Protokoll der Sitzung vom 09.11.2010

denn sie gehen bei Weitem nicht in dem Maße zur Stichwahl, wie wir alle uns das gewünscht hätten.

(Glocke des Präsidenten)

Herr Kollege Biallas, Sie haben Ihre Redezeit leider verbraucht.

Das liegt aber daran, dass hier so ein Tumult ist.

Herr Kollege Biallas, zu beurteilen, woran das liegt, steht nicht in meinem Ermessen. Ich kann Sie nur

darauf hinweisen: Letzter Satz, und dann müssen Sie sich bitte wieder setzen!

Ich wollte sowieso zum Schluss kommen. Ich hatte gar nichts anderes angekündigt, Herr Präsident.

Die demokratische Legitimation der Gewählten wird mit der Abschaffung der Stichwahl keineswegs geschwächt. Deshalb sind wir gut beraten, wenn wir sie heute abschaffen.

(Beifall bei der CDU)

Meine Damen und Herren, zu einer Kurzintervention hat sich der Kollege Limburg von der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen gemeldet. Bitte!

(Astrid Vockert [CDU]: Wie viel Pro- zent waren es bei Ihnen?)

5,7 %, Frau Kollegin Vockert. Das war übrigens ein gutes Ergebnis. Es war besser als bei der Wahl davor. Insofern bin ich damit zufrieden.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Lieber Herr Kollege Biallas, von Ihnen einen ernsthaften Beitrag zu erwarten, ist wohl zu viel verlangt. Das ist schade, weil ich es sehr wichtig finde, das Thema Kommunalwahlen in diesem Hause zu diskutieren.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der LINKEN)

Sie haben sehr viel über unser Landtagswahlrecht schwadroniert. Sie haben das Verhältnis von Listenwahl und Erststimmen, also von Verhältniswahlrecht zu Mehrheitswahlrecht, wohl nicht so richtig verstanden. Ihnen das alles zu erklären, würde aber wohl zu weit führen.

(Kreszentia Flauger [LINKE]: Er hört gar nicht zu!)

Herr Biallas, ich möchte Ihnen nur vorlesen, zu welchem Tagesordnungspunkt Sie gerade vorgetragen haben, als Sie hier über das Landtagswahlrecht geredet haben.

Sie haben zum Tagesordnungspunkt 6 mit dem Titel „Entwurf eines Gesetzes zur Änderung kommunalwahlrechtlicher Bestimmungen“ gesprochen. Die kommunalwahlrechtlichen Bestimmungen ha

ben mit den Wahlen zum Niedersächsischen Landtag gar nichts zu tun.

(Beifall bei den GRÜNEN, bei der SPD und bei der LINKEN)

Meine Damen und Herren, die CDU-Fraktion hat die Möglichkeit zu erwidern. - Davon will sie anscheinend keinen Gebrauch machen.

Dann kommen wir zum nächsten Redner. Das ist der Kollege Krogmann von der SPD-Fraktion.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Biallas, der Karneval beginnt erst übermorgen. Ich hatte bei Ihrer Rede den Eindruck, dass Sie sich schon einmal warm laufen.

Normalerweise ist es doch so, dass wir hier zusammen über Dinge beraten, Herr Biallas, von denen jede Fraktion meint, dass sie letztlich dem Lande nützlich sind - jeder aus seiner Perspektive. Das hier ist heute etwas anderes. Hier beschließen CDU und FDP etwas, von dem sie glauben, dass es ihnen nützlich ist. Darum sollen Sie nicht herumreden, darum geht es hier.

(Beifall bei der SPD, bei den GRÜ- NEN und bei der LINKEN - Wider- spruch bei der CDU)

Sie wollen die Stichwahl abschaffen, die Zahl der Wahlbereiche verringern und sich damit etwas Gutes für die nächste Kommunalwahl tun. Dass Sie dieses plumpe Manöver auch noch mit der Überschrift „vermeintliche Stärkung des kommunalen Ehrenamtes“ überschrieben haben, finden wir ungeheuerlich. Wir als SPD-Fraktion lehnen das kategorisch ab.

(Beifall bei der SPD und bei der LIN- KEN)

Obwohl, eigentlich hätten wir einen recht guten Änderungsvorschlag: Nennen Sie dieses Gesetz doch einfach „Lex Schaumburg“ oder „Lex Lingen“, Herr Rolfes, vielleicht auch „Lex Celle“. Dann würde deutlicher, was Sie hier in Wirklichkeit vorhaben: Sie haben sich nicht gefragt, wie die kommunale Demokratie verbessert werden soll, sondern Sie haben sich gefragt, wie Sie diese Betriebsunfälle in ihren vermeintlichen Hochburgen künftig verhindern können.

