Protokoll der Sitzung vom 08.09.2010

Ich erteile dem Kollegen Macke das Wort. Die Restredezeit für die Fraktion beträgt 1:08 Minuten.

(Jens Nacke [CDU]: Große Macke!)

- Ja, Große Macke.

Auch wenn es einigen nicht passt, lieber Herr Präsident, so gibt es in meinem Namen einen Teil, auf den ich sogar noch stolz bin.

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Lieber Kollege Stefan Wenzel, das ist genau das, was ich vorhin gesagt habe. Es reicht mir eben nicht, wenn Sie sagen: Bäuerliche Landwirtschaft hat eine relativ überschaubare Größe. - Ich möchte einmal die Definition dafür hören; denn sonst ist das, was Sie hier machen, Augenwischerei.

(Kreszentia Flauger [LINKE]: Es geht um Gewalt! - Rolf Meyer [SPD]: Es geht um Gewalt! Wir reden über Ge- walt!)

Ich sage Ihnen eines:

(Weitere Zurufe)

Ich hoffe - - -

Herr Kollege, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Dr. Sohn?

Nein. - Lieber Stefan Wenzel, ich kann genauso kommen und sagen - ich habe sehr wohl zugehört und denke, dass zumindest auch Sie hier zuhören -, was mich geprägt hat. Ich selbst führe seit mehr als 20 Jahren einen landwirtschaftlichen Betrieb, der sich schon seit Jahrhunderten im Familienbesitz befindet. Wir produzieren nachhaltig. Ich habe den Hof nicht von meinem Vater geerbt; ich habe ihn von meinen Söhnen geliehen. Das ist mir Verantwortung genug.

(Kreszentia Flauger [LINKE]: Zur Sa- che, Herr Große Macke!)

Das möchte ich sagen: Jens Nacke hat recht, weil in Ihrem Änderungsantrag von all dem, was uns wichtig ist, nämlich die Verurteilung der Radikalisierung im Bereich des Tierschutzes, die Verurteilung der Anschläge, nichts aufgeführt ist. Deswegen bitte ich um sofortige Abstimmung. Wir sollten unserem Antrag Folge leisten.

(Lebhafter Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Weitere Wortmeldungen liegen mir nicht vor.

Die Fraktionen der CDU und der FDP haben in der Drs. 16/2769 beantragt, die zweite Beratung und damit die Entscheidung über den Antrag sofort anzuschließen.

Ich mache darauf aufmerksam, dass zu diesem Antrag der Änderungsantrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen in der Drs. 16/2808 vorliegt.

Der Landtag kann die sofortige zweite Beratung nach § 39 Abs. 3 Satz 2 der Geschäftsordnung beschließen, sofern nicht gemäß § 27 Abs. 2 Satz 1 der Geschäftsordnung mindestens 30 Mitglieder des Landtags für eine Überweisung des Antrages und damit auch des Änderungsantrages an einen oder mehrere Ausschüsse stimmen.

Ich frage entsprechend unserer Geschäftsordnung zunächst, ob Ausschussüberweisung beantragt wird. - Das ist nicht der Fall.

Wir kommen damit zur Abstimmung in der Sache. Entsprechend § 39 Abs. 2 Satz 1 in Verbindung mit § 31 Abs. 3 Satz 1 unserer Geschäftsordnung stimmen wir zunächst über den Änderungsantrag

der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen in der Drs. 16/2808 ab. Nur im Falle einer Ablehnung dieses Änderungsantrages stimmen wir anschließend über den Antrag der Fraktionen der CDU und der FDP in der Drs. 16/2769 ab.

Wer dem Änderungsantrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen in der Drs. 16/2808 zustimmen möchte, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenstimmen? - Stimmenthaltung? - Damit ist dem Änderungsantrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen nicht gefolgt worden. Er hat keine Mehrheit gefunden.

Wir stimmen jetzt über den Antrag der Fraktionen der CDU und der FDP in der Drs. 16/2769 ab. Wer ihm zustimmen möchte, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenstimmen? - Stimmenthaltung? - Damit hat der Antrag der Fraktionen der CDU und der FDP hier im Hause die Mehrheit gefunden.

Ich leite über auf Tagesordnungspunkt 18:

Besprechung: Wer speichert was, warum, wieso und wie lange, und an wen kann es weitergegeben werden? - Große Anfrage der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen - Drs. 16/2270 - Antwort der Landesregierung - Drs. 16/2770

Wir treten in die Besprechung ein. Ich erteile dem Kollegen Briese von der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen das Wort.

