Ich schreibe es Ihrer Unbekümmertheit beim Thema Abtreibung zu, dass dieser Antrag heute überstürzt im Plenum abgestimmt werden soll, ohne zu wissen, ob wir ihn mit seinen Zielsetzungen vielleicht doch noch brauchen.
Ich bin sicher, dass die Oppositionsfraktionen bei Bedarf eine weitere Initiative einbringen werden. Da hat Herr Humke-Focks ganz recht. Wir steigen in einem konstruktiven Dialog ein, wenn mittellose Frauen in Not sind, weil falsche Strukturen zu ungewollten Schwangerschaften führen.
Verehrter Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Sonst stehen die Vertreterinnen und Vertreter der Grünen ja hier und rügen uns dafür, wenn wir mal sechs Monate reiflich beraten haben. Heute ist es eine überstürzte Abstimmung. Das passt alles auch nicht ganz zusammen.
Ich muss feststellen, dass Herr Humke-Focks hier zwar eine Statistik über Schwangerschaftsabbrüche vorgetragen hat, dass er aber nicht vorgetragen hat, wie viele dieser Schwangerschaftsabbrecher Leistungen nach dem SGB II oder dem Asylbewerberleistungsgesetz beziehen. Diese Erkenntnisse sind also in der Linken-Fraktion noch nicht erarbeitet worden.
Meine Damen und Herren, der Antrag richtet sich dem Grunde nach auf zusätzliche freiwillige Leistungen aus Mitteln der gesetzlichen Krankenversicherung, nämlich nach dem SGB V. Die Leistungen nach § 24 a Abs. 2 dieses Gesetzes, die Schwangerschaftsverhütung für unter 20-Jährige, sind - dem Grunde nach systemwidrig - seinerzeit aus bestimmten politischen Gründen dort aufgenommen worden.
Warum ist das so? - „Die Krankenversicherung als Solidargemeinschaft“ - so steht es in § 1 des SGB V - „hat die Aufgabe, die Gesundheit der Versicherten zu erhalten, wiederherzustellen oder ihren Gesundheitszustand zu bessern.“ Damit hat weder Abtreibung noch Verhütung etwas zu tun; das ist ganz eindeutig.
Die Systemwidrigkeit, die ich Ihnen vorgetragen habe, sollte nicht ausgeweitet werden; denn es gilt der Grundsatz des § 2 SGB V, nämlich der Vorrang der Eigenverantwortung. Ich bin mit dieser Position auch nicht alleine auf der Welt
- gar nicht einmal alleine mit der FDP, Herr Schwarz -, sondern es gibt für diese Position, wie Sie gleich noch hören werden, Belege von prominenten Persönlichkeiten aus anderen Parteien.
Die Leistungen, die der Antragsteller hier verlangt, sind der Eigenverantwortung der Versicherten zuzurechnen. Das ist auch einer der wichtigen Gründe, warum dieser Antrag heute abgelehnt werden sollte.
Ich kann diese Aussage mit zwei Zitaten belegen. Wir sind nämlich beileibe nicht der erste Landtag, der sich mit dieser Frage sachlich beschäftigt.
Am 15. November 2006 sagte die damalige Sächsische Staatsministerin für Soziales - sie gehört der CDU an und heißt Helma Orosz - vor dem Sächsischen Landtag:
„Schwangerschaftsverhütung ist ein Teil der Familien- und Lebensplanung und damit keine Aufgabe der gesetzlichen Krankenversicherung. Diese ist dafür da, die Gesundheit der Versicherten herzustellen und zu fördern. Schwangerschaft ist zum Glück keine Krankheit im Sinne des SGB.“
Am 14. Januar 2005 beantwortete Dagmar Ziegler - sie gehört der SPD an und war damals Ministerin für Soziales des Landes Brandenburg - eine Anfrage der CDU-Abgeordneten Roswitha Schier zu diesem Thema wie folgt:
„Es liegt grundsätzlich in der Verantwortung der Empfängerinnen und Empfänger des Arbeitslosengeldes II, selbst mit den ihnen zur Verfügung
Die Fragen, die sich aus diesem Antrag ergeben, sind nach wie vor im Zusammenhang mit der Neuberechnung der Regelsätze zum Sozialgesetzbuch II zu stellen und zu beantworten.
Meine Damen und Herren, mir liegen zwei Wünsche auf Kurzinterventionen vor. Zunächst erteile ich Herrn Humke-Focks das Wort und dann Frau Twesten. Bitte!
