Protokoll der Sitzung vom 12.11.2010

Zwei Punkte sind aus meiner Sicht noch nicht zufriedenstellend. Erstens. Ich sehe keinen Grund, warum die kollegiale Schulleitung für berufsbildende Schulen abgeschafft und aus dem Gesetz gestrichen werden soll.

(Björn Försterling [FDP]: Das haben wir so oft versucht zu erklären!)

Zum Zweiten sind die Mitwirkungsrechte für Schüler- und Elternvertretungen in den Fachgruppen nicht ausreichend. Ich denke, hier muss nachgebessert werden. Vermutlich ist das der Eile ge

schuldet, in der dieses Gesetz wieder einmal in den Beratungen durchgezogen wurde, weil die Regierungsfraktionen wirklich im letzten Moment mit ihrem Gesetzentwurf in die Strümpfe kamen.

Zusammengefasst will ich aber sagen: Die meisten unserer Vorschläge sind akzeptabel umgesetzt worden. Wir wollen, dass sich die berufsbildenden Schulen zu modernen und leistungsfähigen Bildungseinrichtungen entwickeln, die flexibel auf regionale Bedarfe reagieren können. Wir sind aber auch der Meinung, dass dieser Prozess extern evaluiert werden muss. Dazu brauchen wir eine qualifizierte, möglichst unabhängige Schulinspektion. Deshalb werden wir nicht zustimmen, dass der Charakter der Schulinspektion durch Umformulierungen im Gesetz mal eben verändert wird.

(Karl-Heinz Klare [CDU]: Da steht doch gar nichts von Schulinspektio- nen drin!)

Meine Fraktion beantragt deshalb, über diesen Punkt gesondert abzustimmen.

Meine Damen und Herren, die landesweite Weiterentwicklung unserer berufsbildenden Schulen zu regionalen Kompetenzzentren ist eine große Herausforderung. Als Grüne wollen wir sie konstruktiv, aber auch kritisch begleiten, jedoch auch unterstützen. Wir werden beobachten, was sich in der Praxis bewährt. Dort, wo Verbesserungsbedarf besteht, werden wir korrigieren, spätestens 2013 nach der Landtagswahl.

Dem gemeinsam veränderten Gesetzentwurf werden wir heute zustimmen, der Veränderung bei der Schulinspektion nicht.

Vielen Dank.

(Beifall bei den GRÜNEN und Zu- stimmung bei der SPD sowie von Karl-Heinz Klare [CDU])

Herzlichen Dank, Frau Kollegin Korter. - Für die SPD-Fraktion hat sich Herr Kollege Poppe zu Wort gemeldet. Bitte schön!

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren!

(Björn Försterling [FDP]: Aber nicht die Pressemitteilung vorlesen!)

Die Weiterentwicklung der berufsbildenden Schulen in Niedersachsen ist seit Langem ein Anliegen, das die großen Fraktionen dieses Hauses gemeinsam verfolgen. Das war so bei der Initialisierung des Schulversuchs ProReKo im Jahr 2001, das war bei verschiedenen Entschließungsanträgen so, zuletzt im Januar dieses Jahres, und das setzt sich auch heute fort.

Aber so selbstverständlich wie das klingt, ist es nicht. Denn die Vorlage, die im August von den Fraktionen der CDU und der FDP eingebracht worden ist, war lückenhaft und keinesfalls zustimmungsfähig. Sie ist erst durch erheblichen Druck von unserer Seite, aber auch von den betroffenen Schulen so weit gebracht worden, dass die SPDFraktion ihr heute zustimmen kann.

(Beifall bei der SPD)

Denn sie beruhte zwar im Grundsatz auf dem gemeinsamen Entschließungsantrag von vier Fraktionen dieses Hauses vom Februar dieses Jahres und auf gemeinsamen Entschließungen zum Schulversuch ProReKo seit 2001, aber sie enthielt wichtige Forderungen daraus nicht.

Die wichtigste dieser Forderungen betraf die Verankerung der im Zuge des Schulversuchs ProReKo in den Schulen installierten Verwaltungsleitungen im Gesetz und ihre stellenmäßige Absicherung.

Der Herr Kultusminister irrte - um es vorsichtig zu sagen -, als er in der Einbringungsdebatte sagte, alle Elemente der Entschließung vom Januar seien bereits im Entwurf enthalten. Dieser wichtige Gesichtspunkt fehlte; er ist nach langem Ringen in den §§ 53 und 112 ergänzt worden.