(Unruhe)

- Herr Kollege, Sie können sich so lange Zeit nehmen, bis die Kolleginnen und Kollegen, die an dem Thema nicht interessiert sind, den Plenarsaal verlassen haben. - Wenn die Anwesenden Ihnen die entsprechende Aufmerksamkeit schenken, dann können Sie jetzt anfangen.

Dafür danke ich Ihnen, Herr Präsident. Ich glaube, genau das Interesse ist noch vorhanden in diesem Raum.

Erstmal eingangs der obligatorische Dank an die Landesregierung. Es gab viele Fragen, die zu beantworten waren, und die Landesregierung hat das ja auch sehr ausführlich getan. Hier erst noch einmal mein Dankeschön, dass die entsprechenden Dateien dargelegt wurden. Dass diese Aufgabe gar nicht so einfach war, hat das Innenministerium

dargelegt und kurzfristig noch weitere Dateien nachgeliefert, in die überall eingespeichert wird.

Was zeigt uns das? - Da überhaupt noch den Überblick zu behalten, scheint in diesen Zeiten nicht mehr so ganz einfach zu sein.

Warum haben wir Grünen überhaupt diese Große Anfrage gestellt? - Weil sich staatliche Dateien im Computerzeitalter ausbreiten wie Ölflecken im Golf von Mexiko oder wahlweise auch das CO2 in der Atmosphäre. Wir bekommen diese rasante Zunahme von gespeicherten Daten kaum in den Griff. Staat und Privatwirtschaft liefern sich mittlerweile fast schon einen Wettbewerb, wer mehr über die Bevölkerung speichert und daraus Profile bastelt. In unseren Augen ist das nicht nur besorgniserregend, sondern faktisch ein richtig großes Problem geworden.

Das Bundesverfassungsgericht hat bereits im Jahr 1983 Grundsätze aufgestellt, die eigentlich für das gesamte Datenschutzrecht wichtig waren: Menschen müssen wissen, was, warum, wieso und wie lange über sie gespeichert wird und auch, an wen es weitergegeben wird, weil sie sonst das Grundvertrauen in den Staat verlieren könnten, weil sie schlicht und ergreifend nicht mehr wissen: Wo ist eigentlich was über mich niedergelegt, und was genau kann damit gemacht werden?

Dieses Grundsatzurteil, das das Bundesverfassungsgericht bereits 1983 verkündet hat, ist heute zwar nicht obsolet geworden, aber wird ein Stück weit unterlaufen, weil wir fast keinen Überblick mehr darüber haben, wer warum, wie lange, weshalb gespeichert wird.

Wir haben einmal saldiert, wie viele Menschen mittlerweile in irgendwelchen staatlichen Dateien - also nur in staatlichen Dateien, nicht einmal in privaten Dateien - gespeichert sind. Nimmt man das Bundeszentralregister noch dazu, haben wir das Phänomen, dass mittlerweile fast 20 Millionen Menschen in staatlichen Sicherheitsdateien sind. - Da kann einem schon etwas mulmig werden.

Wir haben z. B. solche Dateien wie die Fingerabdruckdatei. Darin sind über 3 Millionen Menschen gespeichert. Wir haben die Gendatei. Darin sind mittlerweile über 800 000 Menschen gespeichert. Das sind rasant anwachsende Dateien. Die alten Grundsätze wie strenge Zweckbindung oder Datensparsamkeit, die damals formuliert worden sind, werden schlicht und ergreifend nicht mehr eingehalten. Das ist ein Problem.

Der zweite Grund, warum wir diese Anfrage gestellt haben, war, dass wir überhaupt erstmal etwas an Transparenz in Bezug darauf entwickeln wollten, wie viele Dateien wir mittlerweile im staatlichen Sektor haben. Es sind verschiedene Behörden, die einspeichern. Das sind einerseits die verschiedenen Länderpolizeien, die da sehr große Befugnisse haben. Wir haben ferner die verschiedenen Verfassungsschutzämter, ein Bundesamt und 16 Landesverfassungsschutzämter. Da kann man durchaus auch mal die Frage stellen, ob das überhaupt eine sinnvolle Konstruktion ist. Wir haben dann natürlich auch noch diverse europäische bzw. andere ausländische Dateien. Wir wollten also überhaupt erst einmal wissen - das war wirklich eine ganz persönliche Interessensfrage von mir -: Was gibt es da überhaupt an Dateien, und wie viel ist darin gespeichert?

