Protokoll der Sitzung vom 07.10.2010

(Beifall bei der LINKEN)

Es geht hier nicht um Unsinn. Es geht auch nicht um politischen Klamauk, und es geht auch nicht darum, einfach mal irgendwie mit Dreck zu werfen. Wir wissen, wie aufwendig ein solcher Untersuchungsausschuss ist. Gerade als kleine Fraktion ist uns das bekannt. Es sollte gerade in Ihrem Sinne sein, dass das Ganze aufgeklärt wird, wenn Sie sich so sicher sind. Wir wollen das jedenfalls im Sinne unserer parlamentarischen Demokratie aufgeklärt wissen.

(Jens Nacke [CDU]: Unerhört ist das!)

Wir haben Ihnen nichts unterstellt. Aber wenn Sie so sicher sind, dann sollten Sie die Ersten sein, die zustimmen.

(Beifall bei der LINKEN - Björn Thüm- ler [CDU]: Und Sie sollten die Letzte sein, die überhaupt so etwas sagen darf!)

Das war exakt im Sinne unserer Geschäftsordnung: Angriffe zurückweisen bzw. persönliche Bemerkung.

Ich rufe nun den Tagesordnungspunkt 35 auf:

Staatliches Glücksspielmonopol erhalten und ausbauen - Glücksspielstaatsvertrag rechtssicher neu fassen - Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen - Drs. 16/2873

Man hat mir mitgeteilt, dass zu diesem Antrag jetzt keine Beratung stattfinden soll, sondern dass der Antrag direkt überwiesen werden soll, und zwar soll - so ist mir das übermittelt worden; ich hoffe, dass das richtig ist - federführend der Ausschuss für Inneres und Sport tätig sein. Mitberatend sollen der Ausschuss für Haushalt und Finanzen, der Ausschuss für Soziales, Frauen, Familie, Gesundheit und Integration sowie der Ausschuss für Wirtschaft, Arbeit und Verkehr tätig sein. - Ich sehe Nicken. Dann ist das so beschlossen.

Ich rufe den Tagesordnungspunkt 36 auf:

Erste Beratung: Risikovorsorge und Haftungsfragen bei der Erschließung von Ölvorkommen durch Bohrplattformen in der Nordsee verbessern - Antrag der Fraktionen der CDU und der FDP - Drs. 16/2878

Zur Einbringung hat sich für die CDU-Fraktion Herr Kollege Thiele zu Wort gemeldet. Bitte schön, Sie haben das Wort!

Dann mache ich mal gleich weiter.

(Zuruf von Johanne Modder [SPD])

- Nein, ich bin jetzt etwas ruhiger; jetzt gibt es auch keinen Grund zum Schreien, liebe Frau Modder.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich versuche, jetzt eine Gratwanderung zu machen. Einerseits gibt es die Intention vieler zu sagen: Irgendwann muss auch mal Feierabend sein. Auf der anderen Seite gibt es den Antrag, der uns in

haltlich sehr wichtig ist und den ich jetzt in meiner Einbringung entsprechend würdigen werde.

Es geht in diesem Antrag darum, die folgenschweren Umweltauswirkungen, die durch die Havarie der Ölplattform „Deepwater Horizon“ im Golf von Mexiko und in den angrenzenden Küstenregionen eingetreten sind, zu bewerten und insbesondere vor dem Hintergrund möglicher ähnlicher Risiken zu würdigen, die bei uns im UNESCO-Weltnaturerbe, also im Nationalpark Wattenmeer, bestehen könnten. Wir haben inzwischen zur Kenntnis nehmen dürfen, dass die in der Nordsee stationierten Ölplattformen zwar andere Förderbedingungen und auch andere Fördermethoden haben - das gilt insbesondere für die Förderstation Mittelplate, deren Risikopotenzial übereinstimmend als gering eingestuft wird - und dass eine Havarie dieses Ausmaßes vielleicht auszuschließen ist, dass aber eine ähnlichen Charakters durchaus möglich sein könnte. Es besteht also die Besorgnis, dass Unfälle dort nicht vollständig ausgeschlossen werden können. Darüber muss gesprochen werden, und darauf muss reagiert werden.

