Protokoll der Sitzung vom 12.11.2010

Meine Damen und Herren, die erste Säule dieses Finanzierungssystems - insgesamt beruht dieses System auf zwei Säulen - ist groß und stark. Deutsche Landwirte erhalten 5,8 Milliarden Euro pro Jahr. Davon bekommen die niedersächsischen Landwirte rund 1 Milliarde Euro an direkten Zahlungen pro Jahr. Dies sind in Niedersachsen rund 366 Euro pro Hektar. Das ist jedenfalls das Ziel zum Ende der laufenden Förderperiode 2013.

Diese Direktzahlungen sind als notwendiger Ausgleich für Preissenkungen nach der Integration der

EU-Landwirtschaft in die Weltlandwirtschaft historisch entstanden. Heute müssen diese Direktzahlungen mit gesellschaftlichen Anforderungen aber neu begründet werden.

(Jan-Christoph Oetjen [FDP]: Sind sie doch!)

Die Agrarpolitik wird sich zukünftig nicht mehr nur an engen landwirtschaftlichen Kriterien messen lassen können. Dabei haben sich auch noch die Rahmenbedingungen innerhalb der EU geändert, Herr Große Macke.

(Clemens Große Macke [CDU]: Das tun sie auch heute noch!)

Wir alle wissen: Die Zukunft der Agrarsubventionen auf der europäischen Ebene ist sehr von der Gesamtentwicklung der nächsten Finanzperiode abhängig. Das Europäische Parlament wird erstmals mitentscheiden, und es wird spannende Auseinandersetzungen im Parlament geben. Zurzeit ist überhaupt noch nicht klar, wie groß der Topf sein wird, den sich nun 27 Staaten werden teilen müssen.

(Karl-Heinrich Langspecht [CDU]: Deshalb müssen wir gemeinsam han- deln!)

- Ja, Herr Langspecht. - Meine Damen und Herren von CDU und FDP, sorgen Sie dafür, dass die erforderliche Mittelausstattung erfolgt!

(Beifall bei der SPD)

Wir hoffen sehr, dass es Frau Merkel und Frau Aigner gelingt, die richtigen Akzente zu setzen. Aber bisher passiert doch viel zu wenig.

(Reinhold Hilbers [CDU]: Das ist doch Ihr Eindruck!)

- Es passiert viel zu wenig. Hören Sie auf Herrn Oetjen! Ich stimme Ihnen in Ihrer deutlichen Kritik an der Bundeslandwirtschaftsministerin zu. Ich zitiere gerne:

„Wir kommen in eine entscheidende Phase der Reform, und Frau Aigner schweigt sich aus. Das Fehlen einer vernehmbaren deutschen Stimme schadet vor allem Niedersachsen, Agrarland Nummer eins.“

Ja, Herr Oetjen, Sie haben recht. Die schwarzgelbe Bundesregierung muss mehr tun.

(Beifall bei der SPD - Clemens Große Macke [CDU]: Wie die SPD in den Ausschussberatungen! Die hat sich auch ausgeschwiegen!)

Auch Sie in Niedersachsen müssen viel mehr tun. Aber um das Geld aus dem Topf dann tatsächlich zu bekommen, müssen Sie auch sagen, wofür. Dafür brauchen Sie wirklich gute Argumente. Sie aber haben die Zeichen der Zeit verschlafen. Begründen Sie, wofür die Landwirte das Geld haben sollen! Sagen Sie klar, welche Leistung der Landwirt dafür erbringen soll, Herr Große Macke! Wir sagen: Die Landwirte in Niedersachsen stellen die Versorgung der Menschen mit Nahrungsmitteln sicher. Sie sorgen für qualitativ hochwertige, gesunde und sichere Nahrungsmittel. Das ist ein besonderes gesellschaftliches Anliegen. Das soll auch in Zukunft so sein. Hohe Standards bei der Produktionssicherheit und auch eine nachhaltige Produktionsweise sind dabei unerlässlich; denn sie stärken zugleich die Position auf den Märkten.

Wir sagen ferner: Der Klimawandel hat Auswirkungen auf die Landwirtschaft und die Landwirtschaft auf den Klimawandel. Es muss darum Anreize geben, damit sie sich viel aktiver am Klimaschutz beteiligt. Die Honorierung freiwilliger Leistungen für den Tierschutz, den Umweltschutz, den Naturschutz und die Pflege der Kulturlandschaft - das sind Voraussetzungen, um gesellschaftliche und umweltpolitische Zielsetzungen gemeinsam zu erreichen.

(Beifall bei der SPD)

Darauf aufbauend, wollen wir ein gestuftes System in der ersten Säule, in den Direktzahlungen. Vor allem aber wollen wir die zweite Säule weiterentwickeln. Sie muss größer und stärker werden. Die zweite Säule muss inhaltlich und finanziell zu einem umfassenden und tatsächlich wirkungsvollen Instrument der Strukturpolitik im ländlichen Raum gerade auch in Niedersachsen ausgebaut werden.

Nur ein Beispiel für den derzeitigen Wandel: Von den rund 65 000 landwirtschaftlichen Betrieben, die es vor zehn Jahren noch gab, sind heute rund 45 000 Betriebe übrig. - Und es geht weiter - Frau Klopp, Sie wissen das -: Nach den Berechnungen der Landwirtschaftskammer schließen täglich weitere vier bis fünf Höfe für immer ihre Tore. - Fachleute sagen: Irgendwann werden vielleicht noch 10 000 Betriebe übrig bleiben. - Das hat große Folgen für den ländlichen Raum. Dank der Enquetekommission „Demografischer Wandel“ wissen wir auch ziemlich genau, was da auf uns zukommt.

