Protokoll der Sitzung vom 10.11.2010

(Zuruf von der CDU: Herr Bachmann, erzählen Sie uns noch mehr von Ihren Heldentaten! - Stefan Wenzel [GRÜ- NE]: Vielleicht braucht Herr Nacke ei- nen Ordnungsruf! - Zuruf von der LINKEN: Kamillentee!)

Bitte schön!

Diese Zwischenrufe können Sie sich doch sparen. Welche Aufgabe hat man denn, wenn man von Frau Staatssekretärin von Klaeden in Vertretung des Ministers als Abgeordnete und Abgeordneter dieses Hauses die Einladung bekommt, als Transportbeobachter vor Ort zu sein?

(Zuruf von der CDU: Beobachter!)

Ist es unsere Aufgabe, nur zu gucken,

(Zuruf von der CDU: Ja, klar!)

oder ist es unsere Aufgabe, mit den Menschen zu sprechen? - Unsere Aufgabe war es auch, in der Situation, in der Presse nicht durchgelassen wurde, mit den Menschen zu sprechen, die in diesem Fall Polizeibeamte waren - verbunden mit der Bitte: Gebt es doch einfach mal weiter! Bei uns sind massive Pressebeschwerden gelandet. Gebt sie doch einfach mal weiter! Das muss doch nicht sein. An dieser Stelle brauchen wir doch kein Konfliktpotenzial aufzubauen. - Es ist keine Heldentat, sondern eine Selbstverständlichkeit, sich an dieser Stelle so zu äußern.

(Beifall bei der SPD, bei den GRÜ- NEN und bei der LINKEN)

Es war gut und richtig, und es war genau die Situation, in der eine Schafherde zwischen Grippel und dem Zwischenlager, also unmittelbar vor Gorleben, die Straße blockiert hat.

(Zuruf von der LINKEN: Sehr schön! - Zuruf von Frank Oesterhelweg [CDU])

- Nein, Herr Oesterhelweg, wahrscheinlich verstehen Sie mehr als ich davon, mitten zwischen den Tieren zu stehen.

(Unruhe - Glocke des Präsidenten)

Aber die Worte der Schäferin waren sehr beeindruckend. Wissen Sie, was die gesagt hat? - Sie hat gesagt: Das ist meine Form des friedlichen Protestes.

(Zustimmung bei der LINKEN)

Seit zehn Jahren bin ich hier im Wendland als Schafzüchterin und als Schafhüterin tätig.

(Zuruf von der CDU: Jetzt kommt es!)

Ich habe kein Interesse daran, dass die Natur hier und meine Tiere durch ein zukünftiges Endlager belastet werden. Ich habe wie meine Mitbürgerinnen und Mitbürger an dieser Entwicklung kein Interesse. Deswegen habe ich seit zehn Jahren für mich eine Idealvorstellung gehabt: Mit Schafen und Hunden zu zeigen, dass man auch eine Straße in ganz besonderer Weise friedlich blockieren kann. - Das war eine sehr beeindruckende Motivation und Situation.

(Zurufe von der CDU)

Diese Frau hat es nicht darauf ankommen lassen, eine Räumung herbeizuführen. Das wäre der Poli

zei auch sehr schwergefallen. Wie wollen sie dagegen vorgehen? -Sie ist nach eineinhalb Stunden des Protestes mit ihrer Schafherde friedlich abgezogen. Das ist die Form des friedlichen Protestes, die angemessen ist!

(Starker Beifall bei der SPD, bei den GRÜNEN und bei der LINKEN sowie Zustimmung bei der CDU und bei der FDP)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich muss die von Herrn Schünemann genannten Zahlen nicht wiederholen. Sie sind in der heutigen Endfassung der Regierungserklärung genannt worden. Sie waren im Entwurf von gestern Abend nicht drin.

Es gibt 131 verletzte Polizeibeamte, davon 78 durch Störer verletzt, so der offizielle Bericht, der uns auch vorliegt, die teils durch Flaschen und Steine getroffen worden sind. Jeder Polizeibeamte, der verletzt worden ist, ist einer zu viel. Alles ist eine unverantwortliche Vorgehensweise gegenüber den Polizisten.

(Beifall)

Wir schließen uns ausdrücklich den guten Genesungswünschen an und sagen: Das gilt auch für rund 950 Verletzte unter den Demonstranten.

(Beifall bei der SPD, bei den GRÜ- NEN und bei der LINKEN)

Gott sei Dank sind uns Schwerverletzte erspart geblieben. Gott sei Dank - das will ich hier ausdrücklich sagen.

(Kurt Herzog [LINKE]: Sie sind mit dem Hubschrauber weggebracht wor- den!)