Die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat im Deutschen Bundestag im Juni dieses Jahres die Bundesregierung zu den Gefahren der Ölförderung in deutschen und europäischen Meeren befragt. In der Antwort der Bundesregierung - nachzulesen in der Bundestagsdrucksache 17/2208 - zeigt sich, dass es Lücken in den Haftungsketten gibt. Das hat insbesondere mit einem sehr komplizierten internationalen Regelwerk zur Haftung zu tun.

Insofern ist es aus unserer Sicht notwendig, bei dieser zentralen Fragestellung zu Regelungen und Vorgehensweisen zu kommen, die im Schadensfall eine schnelle und umfassende Regulierung des Schadens durch den Verursacher sicherstellen. Die EU-Kommission hat inzwischen die Einleitung neuer gesetzgeberischer und politischer Initiativen angekündigt. Der EU-Energiekommissar Oettinger hat dazu festgestellt, es müsse insbesondere darum gehen, sicherzustellen, dass die erforderlichen Rechtsvorschriften vorhanden sind und effektiv angewandt werden und dass gleichzeitig die Industrie alle erdenklichen Anstrengungen unternimmt, um Unfälle mit der Folge von Ölverschmutzungen zu verhindern.

Wir haben zu diesem Thema einen Entschließungsantrag eingebracht, der Ihnen vorliegt und der auf die zentrale Fragestellung der Sicherheit, der Vorsorge und der verursachergerechten Haftung im Detail eingeht. Insbesondere geht es uns

dabei um eine bessere Transparenz der Rechtsgrundlagen. Dies scheint erforderlich zu sein. Die von der EU-Kommission angekündigte Analyse der bestehenden Rechtsvorschriften nach Maßgabe der Ergebnisse neuer gesetzgeberischer und politischer Initiativen begrüßen wir insofern sehr.

Konkret bitten wir die Landesregierung, sich gegenüber dem Bund und der Europäischen Union in diesen Prozess einzubringen, indem sie sich erstens für einheitlich hohe, dem Stand der Technik entsprechende Sicherheitsstandards auf Ölförderplattformen, zweitens für verbindliche Anforderungen zur Risikovorsorge auf Ölförderplattformen innerhalb der Hoheitsgewässer und der Ausschließlichen Wirtschaftszone der Mitgliedstaaten der Europäischen Union sowie drittens für einheitliche und angemessene Haftungsregelungen bei möglichen Schäden aus Havarien von Ölplattformen einsetzt.

Meine Damen und Herren, auch wenn die Wahrscheinlichkeit eines solchen Unfalls in der Nordsee in unseren Hoheitsgewässern deutlich geringer ist, als das im Golf von Mexiko der Fall war, müssen wir doch alles tun, um auch in diesem Bereich Vorsorge zu treffen.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Danke schön, Herr Thiele. - Für die SPD-Fraktion hat Frau Kollegin Rakow das Wort. Bitte schön!

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Um es vorwegzunehmen: Herr Thiele, wir begrüßen den Antrag, der weit über Niedersachsens Grenzen hinausweist. Insofern haben wir zum Feierabend einen Tagesordnungspunkt mit ein bisschen Harmonie.

(Zustimmung bei der CDU und bei der FDP)

Mein Kollege Ronald Schminke und ich hatten zu dem Themenkomplex „Havarie in der Nordsee, Betroffenheit des Wattenmeeres“ schon vor einiger Zeit Mündliche Anfragen gestellt. Uns hat damals schon die Sorge umgetrieben, dass sich Unfälle wie mit der „Deepwater Horizon“ auch bei uns ereignen könnten. Ganz ausgeräumt sind diese Sorgen nach wie vor nicht -

(Zustimmung bei der SPD)

gerade auch vor dem Hintergrund, dass Norwegen Offshore-Ölbohrungen ausgeschrieben hat. 2011 soll der Zuschlag erteilt werden. Wenn man weiß, dass ein Teil der Bohrungen in Tiefen unter 200 m stattfindet, wo Risikovorsorge recht schwierig ist, dann ist klar, dass man Grund genug hat, sich Sorgen zu machen - also auch Grund genug, Vorsorge zu treffen.