Ich habe es gesagt: Wir haben mittlerweile über 50 Dateien, auf die die Sicherheitsbehörden in Niedersachsen zurückgreifen können. Darunter finden sich auch so malerische Dateinamen wie z. B. „Damaskus“. Das ist ein sehr netter Name, wie ich finde. Er steht für: Datei zur Massenauswertung von Kraftfahrzeugkennzeichen und sonstigen Daten.

Allein in dieser Datei war wahrscheinlich schon jeder Vierte oder Fünfte von uns zumindest kurzfristig erfasst, ohne vielleicht gespeichert zu werden. Das ist nämlich das automatische Kennzeichenscanning. Es betrifft also die Dauerüberwachung an Autobahnen, die in der Bundesrepublik sehr rasant - aber mit relativ wenigen Erfolgen - zunimmt. Auch dazu hat das Bundesverfassungsgericht gesagt: Das müssen wir auf jeden Fall sehr viel zielgerichteter und strenger machen.

Abgesehen von der Anzahl der Dateien bei den niedersächsischen Sicherheitsbehörden wollten wir dann natürlich wissen: Wer hat eigentlich Zugriff auf diese Dateien? Sind das einzelne Dateien oder sind das Verbunddateien? Und welche Rechtsschutzmöglichkeiten haben die Bürgerinnen und Bürger gegen die Erfassung oder Speicherung in solchen Dateien?

In meinen Augen sind hierbei folgende ganz besonders problematische Punkte zutage getreten. Verwirrung herrschte eigentlich schon - man muss sich zumindest sehr genau auskennen - über die verschiedenen Rechtsgrundlagen. Wir haben Polizeigesetze, wir haben Verfassungsschutzgesetze, wir haben Bundesgesetze, wir haben das BKAGesetz, und wir haben, wie ich schon ausgeführt

habe, auch europarechtliche Dateien. Dort überhaupt die Übersicht zu bewahren, ist nicht immer so ganz so einfach. Man muss schon ein ziemlicher juristischer Experte sein, um da überhaupt noch durchzublicken. Das wird auch immer wieder deutlich, wenn einzelne Klägerinnen oder Kläger gegen die Einspeicherung klagen. Das ist ein sehr, sehr mühseliger Rechtsweg.

Die erste Forderung, die ich in diesem Zusammenhang aufstellen möchte, ist also, dass unsere Sicherheitsgesetze etwas verständlicher für die Bürgerinnen und Bürger werden müssen. Wenn man sich z. B. das Niedersächsische Verfassungsschutzgesetz einmal anschaut, Herr Schünemann, dann ist es wirklich sehr komplex und sehr verweisungsintensiv. Man muss sich sehr viel Mühe machen, um das überhaupt zu verstehen. Also, ich habe damit schon richtig viel Arbeit gehabt.

(Reinhold Coenen [CDU]: Kurze Ge- setze, Herr Briese!)

- Ja, Herr Coenen. Das ist ein schöner Zwischenruf. Ich dachte eigentlich immer, dass wir Gesetze auch für die Allgemeinheit machen und nicht nur für Politiker.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Aber ich stelle fest, wir machen nur noch Fachgesetze, die die entsprechenden Fachpolitiker verstehen sollen. Das aber ist nicht mein Anspruch an Gesetze und Politik.

(Reinhold Coenen [CDU]: Aber Sie haben doch von sich gesprochen!)

- Ja, ich habe gesagt, dass ich Mühe damit hatte. Ich hatte Mühe, das zu verstehen. Dann habe ich mich intensiv damit beschäftigt, und dann ist es mir vielleicht gelungen.

Ich komme zum zweiten großen Problem, das wir bei dieser Großen Anfrage herausgearbeitet haben: Personenbezogene Daten werden mittlerweile nicht nur landesbezogen oder national erfasst, sondern wir haben das Phänomen, dass sie europaweit oder sogar weltweit erfasst und auch eingespeichert werden. Wenn die Daten weitergegeben werden, dann ist das wirklich ein sehr großes und zentrales Problem auch vor dem Hintergrund von Artikel 19 Grundgesetz.