Ich möchte auch sagen - lieber Kollege Herzog, wir unterscheiden uns da vielleicht ein bisschen in der Sichtweise -: Zu den 950 Verletzten unter den Demonstranten ist es sicherlich auch aufgrund von polizeilichen Maßnahmen gekommen. Aber wir haben nie eine Verletzung durch eine Erstmaßnahme der Polizei gesehen. Ich kann mir das auch nicht vorstellen. Wenn es das gäbe, müsste das parlamentarisch aufgearbeitet werden. Ich nehme an, das muss nicht der Fall sein, weil man sehr verantwortlich damit umgegangen ist. Es gab keinen verletzten Demonstranten, der durch Erstmaßnahmen der Polizei verletzt wurde,

(Zuruf von der LINKEN)

sondern nur verletzte Demonstranten, die als Folgemaßnahme von Störmaßnahmen verletzt wur

den. Deswegen sage ich: Für ein massives Eingreifen von Polizeibeamten tragen die wenigen Störer der Kategorie Rot eine Mitverantwortung dafür, dass es in dieser Zahl Verletzte unter den Demonstranten gegeben hat. Auch das gehört zur ganzen Wahrheit!

(Beifall bei der SPD, bei der CDU und bei der FDP)

Ihrem Dank, Herr Schünemann, an die Polizei - ich mache das mit dem Pauschalbegriff und meine alle, die im Einsatz waren - schließen wir uns in vollem Umfang an. Das ist eine Selbstverständlichkeit. Das hätte ich auch getan, wenn es nicht noch in Ihre Rede hineingekommen wäre.

Ich freue mich, dass in Ihre Rede hineingekommen ist, dass Sie auch den Menschen danken, die von ihrem Demonstrationsrecht, von ihrem Recht auf freie Meinungsäußerung Gebrauch gemacht haben. Es verdient genauso unsere Anerkennung, dass das in dieser großen Zahl dort erfolgt ist.

(Beifall bei der SPD und bei der FDP)

Ich möchte sagen, was Transportbeobachter vor Ort in Gesprächen mitbekommen. Wir haben mit jungen Leuten gesprochen, die noch am Vorabend in Harlingen auf den Schienen gesessen haben und die am nächsten Tag, nachdem wegen des weiterfahrenden Zuges die Räumung erfolgen musste - das ist so -, auf der Zufahrtsstraße zum Zwischenlager saßen. Die haben gesagt: Ich würde hier nicht sitzen, wenn ich nicht gestern Abend bei der Räumung von den Schienen bei Harlingen von den Polizeibeamten in hervorragender Weise behandelt worden wäre.

(Zuruf von der CDU: Siehste!)

Deswegen war die Räumung friedlich. Das haben sie uns ausdrücklich bestätigt. Folgendes gehört auch zur ganzen Wahrheit. Herr Herzog, ich sage Ihnen das, weil Sie als Betroffener im Wendland manchmal eine sehr eingeengte Sichtweise haben.

(Zuruf von der CDU: Sehr richtig!)

Wenn jemand nicht weggetragen wird, sondern vielleicht etwas abrupter entfernt werden muss, dann ist das jemand, der sich widersetzt, der der Räumung, der Räumungsaufforderung nicht freiwillig nachkommt, der Widerstand leistet, der Polizeibeamte beleidigt.

(Zurufe von den GRÜNEN: Nee, nee, nee!)

Dann muss man damit etwas anders umgehen als bei einer friedlichen Räumung. Das ist so.

(Beifall bei der SPD, bei der CDU und bei der FDP)

Also, meine Damen und Herren: Die Gesamtsichtweise bitte etwas differenzierter!

(Jens Nacke [CDU]: Da war bei uns mehr Applaus als bei der SPD!)

Wir sagen ausdrücklich, dass das Beispiel, das Herr Schünemann genannt hat, also der Angriff auf Polizeibeamte am Rande der friedlichen Auftaktdemonstration auf der Straßenstrecke bei der Unterhöhlung der Straße durch 150 zum Teil vermummte Personen im Schutz von abgestellten Traktoren - da sind Polizeibeamte mit Steinen und Feuerwerkskörpern beworfen worden; und es ist so, dass auch Lanzen eingesetzt wurden -, eine Straftat ist, verwerflich ist. Das konterkariert die friedliche Demonstration. Darüber müssen sich diejenigen im Klaren sein, die das begleitend veranstalten.

(Beifall bei der SPD und bei der FDP)

Wir haben auch kein Verständnis dafür, meine Damen und Herren, dass gesicherte Transportfahrzeuge der Polizei mit brennendem Bitumen beworfen werden, sodass die Polizeibeamten in ihrer Not und Angst das Fahrzeug verlassen müssen, und dass sie dann auch noch im Steinhagel stehen. Auch das, meine Damen und Herren, wird von uns null toleriert!

(Beifall bei der SPD, bei der CDU und bei der FDP - Zustimmung von Kres- zentia Flauger [LINKE])