Frau Ministerin, Sie werden ja nicht müde, immer wieder darauf zu verweisen, wie wichtig gerade dieser Bereich für die zukünftige Entwicklung unseres Landes ist.

(Karl-Heinrich Langspecht [CDU]: Dann stärken wir die erste Säule!)

Warme Grußworte reichen aber nicht. Wir müssen den Strukturwandel in der Fläche aktiv gestalten. Wenn wir die begonnenen Prozesse fortsetzen und weiterentwickeln wollen, wenn wir handeln und steuern wollen, dann müssen wir mehr Geld und mehr Aufmerksamkeit in diese zweite Säule stecken,

(Karl-Heinrich Langspecht [CDU]: Aus der ersten!)

dann brauchen wir wirklich regional angepasste Handlungsmöglichkeiten.

Also: Der Landwirtschaft fällt eine Schlüsselrolle bei der Lösung gravierender Umweltprobleme wie Klimaschutz, Artenschutz und Gewässerschutz zu. Gleichzeitig steht sie unter einem enormen Anpassungsdruck durch internationale Märkte. Im ländlichen Raum stellt sie noch den wirtschaftlichen Kern dar.

(Clemens Große Macke [CDU]: Noch!)

Es ist also folgerichtig, EU-Finanzierungssysteme daran anzupassen und weiterzuentwickeln, damit diese Anforderungen auch in Zukunft sinnvoll miteinander verknüpft werden können.

Nächsten Mittwoch wird der zuständige Kommissar Cioloş seine Vorstellungen zur zukünftigen Agrarpolitik erläutern, und dann sind Sie gefordert, diese zu bewerten. Frau Dr. Juliane Rumpf aus Schleswig-Holstein bringt es auf den Punkt. Ich zitiere:

„Es wird eine wesentliche politische Aufgabe der Länder sein, die Weiterentwicklung der GAP … zunächst landesintern im Kontext mit den anderen Ressorts und dann gemeinsam mit dem Bund weiterzuentwickeln und so die GAP … auf möglichst hohem Niveau abzusichern. Ein ‚Weiter so’ … könnte sich vor dem Hintergrund der sich abzeichnenden Entwicklungen in der Haushalts- und Agrarpolitik der EU und … des Bundes für die Zukunft fatal auswirken.“

(Beifall bei der SPD)

Ihre Kollegin, Frau Ministerin, hat es erkannt. Was machen Sie? - Ich kann mich Frau Rumpf nur anschließen.

Vielen Dank, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der SPD - Clemens Große Macke [CDU]: Sie haben keinen ein- zigen Vorschlag gemacht! - Jan- Christoph Oetjen [FDP]: Das war ganz dünne Suppe!)

Meine Damen und Herren, als nächsten Redner rufe ich Herrn Oesterhelweg von der CDU-Fraktion auf.

(Jan-Christoph Oetjen [FDP]: Endlich mal ein bisschen Qualität!)

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich hoffe, ich kriege das hin, auch wenn ich die Höhe des Mikrofons jetzt nicht verstellen kann. Ich werde mich zumindest bemühen.

(Clemens Große Macke [CDU]: Höher geht nicht!)

Ich freue mich sehr darüber, dass es die Fraktionen von CDU und FDP waren, die mit ihrem Antrag „Landwirtschaft und ländlichen Raum in Niedersachsen stärken“ dieses eminent wichtige Thema aufgegriffen haben.

(Beifall bei der CDU)

Ich freue mich ferner darüber, dass nun auch die Sozialdemokraten - wenn auch mit gehöriger Verzögerung - mit ihrem Antrag „Europäische Agrarpolitik neu gestalten - ländliche Räume in Niedersachsen stärken“ nachgezogen sind. Nun hören sich diese beiden Titel ähnlich an. Wenn man aber ein bisschen ins Thema einsteigt, wird man relativ schnell feststellen, dass es doch einige Unterschiede gibt. Ich sage Ihnen auch ganz klar, meine Damen und Herren: Diesem Thema muss man sich mit aller Kraft und allem Engagement stellen. Frau Schröder-Ehlers, das habe ich bei Ihnen eben ein bisschen vermisst. Wir haben eben gerade darüber diskutiert: Wir hätten zu diesem Thema ganz gern Herrn Schminke gehört; dann wäre ein bisschen mehr Dampf drin gewesen. Diese Energie brauchen wir auch, um dieses wichtige Thema vernünftig bearbeiten zu können.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, einige grundsätzliche Bemerkungen vorab: Der ländliche Raum in Niedersachsen - wir reden von 75 % der Landesfläche und von 60 % der Bevölkerung - prägt dieses Land und wird auch heute noch selbst geprägt von unserer Land- und Forstwirtschaft. Diese hat einen Umsatz von jährlich 7,7 Milliarden Euro. Jeder fünfte Arbeitsplatz hat direkt oder indirekt mit unserer Landwirtschaft zu tun.

Unsere niedersächsische Landwirtschaft produziert hochwertige Nahrungsmittel und wichtige Rohstoffe und trägt auch zur Energieversorgung bei. Landwirte pflegen die Kulturlandschaft, schützen bei verantwortungsvollem Wirtschaftsumgang Natur und Umwelt, prägen das Bild unserer Dörfer und sind vielerorts Träger, Herr Kollege Meyer, der dörflichen Gemeinschaften.

(Beifall bei der CDU)

Sie investieren, sichern Arbeitsplätze, generieren Steuereinnahmen. Wir, meine Damen und Herren, wären gut beraten, die bewährten Strukturen verantwortungsvoll zu entwickeln und auszubauen.

(Beifall bei der CDU)

Meine Damen und Herren, wer die Landwirtschaft entwickelt, der entwickelt den ländlichen Raum.

(Clemens Große Macke [CDU]: Richtig!)

Wer die Landwirtschaft stützt, der stützt Niedersachsen.