Protokoll der Sitzung vom 08.09.2010

Sie haben ja erwähnt, dass die Landesregierung Gutachten in Auftrag gegeben hat, u. a. um herauszufinden, warum Heideflüsse wie z. B. die Este trockenfallen. Wir werden natürlich insbesondere vor dem Hintergrund der Interessen der Waldbesitzer in der Nordheide darauf achten müssen, dass eine Waldumwandlung stattfindet. Ich stimme Ihnen zu - und da muss ich allen Beteiligten recht geben, auch wenn ich nicht so weit gehe wie Frau Somfleth -: Mit den Hamburgern zu verhandeln, ist nicht ganz einfach. Damit haben schon alle ihre Erfahrungen gemacht. Zum Beispiel zum Thema Elbvertiefung könnte ich in diesem Zusammenhang einiges sagen.

Aber ich glaube, Sie müssen die Landesregierung daran messen, was sie in den Verfahren noch zusätzlich heraushandelt. Und es muss einiges herausgehandelt werden. Unsere Fachleute sind dabei auf einem guten Weg mit den Hamburger Wasserwerken. Und wenn das dann noch politisch unterstützt wird, können wir, glaube ich, zufrieden sein. Wir haben ja auch eine gewisse Verpflichtung, Nachbarschaftshilfe für die Hamburger zu leisten. Auch das muss man in gewisser Weise einsehen.

Ob allerdings die Verkäufe nach Lübeck für die Bevölkerung in diesem Raum immer einsichtig sind, weiß ich nicht. Aber wenn das nicht so ist, dann liegt das natürlich auch daran, dass die Hamburger Wasserwerke insbesondere in der Vergangenheit eine Bereitschaft zur Transparenz und zur Diskussion haben vermissen lassen.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU - Miriam Staudte [GRÜNE]: Und was machen Sie dagegen? - Kurt Herzog [LINKE]: Sie lassen sich das gefallen!)

Meine Damen und Herren, weitere Wortmeldungen liegen mir nicht vor.

Ich komme jetzt zur Abstimmung zu Nr. 1 der Beschlussempfehlung. Ich halte das Haus damit einverstanden, dass wir zunächst über den Änderungsantrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen in der Drs. 16/2807 und im Fall von dessen Ablehnung anschließend über die Beschlussempfehlung des Ausschusses abstimmen.

Wer dem Änderungsantrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen in der Drs. 16/2807 zustimmen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Der Änderungsantrag ist mit großer Mehrheit abgelehnt.

Wir kommen daher nun zur Abstimmung über die Beschlussempfehlung des Ausschusses. Wer der Nr. 1 der Beschlussempfehlung des Ausschusses zustimmen und damit die Anträge der Fraktion der SPD in der Drs. 16/1936 und der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen in der Drs. 16/1957 in der dort empfohlenen Fassung annehmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Das ist mit großer Mehrheit so beschlossen.

Wir kommen jetzt zur Abstimmung zu Nr. 2 der Beschlussempfehlung. Wer der Beschlussempfehlung des Ausschusses zustimmen will und damit die in die Beratung einbezogene Eingabe 01511 für erledigt erklären möchte, den bitte ich jetzt ebenfalls um ein Handzeichen. - Gegenstimmen? - Enthaltungen? - Das ist so beschlossen.

Meine Damen und Herren, damit haben wir den Tagesordnungspunkt erledigt.

Ich rufe Tagesordnungspunkt 21 auf:

Zweite Beratung: Kostenlose Kontrazeptiva (empfängnisverhü- tende Mittel) für Personen mit Leistungsbezug gemäß SGB II, SGB XII, dem Asylbewerberleistungsgesetz und mit vergleichbar geringem Einkommen - Antrag der Fraktion DIE LINKE - Drs. 16/2276 - Beschlussempfehlung des Ausschusses für Soziales, Frauen, Familie, Gesundheit und Integration - Drs. 16/2777

Der Ausschuss empfiehlt Ihnen, den Antrag abzulehnen.

Eine Berichterstattung ist nicht vorgesehen.

Zunächst hat sich Herr Humke-Focks von der Fraktion DIE LINKE zu Wort gemeldet.

(Karl-Heinz Klare [CDU]: Herr Humke- Focks, würden Sie vielleicht aufklären, was das genau heißt?)

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Klare, ich habe nur fünf Minuten Redezeit;

(Karl-Heinz Klare [CDU]: Gut, machen wir nachher!)

das können wir vielleicht im Anschluss diskutieren.

Nach der ersten Beratung dieses Antrags im Plenum hatte ich den Eindruck, dass wir auf einem guten Weg sind. Vielleicht war das der Tatsache geschuldet, dass das die erste Wahlperiode ist, in der ich im Niedersächsischen Landtag sitze.