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Riese, ich möchte etwas zu Ihren Bemerkungen zum Vorrang der Eigenverantwortung in diesem Zusammenhang sagen. Von den Regierungsfraktionen ist in der letzten Ausschusssitzung schon das gleiche Argument angeführt worden. Ich habe auch damals gesagt, dass man genau hinschauen muss, wann was denn eigenverantwortlich ist. Ist es vergleichbar? Wenn wir beide von Eigenverantwortung sprechen, finde ich, dass man vor dem materiellen Hintergrund, über den wir verfügen, bei jemandem wie uns beiden in der Tat sagen kann: Sie müssen eigenverantwortlich handeln, um nicht ungewollt schwanger zu werden. - Die Frage ist aber doch, ob das mit denjenigen vergleichbar ist, die Leistungen nach dem SGB II erhalten. Kann man das vergleichen und gleichsetzen?
Ich bin der Meinung, dass dort eine Schieflage besteht und man in diesem Falle sehr vorsichtig mit dem Vorrang der Eigenverantwortung umgehen muss. Ihr Hinweis trifft nicht und geht auch an Ihrer eigenen Argumentation vorbei.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte noch einmal auf den Punkt der Eigenverantwortung zurückkommen. Ich finde, es ist eine Frage gesellschaftlicher Intelligenz, wie wir hier mit diesem Thema umgehen. Wenn das Thema Familienplanung, also die Entscheidung für eine Schwangerschaft oder die Verhütung einer Schwangerschaft und damit die Entscheidung letztlich für oder gegen ein Kind, hier nur unter rein ökonomischen Gesichtspunkten diskutiert wird, dann muss die Diskussion meiner Meinung nach an ganz anderer Stelle wieder aufgenommen werden.
Es geht um eine Frage, die auf der einen Seite für jede Frau mit persönlichen Gewissensfragen verbunden ist und gesellschaftliche Konsequenzen nach sich zieht. Auf der anderen Seite reden wir immer wieder über vernachlässigte Kinder, Kinderarmut usw. Wir alle haben die Folgen im Zusammenhang mit dieser Frage zu tragen.
„Angemessen“ heißt, dass wir die reale wirtschaftliche Situation betrachten müssen. Wer dies ohne eine wie auch immer eingefärbte Brille tut, der wird zu der Auffassung kommen, dass die Kosten für empfängnisverhütende Mittel übernommen werden müssen.
Herr Präsident! Meine verehrten Kolleginnen und Kollegen! Ich stelle fest, dass es der Kollege Humke-Focks war, der hier ökonomische Gesichtspunkte zu diesem Thema eingeführt hat, und niemand sonst.
Ich stelle außerdem fest, dass zum Thema Eigenverantwortung und soziale Leistungen des Staates fundamentale Unterschiede zwischen der LinkenFraktion und den anderen Fraktionen bestehen; denn alle Fraktionen dieses Hauses - davon gehe ich hoffnungsvoll aus - außer der Linken sind sich darüber einig, dass der Bezug von staatlichen Leistungen nicht dazu führen kann, dass der Staat
im Einzelnen vorschreibt: Hier hast du ein Budget für diese Leistung, und hier hast du ein Budget für jene Leistung. - Vielmehr ist die Konzeption der Regelsätze aus gutem Grunde von vornherein so angelegt, dass die Ausgaben, die im Leben typischerweise anfallen können, innerhalb des Budgets in eigener Verantwortung der Empfänger beglichen werden können.
Nichts anderes habe ich vorhin zum Ausdruck gebracht. Bei diesem Grundsatz muss es bleiben. Wir wollen die Menschen nicht entmündigen, und schon gar nicht die Bezieher von Sozialleistungen.
Meine Damen und Herren, jetzt hat sich Frau Tiemann von der SPD-Fraktion zu Wort gemeldet. Bitte schön!
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Das habe ich nicht gewollt. Da mahnte ich die Regierungsfraktionen von CDU und FDP im Rahmen der vergangenen Plenarsitzung doch, sich in den Antragsberatungen endlich zu Entscheidungen durchzuringen. Wenn ich vorher gewusst hätte, dass CDU und FDP diese Ermahnung auf jeden Antrag beziehen, hätte ich es ausführlicher erklärt. Lassen Sie mich das an dieser Stelle nachholen.
Bei diesem Entschließungsantrag der Linksfraktion „Kostenlose Kontrazeptiva“ sind die Regierungsfraktionen meinem Wunsch nachgekommen. Aber an dieser Stelle, meine sehr verehrten Damen und Herren, ist das falsch, und zwar furchtbar falsch.
Dabei fing eigentlich alles gut an, herrschte bei der Einbringung dieses Antrages doch weitgehender Konsens. Wir alle waren uns einig: Keine Frau sollte und wollte mehr ungewollt schwanger werden. Wir alle waren uns einig, dass Schwangerschaftsabbrüche für die Frauen sehr belastend sind. Wir waren uns auch weitestgehend darüber einig, dass der Betrag von rund 14 Euro, der im Arbeitslosengeld II für die Gesundheitspflege angerechnet wird, zu gering ist, um jeden Monat 10 Euro für eine hormonelle Verhütungsmethode aufzubringen.