der für Ende des Jahres angekündigt ist. Ist das Regierungshandeln?

Eine Perspektive für die Landwirtschaft oder für die ländlichen Räume ist nicht zu sehen, die Ministerin verheddert sich.

(Beifall bei der SPD)

Oder nehmen wir die Sozialministerin - wir hatten das Thema in der Regierungserklärung von Herrn Ministerpräsident McAllister -: Sie kümmert sich nicht wirklich um die sozialpolitische Herausforderung der Pflege. Dort sind wieder nur ein Preisausschreiben und ein Modellversuch angekündigt worden.

Die Kürzungen in der Behindertenhilfe - darauf werden wir noch zu sprechen kommen - sind ein sehr schlechtes Startsignal für ihr Ministerium. Wieder einmal wird Politik auf dem Rücken der Schwachen und Schwächsten ausgetragen.

(Lebhafter Beifall bei der SPD, bei den GRÜNEN und bei der LINKEN - Rolfes [CDU]: Da gibt es doch gar keine Kürzungen!)

Es gibt auch kein Konzept für eine innovative Wirtschaftspolitik oder gar für eine ökologische Industriepolitik. Sie machen im Augenblick das Gegenteil.

Das Scheitern des Innovationsfonds haben Sie ja nun eingestanden. Industriepolitik überhaupt wäre ein großartiges Thema. Hier hören wir immer nur von Einzelfällen. Eine ökologische Industriepolitik wird durch Ihre Atompolitik im Augenblick besonders konterkariert.

(Lebhafter Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Sie sind mit verantwortlich, wenn die Sicherheit der Menschen gegen die Profitinteressen der Atomwirtschaft ausgespielt wird. Halten Sie sich bitte aus der Debatte nicht so heraus, wie Sie es im Augenblick tun!

(Lebhafter Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN - Jens Nacke [CDU]: Ist das alles, Herr Schostok? Nun geben Sie doch mal Gas! - Ulf Thiele [CDU]: Er fährt schon Vollgas!)

Sie tun nichts gegen die Auseinanderentwicklung der niedersächsischen Regionen. Durch die demografische Entwicklung und die Wirtschaftskrise wird sie zusätzlich verschärft. Richten Sie Ihren Blick bitte auf den Personalabbau und auf das Firmensterben im Harz und in Teilen Südniedersachsens! Sehen Sie sich das bitte genau an. Die Regionen dort bluten aus. Betriebe gehen zugrunde. Die Wirtschaftskrise wird nicht spurlos an ihnen vorbeigehen. Der Strukturwandel wird von Ihnen nicht gestaltet. Das ist Passivität par excellence.

(Lebhafter Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Stattdessen haben wir vor einigen Wochen Ihr stümperhaftes öffentliches Thematisieren eines Anteilsverkaufs von VW-Aktien erlebt. Was war das für eine Botschaft aus Niedersachsen, meine Damen und Herren?

(Lebhafter Beifall bei der SPD, bei den GRÜNEN und bei der LINKEN)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, wie ist die Wirkung auf die Öffentlichkeit? Gibt es überhaupt eine positive Resonanz auf Ihre Sparvorschläge und auf die Ergebnisse Ihrer Sparklausur? - Ich will nur einige Überschriften zitieren. Da hieß es z. B.: „Etat mit Fragezeichen“, „Prinzip Hoffnung“ oder „Das Defizit der Regierungsarbeit wird mit diesem Haushalt deutlich“, „Niedersachsens Wolkenhaushalt“ oder „McAllisters Sparplan fehlt eine klare Richtung“. Am schönsten war: „Alles muss raus!“ Ich stelle fest, es gibt überhaupt keine positive Resonanz in der Öffentlichkeit. Was für ein Armutszeugnis!

(Starker Beifall bei der SPD, bei den GRÜNEN und bei der LINKEN - Jens Nacke [CDU]: Nennen Sie einmal die Quellen! - Weitere Zurufe)

- Hannoversche Allgemeine Zeitung, Neue Presse, Süddeutsche Zeitung; ich kann sie Ihnen alle geben.

(Hans-Werner Schwarz [FDP]: Wer legt Ihnen die Zeitungen denn vor?)

- Das war im Pressespiegel des Landtags; tut mir leid.

Noch deutlicher muss Sie allerdings die Kritik vonseiten des Bundes der Steuerzahler, der Unternehmerverbände in Niedersachsen und - dies war für Sie nicht anders zu erwarten - vom DGB treffen.