(Jens Nacke [CDU]: Vielleicht ist es auch die letzte!)

Ich dachte tatsächlich, wir würden uns in der Folge ernsthaft mit diesem Antrag auseinandersetzen, um eine Lösung zu finden.

Aber leider folgte diesem - ich sage einmal - naiven Glauben die durchsichtige Einsicht in der Debatte im Ausschuss. Denn CDU und FDP vollführten eine Kehrtwendung gegenüber ihren Redebeiträgen in der öffentlichen Sitzung. Es wurde gesagt, die Regelsätze würden schließlich neu bearbeitet, und die Frage der Verhütung würde man dabei schon irgendwie berücksichtigen. Ansonsten liege die Frage der Verhütung im Bereich der Eigenverantwortung. Man müsse sich dabei ja auch nicht auf den im Regelsatz vorgesehenen Posten „Medikamente, therapeutische Geräte“ in Höhe von monatlich 13,70 Euro beschränken. - Ein Vorschlag war auch, z. B. etwas von dem im Regelsatz vorgesehenen Betrag für Stromkosten in Höhe von etwas über 25 Euro zu nehmen.

Schließlich hat das Ministerium unserem Antrag noch Folgekosten in Höhe von 14 Millionen Euro unterstellt für eine zusätzliche freiwillige Leistung zur Finanzierung des Sexuallebens von Leistungsbeziehern.

Zunächst einmal muss ich sagen: Die Kosten in Höhe von 14 Millionen Euro für die Zwischenlösung, die wir in unserem Antrag ausdrücklich beschrieben haben, sind völlig aus der Luft gegriffen. Dafür gibt es keine Basis. Wir wollen das Land darüber hinaus nur vorübergehend in die Pflicht nehmen, bis eine sinnvolle Lösung auf Bundes

ebene erreicht worden ist. Eine entsprechende Übergangslösung haben wir unter Nr. 4 formuliert.

Kurzum: Die Ausschussberatung war äußerst ernüchternd. Dies gibt die Beschlussempfehlung auch wieder. Aber - und das ist wiederum sehr interessant - nur wenige Tage nach der so entstandenen Beschlussempfehlung standen die jüngsten Zahlen des Statistischen Bundesamtes in Sachen Schwangerschaftsabbrüche zur Verfügung. Gegen den Bundestrend - im Bund ist ein leichter Rückgang auszumachen - ist die Zahl der Schwangerschaftsabbrüche ausgerechnet in Niedersachsen im letzten Quartal im Vergleich zu den Vorjahreszahlen um 4,5 % angestiegen.

(Roland Riese [FDP]: Das liegt daran, dass die Linken im Landtag sind!)

Die Diakonie, der Paritätische Wohlfahrtsverband und pro familia haben auch schon vorher mehrfach von einer Zunahme monetär bedingter Schwangerschaftskonflikte berichtet und die Politik zum Handeln aufgefordert. Das haben wir betont. Das zuständige Ministerium hingegen führt aus, dass es keine genaue Kenntnis der Zahlen habe. Das ist ein Armutszeugnis. Jede Fraktion kann diese Zahlen recherchieren, warum das Ministerium nicht?

(Beifall bei der LINKEN)

Die niedersächsischen Beratungsstellen melden eine Zunahme monetär bedingter Schwangerschaftskonflikte, und die Zahl der Schwangerschaftsabbrüche ist, wie schon gesagt, deutlich angestiegen.

Diese Tatsache sollte eigentlich als Begründung ausreichen, unseren Antrag nicht in Bausch und Bogen abzulehnen. Warum - das hätte ich gerne gewusst - drückt sich Niedersachsen vor der Möglichkeit, die Bundesratsinitiative von Bremen und Mecklenburg-Vorpommern zu unterstützen? - Ich sehe dafür keinen Grund.

Eine grundsätzliche Kostenübernahme für Kontrazeptiva - so war unser Vorschlag - könnte über die gesetzliche Krankenversicherung finanziert werden. Dabei gibt es einen Dissens, auch mit der SPD, aber das ist auch nicht der entscheidende Punkt in dem Antrag. Wichtig ist, was tatsächlich dabei herauskommt: nämlich eine mögliche Finanzierung, eine Übernahme der Kosten für Verhütungsmittel für Leistungsbezieher.

(Zustimmung bei der LINKEN - Glo- cke des Präsidenten)

Sehr gerne lassen wir uns auch auf eine große Lösung ein, das habe ich ja gesagt.