(Heinz Rolfes [CDU]: Was ist das nur für ein Niveau?)

Darum geht es hier. Das glaube aber nicht nur ich, das wissen auch die Menschen im Land. Das muss man hier im Klartext so sagen.

(Beifall bei der SPD, bei den GRÜ- NEN und bei der LINKEN - Jens Na- cke [CDU]: Nur Unterstellungen und keine Inhalte! Das ist untragbar!)

Wenn Bürgermeisterinnen und Bürgermeister, Landrätinnen und Landräte für acht Jahre gewählt werden

(Zuruf von Heinz Rolfes [CDU])

- Jetzt hören Sie doch einmal zu, Herr Rolfes! -, wenn Sie das in einem Wahlgang zulassen, dann haben Sie künftig Hauptverwaltungsbeamte, die nur von der Minderheit der an der Wahl teilnehmenden - das ist das Entscheidende - Bürgerinnen und Bürger gewählt werden.

(Zuruf von Björn Thümler [CDU])

Das heißt im Umkehrschluss, lieber Björn Thümler, dass diese Amtsinhaber eine schwere Hypothek mit sich herumschleppen; denn sie werden immer wissen, dass sie drei Viertel oder zwei Drittel der Wählerinnen und Wähler nicht wollten. Was für eine Hypothek das sein kann, kann man sich wohl vorstellen.

(Beifall bei der SPD)

Sie erfinden heute für Niedersachsen den 26-%Bürgermeister. Diese Situation wird in sehr vielen Kommunen sehr schwierig sein. Wir halten das für unverantwortlich.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Ihr einziges inhaltliches Gegenargument kennen wir schon - das haben Sie vorhin sehr abenteuerlich ausgeführt -, nämlich den Vergleich mit Landtags- und Bundestagsabgeordneten. Natürlich ist es dort etwas anders. Aber es gibt einen wirklich entscheidenden Unterschied: Der Bürgermeister ist ein völlig eigenständiges Organ der Gemeindeverfassung. Der Abgeordnete hingegen ist nur Teil eines Verfassungsorgans, dessen politische Zusammensetzung vor allem auch durch die Zweitstimme bestimmt wird. Deshalb greift dieses Argument nicht! Hier werden Äpfel mit Birnen verglichen. Das können Sie hier nicht anführen!

(Beifall bei der SPD)

Die SPD-Fraktion sieht deshalb die Stichwahl als einzige Möglichkeit, die nötige Legitimation für eine

achtjährige Amtszeit zu gewährleisten. Deshalb sollten wir daran festhalten.

Das, meine Damen und Herren, war der Teil des Gesetzes, für den sich die CDU interessiert. Aber kommen wir bitte auch zur FDP. Es gibt in diesem Gesetz schließlich noch andere Regelungen, über die noch gar nicht geredet wurde.

Niemand wird behaupten, dass die FDP von der Abschaffung der Stichwahl profitiert. Um den Kuhhandel jetzt aber komplett zu machen, musste eine Kompensation her. Da haben Sie sich ausgedacht: Wir verringern in Niedersachsen die Zahl der Wahlbereiche in vielen Kommunen. Davon profitieren dann die kleineren Parteien, und das Kalkül war, dass dann auch die FDP profitiert.

Die FDP hat auch im Ausschuss argumentiert, es sei so schwierig, Kandidaten in ausreichender Zahl zu finden, die bereit sind, sich auf ihren Listen aufstellen zu lassen. Da kann ich Ihnen nur raten: Machen Sie eine andere Politik, dann trauen sich die Menschen auch wieder, sich für Sie politisch zu engagieren. Machen Sie das nicht über solche Formalitäten!

(Beifall bei der SPD)

Wir als SPD setzten auf mehr Wahlbereiche in den Kommunen, weil wir Wert darauf legen, dass unsere Ratsmitglieder in den Ortsteilen verankert sind, dass wir Kandidatinnen und Kandidaten auf den Listen haben, die im Vereinsleben, in Kirche, Sportverein oder Feuerwehr verankert sind, die bürgernah sind, die vor Ort ansprechbar sind. Das gerät durch dieses Gesetz in vielen Kommunen in Gefahr.

(Björn Thümler [CDU]: Was für ein Unfug!)