Protokoll der Sitzung vom 08.09.2010

(Uwe Schwarz [SPD]: Das ist keine Leistung des Landes! Das ist Bundes- recht!)

Wir haben drei große diakonische Einrichtungen, die die Konversion in der Behindertenhilfe auf den Weg gebracht haben. Auch das muss man anerkennen.

Wir haben vom Kollegen Dr. Althusmann im letzten Plenarsitzungsabschnitt gehört, dass die Reform des Schulrechts, die Inklusion - die inklusive Beschulung aller Kinder - in Angriff genommen wird.

(Olaf Lies [SPD]: Aller Kinder? - Petra Tiemann [SPD]: Da haben Sie, glaube ich, nicht zugehört!)

Auch das ist ein Teil der Vorarbeiten, die es jetzt fortzusetzen gilt.

Der begonnene Prozess ist klar geworden. Sobald die Ergebnisse vorliegen, werden wir uns hier wieder zu diesem Thema sprechen.

Danke.

(Beifall bei der CDU)

Danke schön. - Weitere Wortmeldungen liegen mir nicht vor. Ich schließe die Beratung.

Wir kommen zur Ausschussüberweisung.

Federführend soll der Ausschuss für Soziales, Frauen, Familie, Gesundheit und Integration tätig werden, mitberatend der Ausschuss für Haushalt und Finanzen. - Dagegen erhebt sich kein Widerspruch.

In der Tagesordnung ist eine bestimmte Uhrzeit für den Schluss der Mittagspause vorgegeben. Das Präsidium hat beschlossen, diese Zeit um 30 Minuten nach hinten zu verschieben, sodass wir uns

pünktlich um 15 Uhr hier wiedersehen. Ich wünsche Ihnen einen gesegneten Appetit.

(Unterbrechung der Sitzung von 13.37 Uhr bis 15.02 Uhr)

Verehrte Kolleginnen und Kollegen, ich eröffne die Sitzung nach der Mittagspause wieder. Wir fahren fort mit Tagesordnungspunkt 16:

26. Übersicht über Beschlussempfehlungen der ständigen Ausschüsse zu Eingaben - Drs. 16/2775 (unstrittige und strittige Eingaben)

Ich rufe die Eingaben aus der 26. Übersicht in der Drs. 16/2775 auf. Dazu liegen keine Änderungsanträge vor.

(Johanne Modder [SPD]: Was?)

Ich lasse darüber abstimmen. Wer den Beschlussempfehlungen zu diesen Eingaben aus der Übersicht seine Zustimmung geben will, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenstimmen? - Keine.

Dann haben wir den Tagesordnungspunkt abgehandelt. Ich glaube, es ist das erste Mal seit vielen Jahren, dass wir hier keine strittigen Eingaben zu behandeln hatten. Das ist etwas ungewöhnlich.

Das gibt mir die Möglichkeit, sehr schnell zu Tagesordnungspunkt 17 überzugehen:

Erste Beratung: Keine Gewalt unter dem Deckmantel des Tierschutzes! - Antrag der Fraktionen der CDU und der FDP - Drs. 16/2769 - Änderungsantrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen Drs. 16/2808

Die antragstellenden Fraktionen haben signalisiert, dass sie die zweite Beratung unmittelbar anschließen möchten.

Der Änderungsantrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen zielt auf eine Annahme des Antrages in einer geänderten Fassung.

Wir kommen jetzt zur Einbringung. Ich erteile dem Kollegen Große Macke von der CDU-Fraktion das Wort.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! In den vergangenen Monaten ist in verschiedenen Beiträgen hier im Plenum, in Ausschusssitzungen und in Gesprächen mit Kolleginnen und Kollegen auch von mir auf eine zunehmende Radikalisierung in der politischen Auseinandersetzung um den richtigen Weg der heimischen Landwirtschaft hingewiesen worden. Landwirte und das Agrarland Nummer eins werden auch von Landtagskolleginnen und -kollegen mit Begriffen wie tierquälerische Massentierhalter oder Quälland Nummer eins bezeichnet.

Parallel dazu nimmt die Radikalisierung sogenannter Tierschützer extrem zu. Hierzu zwei Beispiele.

Erstes Beispiel. In der Nacht zum 30. Juli haben unbekannte Täter in Sprötze im Landkreis Harburg den fast fertigen Neubau einer Hähnchenmastanlage abgebrannt. Die Polizei hat laut HAZ Brandbeschleuniger am Tatort gefunden. Darüber hinaus ist ein Schreiben der Animal Liberation Front aufgetaucht. Darin heißt es u. a.:

„Der psychische Druck und der finanzielle Schaden, der auf der Besitzerin oder dem Besitzer lastet, ist uns bewusst. Dies steht aber in keinem Verhältnis gegenüber den Qualen, die die Hähnchen dort erleiden müssen. Freiheit für alle Tiere!“

Zweites Beispiel. In Wietze im Landkreis Celle musste die Polizei am 10. August ein Lager aus Bretterhütten, Zelten und Aussichtstürmen räumen, in dem sich einige selbst ernannte Tierschützer über einen längeren Zeitraum hinweg verschanzt hatten. Die Demonstranten hatten sich der Räumung widersetzt, indem sie sich u. a. an betonummantelten Verankerungen angekettet hatten. Ich weiß nicht, ob und, wenn ja, wie viele dieser Demonstranten ihren Wohnsitz in Wietze hatten.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, radikale Anschläge machen leider auch vor Menschen nicht halt. Wenn Unternehmer eine Kugel zugeschickt bekommen mit der Anmerkung: „Die nächste ist für dich“, wenn Politiker Morddrohungen erhalten, dann sollten wir alle innehalten;

