CDU und FDP werden dem Gesetz insbesondere deshalb zustimmen, weil wir die Stichwahlen für die Wahl der hauptberuflichen Bürgermeister und Bürgermeisterinnen, Oberbürgermeister und Oberbürgermeisterinnen, Landräte und Landrätinnen abschaffen wollen. Das ist das eine. Das Zweite ist: Wir werden Änderungen im Hinblick auf die Einteilung der Wahlbereiche vornehmen. Diese Änderungen sind von enormer Bedeutung, auch im Hinblick auf die Frage, wie und wann man wen aufstellt. Deshalb sind solche Änderungen natürlich immer recht umstritten.
Ich gebe gerne zu, dass durchaus etwas für eine Stichwahl spricht. Nicht zuletzt deshalb haben wir die Stichwahl auch nicht schon vor einigen Jahren abgeschafft. Aber wir haben inzwischen mit den Stichwahlen Erfahrungen gemacht.
(Beifall bei der SPD, bei den GRÜ- NEN und bei der LINKEN - Stefan Wenzel [GRÜNE]: Sie haben schlech- te Erfahrungen gemacht! Deshalb manipuliert man aber nicht das Wahl- gesetz!)
Erstens. Die Wahl der Eingleiser ist die einzige Wahl, bei der es überhaupt eine Stichwahl gibt. Weder bei Landtagswahlen noch bei Bundestagswahlen gibt es Stichwahlen, anders übrigens als etwa in England.
Zweitens. Die Abschaffung der Stichwahl führt zu einer breiteren Basis demokratischer Legitimation; denn alle abgegebenen Stimmen führen direkt zu einem Ergebnis.
Erfahrungsgemäß - das können wir nachweisen - reduziert sich die Wahlbeteiligung bei einer Stichwahl, sodass man nach dem ersten Wahlgang eine wesentlich demokratischere Basis hat. Zusätzliche Wahlgänge führen nicht zu mehr, sondern zu weniger Beteiligung. Die Wahlbeteiligung bei Stichwahlen - das sind die Fakten - liegt regelmäßig um 10 bis 15 Prozentpunkte niedriger als beim ersten Wahlgang. So lag z. B. die landesweite Wahlbeteiligung bei der Direktwahl am Tag der allgemeinen Kommunalwahlen 2006 in Niedersachsen bei 51 %, während sie bei den anschließenden Stichwahlen auf 36 % zurückging. Das sind immerhin 15 Prozentpunkte weniger Wahlbeteiligung landesweit.
Durch die regelmäßig deutlich geringere Wahlbeteiligung bei der Stichwahl erhält die gewählte Person in der Regel tatsächlich deutlich weniger Stimmen als derjenige Bewerber, der im ersten Wahlgang die meisten Stimmen auf sich vereinigen konnte. Das ist doch nachvollziehbar: Wenn der Gewinner im zweiten Wahlgang in absoluten Zahlen weniger Stimmen hat als der Zweitplatzierte im ersten Wahlgang, dann spielt das schon eine Rolle im Hinblick auf die demokratische Legitimation.
Jetzt sagen Sie immer: Wenn es keine Stichwahlen gibt, dann ist man nicht legitimiert. - Sie meinen wahrscheinlich Legitimation nicht durch die Partei, sondern durch die Bevölkerung, durch die Wählerinnen und Wähler.
Man kann das mit dem Sport vergleichen. Wir sagen: Wir entscheiden das so wie bei jedem Marathonlauf. Nach einem langen Wahlkampf, nach einem langen Gespräch mit den Bürgerinnen und Bürgern über die Vorzüge der Kandidaten gewinnt am Ende derjenige, der als Erster durchs Ziel geht, und zwar selbst dann, wenn er nur knapp als Erster durchs Ziel geht.
Ich argumentiere jetzt einmal von Ihrer Warte aus. Zum Beispiel bei der Landtagswahl müssten Sie ja sagen: Eigentlich ist als Landtagsabgeordneter nur derjenige legitimiert, der eine Mehrheit auf seine Person vereinigen kann. Ich will Ihnen einmal die Ergebnisse vorlesen. Das ist kein Vorwurf, das sind nur die Fakten. Kollegin Geuter: 22,9 %, Kollegin Stief-Kreihe: 20,8 %, Kollege Poppe: 26,8 %.
Das sind die Prozentzahlen. Sie sagen immer, es ist ein Drama, wenn ein Eingleiser mit solch einem Ergebnis gewählt wird. Aber Sie sitzen ja alle hier!
Nehmen wir den Kollegen Limburg, der eben schon durch Beifall bei meiner Rede aufgefallen ist: 5,8 %. Herzlichen Glückwunsch! Frau Helmhold: 6,6 %. Nehmen wir die Linken. Frau Flauger: 4,9 %,
Herr Humke-Focks: 7,5 %, Herr Perli: 5,8 %. - Wenn das gilt, was Sie sagen, wären Sie alle nicht legitimiert. Sie sind es aber, Sie sitzen ja hier.
Sie sagen, man ist nur legitimiert, wenn man über 50 % erreicht. Im zweiten Wahlgang wird man ja immer Sieger mit über 50 %.
Wenn wir es so machen, wie Sie es prinzipiell wollen, könnten wir den Landtag auf einen Schlag verkleinern, weil in diesem Landtag nämlich nur 15 oder 16 Abgeordnete sind, die über 50 % der Stimmen vorweisen können.
Gott sei Dank würde sich beim Ministerpräsidenten nichts ändern, er hat nämlich immerhin 52,6 % geschafft.
(Beifall bei der CDU und bei der FDP - Kreszentia Flauger [LINKE]: Sie neh- men das Thema nicht sehr ernst!)
Auch Herr Rolfes wäre dabei: 60,9 %. Herr Große Macke: 70,4 %, Herr Bley: 56,6 %. Herr Kollege Haase würde die SPD-Fraktion hier ziemlich allein vertreten. Herr Jüttner könnte ihm zwar noch helfen, aber dann wäre es das auch schon gewesen. Also: Landtagsverkleinerung! - Meine Damen und Herren, so viel zur Stichwahl.
Der vierte Punkt. Durch die Abschaffung der Stichwahl wird im Übrigen auch das Verfahren für die Briefwähler vereinfacht und wird dadurch bürgerfreundlicher;
denn wer im Moment im zweiten Wahlgang, also bei der Stichwahl, per Briefwahl teilnehmen wollte, musste dies schon vor dem ersten Wahlgang beantragen, ohne dass man wusste, wie die Wahl ausgeht. Auch das reparieren wir jetzt also.
Der fünfte und letzte Punkt. Die Durchführung von Stichwahlen stellt als zusätzlicher Wahlgang letztlich eben auch einen hohen Verwaltungs- und Kostenaufwand für die Kommunen dar; denn man muss alles, was man einmal gemacht hat, beim zweiten Mal in gleicher Weise, mit dem ganzen Aufwand wiederholen.
Meine Damen und Herren, die Wählerinnen und Wähler - Herr Lies, daran müssen Sie sich als Landesvorsitzender gewöhnen - haben über die Frage „Stichwahl ja oder nein?“ im Grunde bereits mit den Füßen abgestimmt;