(Beifall bei der SPD)

Bei dem nächsten zentralen Streitpunkt ging es um die Verteilung der Gewichte im Schulvorstand. Hier ging es um ein Austarieren von gerade im berufsbildenden Schulwesen sehr unterschiedlichen Interessen. Wie stark darf die Rolle der Schulleitung gerade in Relation zu den Lehrkräften insgesamt sein? Welche Rolle spielen die Eltern- und Schülervertreter? Wie viele Sitze können und dürfen an außerschulische Vertreter gehen? - Solche Fragen waren abzuwägen.

Mit der nun gefundenen Lösung wurde die Rolle der Schülervertretungen und der Eltern gestärkt, und die außerschulischen Vertreter, etwa der Wirtschaftsverbände, sind nach wie vor berücksichtigt, können aber darüber hinaus in den nun verbindlich

eingeführten Beirat, der - wie der Name sagt - beratend tätig ist, ihre Sach- und Fachkompetenz einbringen.

Ein dritter für uns wesentlicher Aspekt ist: Soll der Schulleiter die Vorsitzenden bzw. Leiter von Fachkonferenzen und von Bildungsgang- und Fachgruppen bestimmen dürfen? - Auch hier wurde eine Formulierung gefunden, die dafür sorgt, dass dies im Benehmen mit dem jeweils betroffenen Gremium zu erfolgen hat.

Eine im Zuge der Gesetzesberatungen vorgenommene Ergänzung betrifft nicht unmittelbar den Schulversuch ProReKo, sehr wohl aber die zukünftige Position der berufsbildenden Schulen, und findet unsere Zustimmung, nämlich die Umbenennung der Fachgymnasien in Berufliche Gymnasien. Damit wird ein verbreitetes Missverständnis ausgeräumt, das bei der bisherigen Bezeichnung entstand und ständig Anlass zu Nachfragen war. Das Abitur an dieser Schulform ist kein Fachabitur. Hier wird vielmehr die allgemeine Hochschulreife und damit die Berechtigung zum Studium an jeder Universität vermittelt. Es handelt sich insofern nicht um eine faktische Aufwertung der berufsbildenden Schulen, sondern um einen Imagegewinn und um eine notwendige Klarstellung.

(Beifall bei der SPD - Karl-Heinz Klare [CDU]: Das kommt aber vom Minister!)

Wenn die SPD-Fraktion also trotz der bei der Einbringung formulierten Bedenken heute der Gesetzesnovellierung zustimmen kann, dann deswegen, weil die Beratungen im Kultusausschuss viel Bewegung gebracht haben und weil alle Beteiligten tatsächlich mit Augenmaß vorgegangen sind.

(Beifall bei der SPD sowie Zustim- mung bei der CDU und bei der FDP)

Für die faire und zuverlässige Zusammenarbeit bedanke ich mich ausdrücklich bei allen Kolleginnen und Kollegen des Ausschusses und hebe namentlich besonders den immer gesprächsbereiten Kollegen von Danwitz hervor.

(Beifall bei der SPD, bei der CDU, bei der FDP und bei den GRÜNEN)

Dennoch bleiben einige Unwuchten - um es vorsichtig zu formulieren. Diese haben mit dem Zeitdruck zu tun, den ich schon bei der Einbringung kritisiert habe, der einfach nicht weggeredet werden kann und den übrigens auch der GBD mehrfach kritisiert hat. Auch für diese Unwuchten will ich einige Beispiele nennen.

So wurde der Begriff „Bildungsgangs- und Fachgruppen“ neu ins Gesetz eingeführt. Welche Auswirkungen das an welcher Stelle hat, wurde aber nicht ausreichend berücksichtigt. Wir haben bereits dafür gesorgt, dass diese neuen Gremien ebenso wie andere im Niedersächsischen Schulgesetz vorgesehene Gremien Ausschüsse bilden können. Nicht ausreichend bedacht worden ist aber die Beteiligung der Eltern- und der Schülervertreter. Darauf weist aktuell noch einmal der Landeselternrat hin. Wir werden uns diesem Hinweis nicht verschließen und sollten ihn bei nächster Gelegenheit aufgreifen. Gleiches gilt für andere Details, die gegebenenfalls auch untergesetzlich geregelt werden können.

Uns wird weiterhin die Verteilung der Zuständigkeiten für das Personal zwischen Land und Schulträger beschäftigen müssen, z. B. für Systemkoordinatoren für Computertechnologie. Da dies allerdings auch für andere große Schulen gilt, konnte es an dieser Stelle nicht abschließend geklärt werden.