Der vorliegende Antrag von CDU und FDP liest sich so erst einmal ganz gut. Ich war zunächst irritiert und habe geschaut, wer eigentlich der Verfasser ist.

(Kreszentia Flauger [LINKE]: Das soll- ten Sie als Kompliment nehmen! - Dr. Gero Clemens Hocker [FDP]: Ver- antwortungsgefühl!)

Das war doch etwas überraschend; das gestehe ich Ihnen ohne Weiteres ein. Mir sind drei Erklärungsmöglichkeiten in den Kopf gekommen. Die erste ist durchaus positiv - wir sind heute Abend ja wohlwollend -: Sie möchten Verantwortung für den Meeresschutz übernehmen und das auch einmal mit einem eigenen Antrag erreichen.

(Helge Limburg [GRÜNE]: Könnte sein!)

Da haben Sie uns durchaus an Ihrer Seite. Wir haben Ihnen das Thema ja schon oft genug präsentiert. Insofern ist es gut, wenn Sie denn jetzt auch handeln.

(Beifall bei der SPD)

Aber einen kleinen Schlenker möchte ich doch machen, meine Damen und Herren von CDU und FDP: Wenn Sie die Verantwortung für die Nordsee wirklich ernst nehmen, dann sollten Sie auch gleich noch den Themenkomplex „Einträge durch die Landwirtschaft“ mit bearbeiten; denn in diesem Bereich besteht ein Riesenhandlungsbedarf.

(Beifall bei der SPD und Zustimmung bei den GRÜNEN)

Die zweite Möglichkeit zur Erklärung Ihres Antrags: Das könnte vielleicht etwas mit Günther Oettinger zu tun haben.

(Daniela Behrens [SPD]: Wer ist das denn?)

Er prüft seit Juni 2010 die Notfallpläne der in der Nordsee tätigen Ölkonzerne und nimmt die Haftungsregeln für mögliche Unfälle unter die Lupe, so wie Sie es in Ihrem Antrag fordern. Er möchte mögliche Schwachstellen beseitigen, was durch

aus lobenswert ist. Aber wenn Sie jetzt, meine Damen und Herren von CDU und FDP, diesen Antrag stellen, dann heißt das ja wohl, dass Sie wenig Vertrauen in die Leistungsfähigkeit von Herrn Oettinger haben.

(Johanne Modder [SPD]: Das hätte ich auch nicht!)

Da werden wir nicht natürlich widersprechen. Unsere Erwartungen sind da auch recht niedrig.

(Beifall bei der SPD und bei der LIN- KEN)

Aber wenn Sie glauben, dass wir Herrn Oettinger mit diesem Antrag weiterhelfen können, dann wollen wir das gerne unterstützen.

Die dritte Möglichkeit einer Erklärung lautet für mich: Sie trauen Ihrer Bundesregierung, Herrn Röttgen und Herrn Brüderle, nicht zu, dass diese den Meeresschutz voranbringen. - Auch diese Einschätzung teilen wir.

(Beifall bei der SPD, bei den GRÜ- NEN und bei der LINKEN)

Es war nämlich so: Im Juli hat Herr Röttgen in einer Talkshow gesagt, dass es ohne Sicherheit keine neue Bohrungen in der Tiefsee geben dürfe. Und weiter: Ziel der Bundesregierung sei „ein Moratorium für neue Tiefsee-Ölbohrungen im OSPAR-Raum“. Dafür wollte er sich bei der Konferenz in Norwegen einsetzen.