Ich komme zu meinem letzten Absatz: Wir finden es zutiefst unmoralisch, dass es keine präventiven Angebote für die Menschen gibt, ihnen aber nach § 24 b Abs. 1 SGB V von den Krankenkassen quasi Schwangerschaftsabbrüche spendiert werden. Was ist das denn für eine Moral? - Es sollten vorher präventiv Möglichkeiten geschaffen werden, um eine bewusste Familienplanung zu organisieren.

(Beifall bei der LINKEN - Gudrun Pie- per [CDU]: Das interpretieren Sie da rein!)

Es kann auch tatsächlich nicht sein, dass wir Frauen oder Familien, die nicht über einen entsprechenden Geldbeutel verfügen, wieder zwingen, dubiose Schwangerschaftsabbrüche bei irgendwelchen Wald-und-Wiesen-Doktoren vornehmen zu lassen. Das ist nämlich die Konsequenz dieser Politik. Dies gilt es zu verhindern. Das liegt auch hier und heute sowohl in Ihrer als auch in unserer Verantwortung.

Ich bedanke mich für die Aufmerksamkeit und bin ganz sicher, dass wir uns mit diesem Thema noch einmal beschäftigen müssen; denn die Probleme liegen auf der Hand. Ich weiß, dass es eine konstruktive Auseinandersetzung mit Bündnis 90/Die Grünen und SPD geben wird, und hoffe, dass Sie sich dann künftig auch mal bewegen werden.

(Beifall bei der LINKEN)

Meine Damen und Herren, für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat sich Frau Twesten zu Wort gemeldet. Bitte!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Linke hat in ihrer Pressemitteilung zu diesem Thema in der letzten Woche erneut an die Vernunft eines jeden Abgeordneten hier im Hause appelliert; denn es ist absurd, aber leider traurige Realität: Pille verweigert, Abtreibung bezahlt.

Ich finde, wir sollten es nicht bei einem Appell belassen, sondern den Frauen konkrete Hilfen anbieten. Frauen, die in einer wirtschaftlich prekären Situation leben, müssen einen angemessenen Zugang zu Verhütungsmitteln haben.

Bereits vor einem Jahr haben die Schwangerenberatungsstellen des Diakonischen Werkes festgestellt, dass immer mehr Frauen sich eine sichere Verhütung nicht leisten können. Alarmierend kommt jetzt hinzu, dass die Zahl von Schwangerschaftsabbrüchen in Niedersachsen zugenommen hat; Herr Humke-Focks hat es bereits gesagt.

Zeit zum Handeln, würde man meinen. Doch weit gefehlt! Das wird deutlich, wenn wir einen Blick in die Ausschussberatungen werfen. CDU und FDP sehen so gut wie keinen Handlungsbedarf, lehnen sich entspannt zurück und sprechen den Fachberatungsstellen dann auch noch die Kompetenz ab, um nicht unter Handlungsdruck zu geraten.

Dieser kommt allerdings von allen Seiten. Bremens Gesundheitssenatorin Ingelore Rosenkötter befindet sich mit ihrer Kampagne, Kosten für empfängnisverhütende Mittel zu übernehmen, in guter Gesellschaft mit gleichlautenden Initiativen aus verschiedenen Bundesländern. Wirklich beeindruckend in dieser Frage ist zudem das Engagement vieler Kommunen. Von Flensburg über Oldenburg bis Berlin wird diese Frage diskutiert.

Nur in Niedersachsen ist man lediglich darüber besorgt, welche Kosten entstehen könnten, wenn sich in diesem Land alle armen Frauen Verhütung leisten können - besonders absurd, wenn man bedenkt, dass die Pille nicht bezahlt wird, wohl aber die Abtreibung.

Unbeantwortet geblieben ist leider auch die Frage, wie sich die Landesregierung zu Nr. 4 des Antrags positioniert, ob sie nämlich den Kommunen in Niedersachsen als Anreiz, hier Verantwortung zu übernehmen, zusätzliche Mittel zur Verfügung stellen kann. Denn es gibt - auch pro familia in Bremen hat darauf hingewiesen - in nahezu jeder dritten deutschen Stadt kostenlose Verhütungsmittel für Hartz-IV-Empfängerinnen.

(Norbert Böhlke [CDU]: Bremen kann sich das ja auch leisten!)

Die Bremer Initiative zielt zudem auf eine Bundesratsinitiative ab. Zeitgleich wird gerade jetzt in Berlin ermittelt, ob genau diese Frage bei der Überprüfung der Hartz-IV-Regelsätze eine ausreichende Berücksichtigung erfährt. Hier wäre es durchaus spannend, zu erfahren, wie sich die Landesregierung in dieser Frage in den Beratungen auf Bundesebene verhalten wird.

Meine Damen und Herren, vor diesem Hintergrund verstehe ich überhaupt nicht, warum wir uns hier