Diese Aspekte bleiben zu beobachten. Sie dürfen aber eines nicht verdecken, was ruhig auch einmal öffentlich gesagt werden kann, auch wenn in diesen Tagen andere Themen im Vordergrund stehen und ein bisher noch wenig gefüllter Begriff wie „Oberschule“ mehr Aufmerksamkeit auf sich zieht: Auch so kann parlamentarische Beratung laufen. Sie kann zu einem Verbessern von schwachen Vorlagen und zu einem Ausgleichen von Interessen beitragen, wenn Interessenvertreter und Opposition ihre Argumente und Positionen nachdrücklich und überzeugend vertreten und wenn die Mehrheitsvertreter nicht auf Maximalpositionen verharren. Unter solchen Bedingungen, meine Damen und Herren, ist Konsens möglich, auch in der Schulpolitik. Denken Sie einmal darüber nach!

(Lebhafter Beifall bei der SPD)

Herzlichen Dank, Herr Kollege Poppe. Unglaublich! - Jetzt hat sich für die FDP-Fraktion Herr Kollege Försterling zu Wort gemeldet.

(Frauke Heiligenstadt [SPD]: Darf die Präsidentin bewerten? - Detlef Tanke [SPD]: Das war nicht zulässig, aber richtig!)

- Das bezog sich auf die nächste Wortmeldung und war keine inhaltliche Bewertung eines Beitrages. Das würde ich nicht machen, Frau Kollegin.

Frau Präsidentin! Das verwirrt mich an dieser Stelle. Dann würde sich das „Unglaublich!“ ja auf mich beziehen!

(Heiterkeit - Kreszentia Flauger [LIN- KE]: Da hätte sie allerdings recht!)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich möchte den Wortbeitrag von Herrn Poppe aufgreifen. In der Tat ist es uns in den Beratungen gelungen, uns aufeinander zuzubewegen. Ich glaube, dass wir jetzt gemeinsam einen wichtigen Schritt zur Weiterentwicklung der Eigenverantwortlichen Schule in Niedersachsen und insbesondere der berufsbildenden Schulen gehen können.

Es ist schon angesprochen worden: Wir werden mit diesem Gesetz das Fachgymnasium in „Berufliches Gymnasium“ umbenennen. Das ist ein wichtiger Schritt, der nach außen hin deutlich macht, dass das Berufliche Gymnasium die allgemeine Hochschulreife vermittelt.

Wir werden die berufsbildenden Schulen in die Lage versetzen, sich an Maßnahmen Dritter zu beteiligen. Hier wird insbesondere noch zu klären sein, wie das im Einzelfall mit der ausbildenden Wirtschaft vor Ort abgestimmt wird. Wir haben auch aus diesem Grund zugestimmt, dass es an den berufsbildenden Schulen verpflichtend einen Beirat geben wird.

Wir haben uns darüber hinaus dafür eingesetzt - und auch da eine Einigung gefunden -, dass wir künftig auch Wirtschaftsvertreter im Schulvorstand haben werden, damit sie auch an dieser Stelle mitreden können; denn es ist wichtig, dass die berufsbildenden Schulen, die insbesondere den Bereich der dualen Berufsausbildung abdecken, auf die Bedürfnisse der Wirtschaft eingehen.

Wir haben Bildungsgangs- und Fachgruppen eingerichtet, um eine zielgerichtete Steuerung der einzelnen Bildungsgänge zu verankern.

Einer der wichtigsten Schritte ist aber tatsächlich - auch das haben die Vorredner angesprochen - die Klärung der Frage der Finanzierung der Verwaltungskräfte. Hier wird jetzt für die berufsbildenden Schulen Klarheit geschaffen. Die Schulen werden zwischen verschiedene Möglichkeiten entscheiden können, wie sie die Verwaltungskräfte einstellen und flexibel beschäftigen.

Ein aus meiner Sicht sehr wichtiger Punkt zu der Frage, wie die Mitglieder des Kultusausschusses

und der Landtag insgesamt zur Eigenverantwortlichen Schule stehen, war das gemeinsame Budget.

Hierzu gab es einen Formulierungsvorschlag des Landesrechnungshofes und des Kultusministeriums, der eine starre Regelung des Kosten-LastenAusgleichs vorsah.

Da haben wir als Mitglieder des Kultusausschusses deutlich gemacht, dass wir eine flexible, gemeinsame Bewirtschaftung des Budgets durch die Schule erreichen wollen. Wir haben uns für eine Formulierung entschieden, die den Schulen den entsprechenden Freiraum schafft - Freiraum auch für quotale Lösungen -, um das ständige Hickhack an den berufsbildenden Schulen, aus welchem Topf was zu bezahlen ist und in welchem Zeitraum das möglicherweise auszugleichen ist, ein für alle Mal zu beenden.