Wenn Sie zugehört hätten, hätten Sie mitbekommen, dass Frau Helmhold natürlich gesagt hat, dass wir alle gefordert sind, und dass sie natürlich davon gesprochen hat, dass das Ganze lange verschlafen worden ist - unabhängig von der Par
teizugehörigkeit -, aber dass wir alle jetzt mit dieser UN-Konvention gemeinsam einen Anlass haben, tätig zu werden.
Wenn Sie sich den Antrag durchlesen, werden Sie darin keinen Frontalangriff auf die Landesregierung oder so etwas finden, was Sie hier ja offenbar erwartet haben. Anders kann ich mir Ihre Wortbeiträge nicht erklären.
Zum Konkreten: Sie haben Frau Helmhold hier vorgeworfen, sie würde die Realität falsch darstellen oder Vorwürfe erheben. Frau Helmhold hat aus einem Einzelfall zitiert, der ihr in ihrer Eigenschaft als Abgeordnete mitgeteilt wurde. In diesem Parlament muss es doch noch zulässig sein, dass man solche Einzelfälle vorträgt und dann gemeinsam überlegt, wie man Abhilfe schaffen kann, ohne als einzelne Abgeordnete dafür so angegriffen zu werden, wie Sie das hier getan haben, Frau Kollegin Mundlos.
Der wichtigste Punkt ist folgender - das ist auch in Ihrer Rede deutlich geworden, Frau Kollegin Mundlos -: Sie haben gesagt, dass Sie alle in diesen Bereichen engagiert sind. Das glaube ich Ihnen. Das hat auch niemand infrage gestellt. Gleichzeitig müssen wir aber doch alle miteinander fraktionsübergreifend anerkennen, dass es uns bislang nicht gelungen ist, Menschen mit Behinderung als ganz selbstverständlichen Bestandteil in jeden Alltagssachverhalt, in jeden Bereich des Lebens zu integrieren.
Etwas anderes können Sie doch nicht ernsthaft behaupten. Wenn Sie sich die Zusammensetzung unserer Kindergärten und Schulen sowie der Betriebe anschauen, müssen Sie feststellen, dass uns das nicht gelungen ist.
Das ist ein Weg, auf den wir uns machen müssen. Genau dazu regt dieser Antrag an. Insofern bitte ich doch um eine etwas sachlichere Behandlung.
Herzlichen Dank, Herr Limburg. - Frau Kollegin Mundlos möchte antworten. Auch Sie haben anderthalb Minuten Zeit. Bitte schön!
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Tja, so ist das nun einmal, Herr Limburg: Wer Wind sät, wird Wind ernten.
Ich kann Frau Helmhold nur empfehlen, einmal in einer ruhigen Minute ihre Rede nachzulesen. Dann wird ihr sicherlich deutlich, wenn sie gut drauf ist, was von ihr hier wirklich initiiert wurde.
denn sonst hätten Sie die Aktivitäten der Landesregierung zu diesen Punkten längst wahrgenommen. Die Menschen mit Behinderung haben diese Aktivitäten wahrgenommen.
Im Übrigen kann ich Ihnen nur Folgendes sagen: Natürlich gibt es immer Möglichkeiten, noch besser zu werden; denn der Feind des Guten ist das Bessere. Da sind wir auf dem Weg. Wer mitmachen will, ist herzlich eingeladen. Wir pflegen den Dialog, um für die Menschen mit Behinderung etwas Gutes und Richtiges zu leisten. Das ist uns wichtig.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Im August-Plenum hatte die SPD-Landtagsfraktion einen Antrag zur Umsetzung der UN-Vorgaben für Menschen mit Behinderung im Bildungsbereich eingebracht. Heute liegt nun ein Antrag der Grünen für alle anderen gesellschaftlichen Bereiche vor.
Ich will gleich vorneweg darauf hinweisen, dass wir diesen Antrag der Grünen uneingeschränkt unterstützen.
Er stellt die Anforderungen der UN-Konvention noch einmal umfassend und vollständig dar; Frau Helmhold hat das in ihrer Rede hier auch ausgeführt. Zugleich beinhaltet er Handlungsanleitungen, wie sich denn die Landesregierung diesem Thema nähern könnte.
Meine Damen und Herren, damit sind wir beim zentralen Problem. Warum muss eigentlich die Opposition diese Regierung zwischenzeitlich in jedem Aufgabenbereich darauf hinweisen, endlich ihre originären Aufgaben wahrzunehmen?
Die UN-Konvention ist seit 2009 geltendes Recht. Bereits seit 2008, also seit mehr als zwei Jahren, sind die Inhalte in der Debatte. Trotzdem verfährt die Landesregierung bei diesem Thema bisher nach dem Motto: Wer sich nicht bewegt, macht auch keine Fehler.
Nichts, aber auch gar nichts ist bisher vom Sozialministerium zu diesem Thema vorgelegt worden. Ich finde, so geht das nicht. Der Behindertenbereich ist mit Abstand der größte Einzelbereich im niedersächsischen Sozialministerium. Fast 1 Million Menschen sind mit ihren Familien direkt oder indirekt davon abhängig.