Der Bund der Steuerzahler sagt - ich zitiere ihn -: Von wirksamem Sparen kann keine Rede sein. Das vormalige Haushaltsloch wird durch einen ungenierten Eingriff in Fonds, Rücklagen und sonstige Vermögenswerte zugedeckt. Das Land profitiert zurzeit von den außerordentlich niedrigen Kapitalmarktzinsen. Dieser Umstand kann sich leicht ins Gegenteil verkehren. - Ich kann dem wirklich nichts hinzufügen.

(Lebhafter Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Die Unternehmerverbände sind in ihrer Ansprache freundlich, aber sie machen deutlich, was ihnen fehlt. Sie bitten Sie beispielsweise darum, wachstumsfördernden und wettbewerbsstärkenden Maßnahmen, wie Innovationsförderung, Infrastrukturmaßnahmen und Bildung, weiterhin höchste Priorität einzuräumen. Das fehlt ihnen nämlich in Ihrem Entwurf.

Herr Kollege, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Biallas?

Ich möchte gerne zu Ende ausführen.

„Die Haushaltskonsolidierung“

- das ist ein weiteres Zitat -

„darf am Ende nicht zulasten des Mittelstands ausgehen.“

Beachten Sie also bitte die Ängste der Unternehmerverbände in Niedersachsen!

Der DGB führt aus:

„Die Landesregierung versucht, den Landeshaushalt auf Kosten der Beschäftigten zu sanieren, das ist fahrlässig.“

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Ihrer Aussage, dass man nicht nur Ausgaben kürzen kann, lassen Sie aber keine Antwort darauf folgen, was man denn eigentlich tun müsste.

Der DGB bringt es auf den Punkt. Er sagt, stattdessen sollten Sie sich auf Bundesebene für eine Verbesserung der Staatseinnahmen einsetzen. Hier steht z. B. auch, dass die Steuersenkungen das Land 600 Millionen Euro kosten. Von Ihnen habe ich nichts dazu gehört. Sie lassen es einfach zu, dass sich die Bedingungen in Niedersachsen immer weiter verschlechtern, meine Damen und Herren.

(Lebhafter Beifall bei der SPD, bei den GRÜNEN und bei der LINKEN)

Sie können sich auch die Pressespiegel der letzten Jahre anschauen. Eine einhelligere Kritik an Ihren Vorgaben durch die Sparklausur habe ich in Niedersachsen selten gehört.

Meine Damen und Herren, ich frage Sie: Gibt es denn überhaupt irgendein Bemühen dieser Landesregierung um eine bedarfsgerechte Finanzausstattung, sei es der öffentlichen Haushalte im Bund, im Land und der Kommunen?

Ihre klare Parteinahme für den Erhalt der Gewerbesteuer oder den Ausbau zu einer Gewerbewirtschaftssteuer fehlte heute; sie fehlt vollständig.

(Lebhafter Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Stattdessen erleben wir, dass Sie am Thema vorbeireden, dass Sie hier einen Etikettenschwindel vornehmen - Nebelmaschinen und ein bisschen Schauspielerei.

Wir als SPD-Fraktion haben mit Bündnis 90/Die Grünen in der vergangenen Woche wegen Ihrer Haushaltstricks und der Verschleierung der Höhe der Neuverschuldung in diesem Jahr eine Normenkontrollklage vor dem Staatsgerichtshof in Bückeburg angestrengt. Es ist im Jahre 2009 1 Milliarde Euro zu viel Schulden aufgenommen worden, um die Verschuldung im Jahre 2010 künstlich niedrig zu halten. Hätten Sie keine Tricks angewandt, dann hätten wir 2010 die höchste Nettokreditaufnahme aller Zeiten erlebt. Sie sind niedersächsischer Schuldenmeister!

(Starker Beifall bei der SPD, bei den GRÜNEN und bei der LINKEN)

In 64 Jahren Niedersachsen hat es das noch nicht gegeben. Wir gratulieren Ihnen. Die Schuldenuhr ist gesprengt. Deswegen funktioniert sie anschei

nend auch nicht mehr. Sie haben den Pokal. Herzlichen Glückwunsch!

(Beifall bei der SPD)

Die fehlenden Einnahmen, meine Damen und Herren, werden von Ihnen nicht einmal bestritten. Trotzdem zeigen Sie in Berlin keinerlei Engagement.

(Vizepräsident Dieter Möhrmann über- nimmt den Vorsitz)