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

denn dann - ich hoffe, da sind wir uns einig - ist es an der Zeit, dass Demokraten zusammenstehen, diese Vorfälle verurteilen und, liebe Fraktionsvorsitzende, lieber Herr Schostok, lieber Herr Wenzel,

mit der gebotenen Autorität mäßigend einwirken, es sei denn, man teilt die Auffassung von Wolfgang Gehrcke, der gesagt hat:

„Ich will im Wahlkampf für soziale Unruhen kämpfen. Nur dann wird sich in diesem Land etwas ändern und die Friedhofsstimmung aufhören.“

Das ist nachzulesen im Verfassungsschutzbericht 2009, Seite 2018.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, wo bitte soll diese Radikalisierung hinführen? Zählt fremdes Eigentum nichts? Zählt die Selbstbestimmung im Sinne der freien Berufsausübung nichts mehr? Müssen wir uns bald alle nicht mehr an Gesetz und Recht halten? Sind Einbrüche in und Angriffe auf fremdes Eigentum nur noch ein Kavaliersdelikt? Welche Auflagen und Bestimmungen neben den gesetzlichen Vorgaben soll ein Landwirt denn noch erfüllen?

Meine Damen und Herren, wir haben in Niedersachsen den Tierschutz in die Landesverfassung aufgenommen. Ihn weiterzuentwickeln, ist das Ansinnen vieler Akteure. Ich nenne hier nicht nur den Tierschutzbeirat. Ich beziehe auch die Landwirte mit ein. Mit ihnen und den sie vertretenden Verbänden wurden doch gerade hier in Niedersachsen immer wieder freiwillige Vereinbarungen erarbeitet, die später auch Eingang in Bundesgesetzgebung oder europäische Gesetzgebung gefunden haben. Ich nenne beispielhaft die Vereinbarung über die Mindestanforderungen in der Putenhaltung.

Wer, liebe Kolleginnen und Kollegen, mit der Landwirtschaft nicht so vertraut ist, dem sei gesagt, dass in dieser Vereinbarung z. B. eine gute Zwangsentlüftungsmaßnahme definiert wird. Sie wird erreicht mit Deckenventilatoren, wobei ein Deckenventilator mit einer Förderleistung von 35 000 m³/h für 200 m 2 Stallfläche reicht, mit Stützventilatoren oder auch mit Schwenkventilatoren. Geregelt sind ferner Besatzdichte, Beleuchtung, Futter- und Tränkeeinrichtungen, Pflege der Tiere, Versorgungssicherheit, Führung des Bestandsbuches oder etwa die Vorgehensweise der Veterinärbehörden.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, auch hierzu zwei Bemerkungen.

Erstens. Landwirte, die genehmigte Stallanlagen errichtet haben und die Haltungsbedingungen einhalten, dürfen dort ohne Wenn und Aber auch

produzieren. Sie pauschal als Tierquäler zu bezeichnen, ist infam.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Zweitens. Die hohe Qualität gerade unserer Stallanlagen wird weltweit anerkannt. Deshalb werden diese Anlagen doch weltweit verkauft. Das sichert in Niedersachsen gerade im ländlichen Raum Tausenden von Menschen ihr Einkommen. Hier leichtfertig mit diesen Arbeitsplätzen umzugehen, ist sozial sehr schäbig.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, natürlich - das sage ich auch als Landwirt - werden Tiergesundheit und Stallhygiene permanent weiterentwickelt. Ich begrüße daher Forschungsvorhaben, die z. B. die Fußballenproblematik beleuchten, den Lichteinfluss auf das Tierverhalten untersuchen oder die Möglichkeiten zur Reduzierung des Kannibalismus in der Geflügelhaltung erforschen. Einige von Ihnen können sich vielleicht erinnern, dass in der sogenannten alternativen Legehennenhaltung etwa 50 %, die Hälfte der Tiere, zum Teil durch Kannibalismus qualvoll verendeten. Warum höre ich diesbezüglich nichts? Auch hier sterben Tiere. Ich sage Ihnen das, weil wir eines festhalten müssen: Tierhaltung mit null Prozent Mortalitätsrate - Sterblichkeitsrate - wird es nicht geben - nicht in der Natur und auch nicht in irgendeiner Stallanlage!

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Festzuhalten bleibt jedoch, dass die Sterblichkeitsrate bei den sogenannten alternativen Tierhaltungsformen, zumindest im Geflügelbereich, etwa drei- bis viermal und manchmal sogar wesentlich höher ausfällt als in konventionellen Tierhaltungen. Das ist für Landwirte nicht überraschend, für einige sogenannte Agrarexperten anscheinend schon.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich bin gespannt, ob wir im Ausschuss Einigkeit auch bezüglich der im Antrag aufgeführten Spiegelstriche 3 und 4 erzielen werden.

Ich möchte gerne noch eine Anmerkung zum fünften Spiegelstrich machen. Wir sollten die Sorgen der Landwirtschaft, dass durch diese radikalen Anschläge die Hemmschwelle für Nachahmungstäter sinken wird, sehr ernst nehmen.