Sehr geehrte Frau Ministerin, Ihre ersten 100 Tage sind nun schon einige Zeit vorbei. Es wäre schön, wenn Sie sich endlich mit deutlich spürbarem Nachdruck auch der großen Themen Ihres Hauses annehmen würden. Ich finde, es wird langsam einmal Zeit.
Seit 2007 ist das Land für das Heimrecht zuständig. Nach fast vier Jahren ist dem Parlament jetzt ein Gesetzentwurf zugeleitet worden. In der Anhörung in der vergangenen Woche haben etliche Verbände darauf hingewiesen, dass die UN-Behindertenrechtskonvention an keiner Stelle berücksichtigt wurde. Das ist für die Betroffenen erschütternd, aber es ist zugleich ein Armutszeugnis erster Güte für diese Landesregierung.
Das Niedersächsische Behindertengleichstellungsgesetz muss bis Ende dieses Jahres überprüft werden. Auf unsere Anfrage vor drei Wochen nach dem Sachstand haben Sie uns mitgeteilt - ich zitiere -:
„Die Überprüfung der Auswirkungen des Gesetzes ist eingeleitet worden und soll bis Ende des Jahres abgeschlossen sein.“
Was heißt hier eigentlich „soll“? Wie gehen Sie mit den klaren Vorgaben der hier im Parlament verabschiedeten Gesetze um?
Es kommt noch dicker: Auf unsere Anfrage, welche Änderungen sich aufgrund der UN-Konvention ergeben, erklären Sie lapidar, „die Frage, ob die UN-Konvention eine Änderung des Behindertengleichstellungsgesetzes erforderlich mache, werde thematisiert.“ Ich finde, das ist unglaublich. Sie nehmen diese UN-Konvention überhaupt nicht ernst. Das ist geltendes Recht!
Sie haben völlig recht, Frau Mundlos, wenn Sie sagen, der Umdenkungsprozess müsse in den Köpfen anfangen. Es wäre toll, wenn er wenigstens schon einmal in den Köpfen des Ministeriums anfangen würde. Da besteht erheblicher Nachholbedarf, meine Damen und Herren.
(Beifall bei der SPD, bei den GRÜ- NEN und bei der LINKEN - Heidema- rie Mundlos [CDU]: Das Ministerium ist längst weiter!)
Wir haben Anfang dieser Woche von der LAG der Werkstätten einen Gesetzentwurf zugesandt bekommen, aus dem hervorgeht, wie allein das niedersächsische Gesetz geändert werden muss. Jeder weiß, dass bei Berücksichtigung der UNKonvention kein einziger Paragraf mehr so bleiben wird. Nur das Sozialministerium befindet sich noch im Findungsprozess.
Ich will ein nächstes Thema ansprechen. Nach Ihrem Besuch im Landesbildungszentrum für Blinde, Frau Ministerin, wiesen Sie darauf hin, welche Verantwortung das Land für den Personenkreis von blinden Kindern und Jugendlichen hat. Das teile ich. Aber haben Sie dort auch darauf hingewiesen, dass Sie den Landesbildungszentren in den nächsten Jahren 22 Stellen streichen werden, und zwar mit nur einem einzigen Ziel? - So sollen nämlich 1,2 Millionen Euro gespart werden. Wo ist
Bei der gestrigen Haushaltsdebatte haben wir gehört, dass das Land einen Handlungsbedarf von 1,9 Milliarden Euro im Haushalt hat. Ganze 345 Millionen Euro haben Sie davon in der Haushaltsklausur eingesammelt. Warum, bitte schön, muss ausgerechnet die Sozialministerin davon 20 % - sprich: 65 Millionen Euro - aufbringen, und das vor allem mit über 30 Millionen Euro zulasten von Behinderteneinrichtungen, meine Damen und Herren? - Ich sage Ihnen das, auch wenn Frau Mundlos sagt, intern beschäftige man sich viel damit. Ich glaube das. Aber eines wird immer wieder deutlich: Sozialpolitik und insbesondere Behindertenhilfe haben bei dieser Regierung, vor allem bei diesem Finanzminister, von Anfang an keine Lobby, und das wird bei jedem Haushalt ausgelebt, meine Damen und Herren.
(Starker Beifall bei der SPD, bei den GRÜNEN und bei der LINKEN - Rein- hold Hilbers [CDU]: Wie haben Sie das damals gemacht?)
Das war von 2003 bis 2006 so, als Sie den Behinderteneinrichtungen drei Nullrunden in Folge aufgedrückt haben. So wurden faktisch 42 Millionen Euro eingespart. Das hatte zur Streichung von über 230 Vollzeitstellen geführt, zu weniger Fachkräften, zur Flucht aus Tarifverträgen, insbesondere zu weniger Zuwendung für Schwerst- und Mehrfachbehinderte.
Genau diese Entwicklung wiederholen Sie jetzt mit dem Haushalt 2011 - eine zutiefst unchristliche Politik, meine Damen und Herren!